Anne Wöstmann arbeitet mit Materialien wie Erde oder Sand, ihr Mann Holger Schnapp setzt sich mit der „Odyssee“ nach Homer auseinander. Foto: factum/Bach

Das Kölner Künstlerehepaar Anne Wöstmann und Holger Schnapp zeigt in der Galerie 4/1 in Korntal seine Werke. Beide setzen auf gegenstandslose Kunst – und geben dem Betrachter viel Interpretationsspielraum.

Korntal-Münchingen - Sprache, sagt Volkmar Klopfer, sei eigentlich etwas Positives: „Sie dient dazu, Trennwände zwischen Menschen einzureißen.“ Derzeit werde die Sprache jedoch an vielen Stellen dazu benutzt, um negative Inhalte zu vermitteln, sagt der Vorsitzende des Korntal-Münchinger Kunstvereins – eine Anspielung auf die Flüchtlingsdebatte. Wenn das Wort zu scheitern drohe, bleibe die Kunst, um zwischen Menschen zu vermitteln. Die Kunst, die seit Sonntag in der Galerie 4/1 in Korntal zu sehen ist, bietet für ihre Betrachter viel Interpretationsspielraum. Das Kölner Künstlerehepaar Anne Wöstmann und Holger Schnapp stellt dort abstrakte Arbeiten aus.

Anne Wöstmann greift für ihre Bilder seit langer Zeit auf natürliche Materialien zurück. Insbesondere ist das Sand in unterschiedlichen Farben, aber auch Erde, Lehm, Kohle, Asche oder Kies. Ihre Bilder stehen unter dem Titel „Treibsand“. Kleine Erhebungen und winzige Krater erinnern ein wenig an eine Geröllwüste oder Mondlandschaft. Inspiriert wird die Kölnerin von Strukturen von Oberflächen, denen sie im Alltag begegnet. Bei der Serie „Kiel“ waren das etwa die Poller, an denen die Schiffe und Boote am dortigen Hafen festgemacht werden. Oder eine Hauswand am Lago Maggiore, die Wöstmann fotografiert und dann reproduziert hat.

Weißes und schwarzes Gold

In ihrem Kelleratelier in der Provence arbeitet Anne Wöstmann mit Spachteln und Schwämmen ebenso wie mit Maurerkellen, mit denen sie die verschiedenen Schichten des Bildes auf- oder abträgt. Den Sand fixiert sie mit einem durchsichtigen Kleber. Die Grundlage bietet meist der gelbe Sand, wie man ihn an der Côte d’Azur findet. „Schwarzer oder sehr weißer Sand ist mein Gold“, sagt Wöstmann, schließlich sei dieser sehr rar. „Freunde und Bekannte bringen mir aus ihren Urlauben Sand mit, zum Beispiel aus der Sahara oder den Rocky Mountains.“

Manche würden sie fragen, warum sie nur Sandbilder mache, sagt Wöstmann. „Aber ich bin es nicht leid.“ Sie sei immer wieder inspiriert. An den Bildern arbeitet sie unterschiedlich lange, meist an mehreren gleichzeitig. Den Schlusspunkt zu finden, sei oft schwierig. „Ich höre auf, wenn ich meine, es ist der beste Moment“, sagt Wöstmann. „Ich zwinge mich dazu.“

Vom Hass-Objekt zur Inspirationsquelle

Holger Schnapp geht anders vor als seine Frau; er malt vorwiegend mit Öl. Auf den Bildern in Korntal setzt er sich künstlerisch mit der „Odyssee“ von Homer auseinander. „In der Schule musste ich die Odyssee auf Lateinisch lesen, das war eine Qual.“ Er habe das Buch „gehasst“, bis er, Jahre später, die Erzählungen noch einmal durchgeblättert habe. „Viele Dinge, die darin beschrieben sind, können das Leben von vielen Menschen betreffen“, sagt Schnapp – viele erlebten auch Schwierigkeiten oder persönliche Katastrophen.

Schnapps Bilder sind farbenfroher als die seiner Frau, sie sind in hellem bis dunklem Blau gehalten. Einem flüchtigen Betrachter geben sie kaum einen Hinweis darauf, worum es geht. Schon eher der Titel der Reihe, „Ithaka-Blues“. Schnapp greift auch die Verwandlung der Figuren in der „Odyssee“ auf: So wird aus Penelope Kate Moss, Simone de Beauvoir oder Lady Gaga.

„Die Grundstimmung bei Odysseus, Heimweh und Sehnsucht, findet sich auch in den Bildern von Holger Schnapp“, sagt Volkmar Klopfer. Die Werke des Künstlerehepaars aus Köln habe er schon lange in Korntal ausstellen wollen. In den 1980er Jahren hatten sie sich in Genf kennen gelernt und sind seither befreundet. Nun wurde Klopfer dieser Wunsch erfüllt – bei seiner letzten Ausstellung als Vorsitzender des Kunstvereins. Im März will er nach zehn Jahren nicht mehr antreten.