Aus dem Totenreich der Zoologie: „The Carrion Cheer“ von Böhler & Orendt (Ausschnitt) Foto: Kunsthalle Göppingen

In einer bedrängenden Rauminstallation klagt das Künstlerduo Böhler & Orendt das Artensterben an.

Göppingen - Naturschützer mahnen immer wieder: Jeden Tag sterben über hundert Tierarten aus. Ein paar sind wieder da. Die Pinta-Riesenschildkröte und der Jangtse-Delfin, der Carolinasittich oder der Honshu-Wolf. Wie eine Fata Morgana schweben ihre Köpfe im Dunst. Aber sie bleiben nicht stumm. Ein Krächzen aus Schnäbeln, ein Röcheln und Röhren aus Schnauzen artikulieren tierischen Schmerz.

Neun Zelte stehen in der Kunsthalle Göppingen, jedes ein Grabmonument für eine ausgestorbene Kreatur. Wie aus dem Grabe kommend, klingen auch die einzelnen Geräusche, die sich allmählich zum Chor vereinigen. Die Soundcollage ist der wohl eindringlichste Teil dieser bedrängenden Installation. „Jubelgesang der Kadaver – eine faunistische Tragödie“ nennt das Künstlerduo Böhler & Orendt die multimediale Arbeit. Dem noch jungen Nürnberger Zweigespann wurde zuletzt mehrmals eine große Karriere prophezeit. Nach dem Besuch der Göppinger Ausstellung, weiß man, warum. Selten nur bringt Kunst es fertig, so nachhaltig aufzuwühlen und dabei so wunderbare Bilder zu schaffen.

Tiere schauen dich an

Auf die Sprühnebelschwaden, die von der Decke der Zelte strömen, werfen Videobeamer die Erscheinungen der ausgerotteten Tiere. Silhouettenhafte Darstellungen an den Innenwänden der Jurten erzählen, wie sie der Mensch gejagt, eingesperrt, malträtiert und ausgeweidet hat. In das Brüllen des südafrikanischen Blaubocks, der Steller’schen Seekuh und der anderen Wesen, die da im Zeltdunkel schweben, mischen sich auch Fragmente menschlicher Sprache.

Denn der Mensch ist es, an den sich das gespenstische Konzert aus dem Totenreich der Zoologie richtet. Eine allegorische Anklage gegen Habgier und blinde Ausbeutung der Natur. Für Böhler & Orendt (die mit vollständigen Namen Matthias Böhler und Christian Orendt heißen) spricht nicht zuletzt, dass sie das eindrucksvolle Plädoyer für Tierrechte ohne jeden Aktionismus vortragen. So sehr die Kreaturen auch Mitleid erwecken, so sind sie doch zugleich majestätisch würdevoll in ihrer immateriellen Präsenz. Sie blicken den Vertretern des Homo sapiens direkt ins Auge.

Erst allmählich hört man das Erstaunlichste aus den animalischen Elegien heraus: Die Tiere vergeben dem Menschen sein Handeln. Spätestens damit stehen sie auf einer Ebene mit ihm. Mit uns. Und wir bleiben noch etwas ratloser, noch beschämter zurück.