Gutes im Glas: Kurt Sartorius zeigt eingeweckte Speisen. Foto:  

Mit Hingabe hergestellt und weiterverschenkt: Selbstproduziertes steht hoch im Kurs. Eine Ausstellung zeigt, wie einst Lebensmittel konserviert wurden. Viele Methoden sind zeitlos gut.

Bönnigheim - Selbstgekochte Marmelade oder Pesto Marke Eigenkreation, mit Freunden oder der Familie genossen oder in hingebungsvoll dekorierten Gläsern verschenkt: Lebensmittel zu verarbeiten, haltbar zu machen und Nahestehenden als Zeichen besonderer Zuneigung zu verehren, das liegt voll im Trend. „Das verschafft Selbstwirksamkeit in einer Welt, in der alles schnell gehen muss“, vermutet Angelika Fischer.

75 Jahre alte Johannisbeeren

Fischer gehört zum Team des Schwäbischen Schnapsmuseums in Bönnigheim, das der Entwicklung mit der Sonderausstellung „Sommer im Glas – Rezepte für die Vorratshaltung“ Rechnung trägt. Die Schau ist eine Entdeckungsreise durch die Geschichte alter und aktueller Methoden zum Haltbarmachen wie Einwecken, Räuchern, Dörren, Trocknen oder Eindosen. Und sie wirft nebenbei Schlaglichter auf die Lebensumstände früherer Generationen und deren pragmatische Lösungen in Sachen Selbstversorgung.

In einer Vitrine sind etwa in einem Glas eingedünstete schwarze Johannisbeeren zu sehen. Sie stammen aus dem Jahr 1944. „Sie wurden im Haus des ehemaligen Bönnigheimer Bürgermeisters Zipperlen gefunden, der von den Nationalsozialisten abgesetzt wurde“, berichtet der Museumsleiter Kurt Sartorius. Das Eindünsten war eine wichtige Methode, um Lebensmittel zu konservieren: „Die Frucht oder das Gemüse wird in ein Glas gefüllt. In einem Topf wird das Ganze erhitzt“, erzählt der 70-Jährige. „Es bildet sich Dampf im Glas, aber Klammern halten es zu.“ Sobald das Glas abkühlt, entsteht im Innern ein Unterdruck. Durch diese physikalische Methode wird das Glas hermetisch abgedichtet.“

Die Holzart macht den Geschmack

Die Renaissance des Do-it-yourself- Trends ging auch an Angelika Fischer nicht spurlos vorbei: „Ich trockne besonders gerne Paprika und Jalapeños. Auch Räucheröfen sind mir im Baumarkt wieder häufiger aufgefallen“, erzählt sie. Mit einem Räucherofen wartet auch das Museum auf: „Räuchern von Fleisch und Würsten war eine wichtige Methode zur Konservierung. Im Ofen wird Feuer gemacht, darauf kommt Sägemehl, dann entwickelt sich Rauch. Der Rauch konserviert dann die Würste oder das Fleisch. Je nach Holzart gibt es einen anderen Geschmack“, erzählt Sartorius.

Auf praktische Methoden der Vorratshaltung von früher besinnen sich immer mehr Menschen. Angelika Fischer nimmt im Glas konservierte Kimchi – Gemüse nach koreanischem Vorbild – als Beispiel: „Das funktioniert wie das Einmachen von Sauerkraut“, erklärt sie. Die schon vor Jahrzehnten verwendeten Weckgläser bewähren sich immer noch – weshalb der Firma Weck eine eigene Vitrine gewidmet ist, die deren Gläser von 1903 bis heute in allen Formen und Größen zeigt.

Ein Riesenerfolg

„Johannes Weck war ein Alkoholgegner und wollte den Menschen eine Möglichkeit geben, dass sie im Winter Obst genießen können, ohne Schnaps oder Most zu trinken“, sagt Kurt Sartorius. „Deshalb hat er ein Patent aufgekauft und hatte einen Riesenerfolg damit. Die Gläser wurden in die ganze Welt geliefert. Der Name Weck ist bis heute geblieben, die Firma gibt es noch. Einwecken ist sogar in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen.“

Was aber hat es mit der abgeflachten Kanonenkugel auf sich, die in einem Krautständer liegt? „Kraut war ein wichtiges Lebensmittel, das man problemlos als wertvollen Vitaminspender auch im Winter aufbewahren konnte“, erzählt Sartorius. „Mit dem Krautstrunkmesser entfernte man den Strunk und hobelte es dann. Dann kam es in den Krautständer und man gab Salz dazu. Durch eine Milchsäuregärung wurde es konserviert. Außerdem musste es abgedeckt und mit Steinen beschwert werden“, erklärt der 70-Jährige. Beim Krautständer des Museums kam statt der Steine eben eine Kanonenkugel zum Einsatz.

Möhren in der Waschmaschine

Beim Schlendern durch das ehrwürdige Gemäuer des Bönnigheimer Steinhauses sind nostalgische Anflüge garantiert. Von der Decke hängen Kräuter und aufgefädelte Apfelscheiben, die durch Trocknen haltbar gemacht werden. Über einen umgedrehten Hocker ist eine Stoffwindel aufgespannt, die zum Seihen und Zurückhalten grober Stücke diente – um aus dem aufgefangenen und gefilterten Saft beispielsweise Quittengelee zu fabrizieren.

Eine uralte Vorratshaltungsmethode ist auch die Sandkiste im Keller, in die man Karotten, Rettich oder Kohlrabi steckte. „Ich mache das heute noch, aber etwas anders“, verrät Sartorius. „Ich habe eine alte Waschmaschinentrommel im Garten eingegraben, die ich mit Karotten befülle. Die halten dann viel länger. Sie werden in der kühlen, dunklen Atmosphäre der Erde konserviert.“

Wiederverwendbare Gläser statt Verpackungsmüll

Warum der Eifer an Eigenanbau und -verarbeitung wieder zunimmt, wo man doch selbst an kalten Wintertagen nicht auf sein Lieblings-Obst verzichten muss? „Diese Früchte oder das Gemüse müssen verpackt um die halbe Welt transportiert werden“, sagt Sartorius. Früher ging das nicht. Dafür gab es auch keinen Verpackungsmüll. „Und die Lebensmittel waren teilweise aus dem eigenen Garten. Eine sehr nachhaltige Sache“, so der Museumschef. „Auch deshalb leben die alten Methoden momentan wieder auf.“

Wer diese Methoden selbst ausprobieren möchte, für den gibt es in der Sonderschau auch Rezepte.

Zu sehen ist die Ausstellung „Sommer im Glas – Rezepte für die Vorratshaltung“ bis zum 27. Oktober 2019. Immer sonntags von 14 bis 17 Uhr.