Drei Tage die Woche werkelt Christel Kieninger in ihrem Weilimdorfer Atelier. Foto: Elke Rutschmann

Die Weilimdorferin Christel Kieninger ist seit Jahrzehnten begeisterte Malerin. Von diesem Freitag an stellt sie unter dem Titel „Variationen in Farbe“ in der Second Hand Boutique PragA in Stuttgart aus.

S-Nord - Rechts über der Ateliertür hängt ein ganz besonders Bild. „Familie“ hat Christel Kieninger das Porträt genannt. Es zeigt ihren Mann und die beiden Söhne auf einer Wiese. Links neben dem großen Schreibtisch steht das Originalfoto, das am Max-Eyth-See aufgenommen wurde. Es ist ihr erstes Ölbild, deshalb unverkäuflich und typisch für die Malerin – kräftige Farben korrespondieren mit dem Blick für Details und lassen dennoch Spielraum für Interpretationen.

Vor 35 Jahren hat die 68-Jährige aus Weilimdorf ihre Leidenschaft fürs Malen entdeckt. Die drei Kinder waren aus dem Haus und eigentlich wollte wie wieder mehr in ihrem Beruf als Krankenschwester arbeiten. „Doch dann habe ich gespürt, dass ich etwas ganz anderes will“, sagt Christel Kieninger. Nämlich malen. Herangetastet hat sie sich mit Aquarellen und schnell gemerkt, dass ihre Werke bei Freunden ankommen und hatte 1986 ihre erste Ausstellung im Kolpinghaus in Stuttgart. Sie hat weiter hart an sich gearbeitet, ein Studienjahr in Freier Malerei in Kassel belegt und fünf Jahre an der Kunstschule Academia in Stuttgart studiert.

Verbindung von Malerei, Zeichnung und Grafik

„Malen gibt mir Ruhe und gleichzeitig Lebenskraft“, sagt Christel Kieninger. Drei Tage die Woche werkelt sie in ihrem Atelier. „Ein Bild entwickelt sich“, sagt sie und vergleicht ihre Schritte gerne mit denen eines Komponisten. „Bei mir ist es der erste Strich – bei ihm der erste Ton.“ Auf einem Regal stehen Kunstbücher von Vincent van Gogh und dem russischen Maler Kusma Petrow-Wodkin. Darin findet sie ebenso Inspiration wie in den Werken des Impressionisten Edgar Degas. Während bislang Stillleben und Porträts ihre Leidenschaft waren, haben es ihr zuletzt die Monotypien angetan, eine Verbindung von Malerei, Zeichnung und Grafik. „Da komme ich so richtig in einen Farbenrausch und alte Skizzen bekommen eine besondere Lebendigkeit“, schwärmt Christel Kieninger.

Degas hat diese Technik perfektioniert. Seine meist kleinformatigen Monotypien zeigen Szenen aus dem Ballett, Theater sowie dem Alltag im Bordell. Zum Herstellungsprozess der Monotypie gehört das Moment der Überraschung. Erst wenn man das bedruckte Blatt von der Druckplatte abzieht, wird das endgültige Ergebnis sichtbar. Statt auf Papier oder Leinwand zeichnet Kieninger auf Glas- oder Acrylplatten. Solange die Farbe noch feucht ist, mittels Presse oder Handabreibung auf das Papier gedruckt. Die Monotypie („ein einziges Bild“) ist somit eindeutig ein Original. Igelfamilie in Blau, Hommage an Edward Hopper oder Windgeschenke hat Christel Kieninger ihre Monotypien genannt.

Von diesem Freitag an stellt sie unter dem Titel „Variationen in Farbe“ für vier Wochen in der Second Hand Boutique PragA in S-Nord aus. Sie zeigt 26 Monotypien, Collagen, Aquarelle, Arbeiten mit Ölkreiden und auch ihren Fotokalender. Für ihre Kunst verlangt sie zwischen 200 und 850 Euro. Die Einführung bei der Vernissage kommt von Peter Juréwitz, der 2018 an der Reihe war. „Es macht mich schon ein bisschen stolz, dass ich hier ausstellen darf“, sagt die Künstlerin. Ihr Credo lautet – alles bloß keine Routine. Deshalb will sie weiter experimentierfreudig bleiben.

Die Tochter teilt die Liebe zur Malerei

Nach der Ausstellung in der PragA wandern die Bilder weiter ins Oderland. In Seelow betreibt ihre Tochter Ursula das kleine Café Nussschale mit einem Naturkostladen. Vor sieben Jahren hat sie schon einmal dort ausgestellt unter dem Motto „Bilder und Skizzen einer Landschaft“ zeigt sie Aquarelle, Pastelle und Gouache-Bilder. Deren Motive fand sie rund um Seelow. Ihre Tochter hat Grafik studiert. Mit ihr teilt Christel Kieninger die Liebe zur Malerei. Aber auch ihre vier Enkel zwischen fünf und 14 Jahren dürfen sich in ihrem Atelier austoben. Wer weiß – vielleicht bekommt das Werk „Familie“ ja bald Zuwachs?