Fasziniert von Hongkong bei nacht: der Fotograf Nikolaus Gruenwald (links) und der Gallerist Daniel Stauch Foto: Susanne Müller-Baji

Die dunkle Seite eines urbanen Molochs: Nikolaus Gruenwald stellt in der Gallery Stauch im Stuttgarter Norden Nachtfotos von Hongkong aus.

S-Nord - Hongkong ist das, was man durchaus einen Moloch nennen könnte, „eine Kakofonie eng aneinander gereihter Gebäude mitten im subtropischen Regenwald“, wie der Fotograf Nikolaus Gruenwald sagt. Seine dort entstandene Werkserie „The Night Shift“ (Die Nachtschicht) stellt er seit Freitag in der Gallery Stauch vor: Die Ausstellung, die in den Räumen der Galerie an der Knollstraße 1 zu sehen ist, ist ein künstlerisches Zeugnis urbanen Wildwuchses und der Suche nach einer Heimat.

Der Vordergrund ist in das warme Orange der Straßenbeleuchtung getaucht, über dem Hintergrund liegt das kühle Blau der Nacht. In den Fotografien von Nikolaus Gruenwald ergibt sich aus diesem Komplementärkontrast ein Spannungsfeld, in dem eine ganze Welt verborgen liegt: Brachialbauten, die zwischen den verbliebenen, traditionellen Häusern und anderen Überbleibseln aus der Kolonialzeit in die Höhe schießen. Wenn es Nacht wird über Hongkong, kommt eine Weltstadt zur Ruhe, deren einzige Konstante der stetige Wandel ist, und so manches was das Auge des Fotografen am Abend noch reizte, kann morgen bereits Geschichte sein.

Schwindelerregend hohe Quadratmeterpreise

Gruenwalds Fotos erzählen von einem Bauboom sondergleichen, seit finanzstarke Festlandchinesen das Betongold als Kapitalanlage erkannt haben, und von schwindelerregend hohen Quadratmeterpreisen, die die Immobilienpreise in Stuttgart vergleichsweise fast lächerlich niedrig wirken lassen. Die Tage der noch bestehenden Bebauung scheinen in Hongkong gezählt zu sein: Abgerissen und neu bebaut wird in einem schier atemlosen Tempo.

Und es ist genau diese Abbruchkante zwischen Alt und Neu, die den Fotografen faszinieren – wie sich immer neue Schichten städtebaulichen Wachstums unerbittlich übereinander legen: Da duckt sich eine Fußgängerbrücke buchstäblich unter der Trasse einer Stadtautobahn hindurch. Und ein immerhin sechsstöckiges Gebäude wirkt wie ein Fremdkörper umringt von den hohen Wohn- und Bürotürmen des Immobilienbooms.

Vielleicht ist es genau das, was in den Arbeiten von Nikolaus Gruenwald berührt: zu sehen ist eine ausgestorbene Stadtlandschaft: Der Mensch ist merkwürdig abwesend in einer Welt, die er doch selbst erschaffen hat. Wie ist das möglich in einer Millionenstadt wie Hongkong, zumal Gruenwald mit relativ langen Belichtungszeiten gearbeitet hat? 

In den Wohngebieten sei es abends durchaus ruhig, erzählt Gruenwald, und die Fotoaufnahmen an den belebteren Stellen hätten sich durchaus bis morgens um drei oder vier Uhr hingezogen. Also bis in die Zeit, in der die Nachschwärmer nach Hause zurückgekehrt waren und die Frühschicht sich noch nicht auf den Weg zur Arbeit gemacht hat. In der Nachtschicht, „The Night Shift“, gab es nur den Fotografen und die menschenleere Stadt.

Der jungen Kunst eine Plattform

Nach seinem Jurastudium hat Nikolaus Gruenwald sein Hobby zum Beruf gemach. Heute arbeitet er als Architektur-, Landschafts- und Werbefotograf. Inspiration findet er häufig auch auf seinen Reisen: „The Night Shift“ ist nach „Sleeper in Metropolis“ bereits die zweite Werkserie, die er der ehemaligen britischen Kronkolonie gewidmet hat. Seine Werkschau ist bereits die dritte Ausstellung im malerisch in einer ehemaligen denkmalgeschützten Badeanstalt auf dem ehemaligen Eisenbahnergelände Badeanstalt gelegenen Atelier von Fotograf Daniel Stauch. Dessen Gallery Stauch bietet seit knapp einem Jahr der jungen Kunst eine Plattform, bei der bisher die Fotografie im Vordergrund stand. Für die nächste Ausstellung soll allerdings New Yorker Street Art Einzug in der Knollstraße 1 halten.

Info
Die Ausstellung „The Night Shift“ von Nikolaus Gruenwald endet am Freitag, 24. Mai, um 19 Uhr mit einer Finissage. Zuvor ist an den Donnerstagen, 4. und 18. April sowie , 9. Mai, von 18 bis 21 Uhr geöffnet und an den Sonntagen, 14. und 28. April sowie am 19. Mai, von 15 bis 18 Uhr. Weitere Besichtigungstermine an der Knollstraße 1 sind auch nach Vereinbarung unter 07 11 / 50 47 10 84 möglich. Mehr über die Ausstellung erfährt man auch übers Internet unter www.gallerystauch.com.