Die Geburtstagsausstellung der Freien Kunstschule an der Bottroper Straße ist noch bis 18. Dezember zu sehen. Foto: Claudia Leihenseder

Die Freie Kunstschule Stuttgart feiert in diesen Tagen 70 Jahre Lehrbetrieb nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Ausstellung zum runden Geburtstag ist noch bis zum 18. Dezember zu sehen.

Bad Cannstatt - Was muss das 1946 für ein Gefühl gewesen sein: Nach zwölf Jahren Naziregime mit all seinen Gräueltaten, nach zwölf Jahren Berufs- und Ausstellungsverbot, ja sogar Mal- und Lehrverbot. Endlich ein Aufbruch, mitten aus Trümmern: Künstler durften wieder ungestört ihrer Kunst nachgehen und ihr Wissen weitergeben. So haben sich vor 70 Jahren einige Gleichgesinnte – verfemt und verfolgt während des Dritten Reiches – zusammengetan und die Freie Kunstschule Stuttgart erneut ins Leben gerufen.

„Hans Fähnle, Helmut Muehle, Rudolf Müller und die anderen Gründungsväter wollten an die Tradition anknüpfen und mit anderen Maximen als die staatliche Kunstakademie Kunst lehren“, sagt Martin Handschuh, Rektor der Freien Kunstschule Stuttgart. Dieser andere Ansatz findet sich auch heute noch: So werden die derzeit 60 bis 70 Studierenden nicht in Klassen eingeteilt und bestimmten Dozenten zugeordnet. Stattdessen wechseln sie von einem Lehrmeister zum anderen, lernen so die Kunst aus verschiedenen Blickwinkeln kennen.

Was auch anders ist: „Wir legen Wert auf solides Kunsthandwerk“, sagt Handschuh. Soll heißen: Die Studenten bekommen eine fundierte zeichnerische Ausbildung, lernen eine realistische zeichnerische Erfassung und Darstellung der Umwelt. „Das soll eine Schule des Sehens sein“, erklärt der Rektor. Erst dann sollen die Nachwuchskünstler in die Abstraktion gehen. Denn genau das heißt schließlich Abstraktion: vom gegenständlich Erfassten ausgehen und dann immer weiter verfremden.

Porträts aus vergangenen Tagen zu sehen

Die Gründungsväter selbst waren keine abstrakten Künstler wie der ursprüngliche Gründer von 1927 Adolf Hölzel. Sie können jedoch alle dem expressiven Realismus zugeordnet werden. Das ist auch in der nun eröffneten Ausstellung in den Räumen der Freien Kunstschule Stuttgart an der Bottroper Straße zu sehen.

In verschiedenen Porträts finden die dargestellten Menschen einen starken Ausdruck. Wie unterschiedlich dieser sein kann, zeigen zum Beispiel zwei Porträts von ein und demselben Künstler: Hans Fähnle zeigt in einem Bild von 1965 zwei Köpfle in Öl auf Karton, die nur in schwarz-weiß gehalten sind. Etwas schemenhaft sind ein Mann und eine Frau zu erkennen, die offensichtlich nicht besonders glücklich sind. Ausgemergelt und mit gesenktem Blick steht der Mann hinter der Frau, als ob sie aus einem Fenster schauen. Gleich daneben hängt ein undatiertes Bild mit drei Köpfen und mit ungewöhnlichen Gesichtsfarben: gelb die Frau, grün und rosa die zwei Männer. Die Augen und Münder sind nur schwarze Löcher.

Wie sich das Schaffen eines Künstler im Laufe der Zeit und je nach Einfluss des Lehrmeisters ändern kann, ist an drei Bildern von Luisa Richter zu sehen. Ihren Werken war vor zwei Jahren im Kunstmuseum in der Stuttgarter Innenstadt eine Schau gewidmet. Ein Selbstbildnis von 1948, als sie selbst Schülerin an der Freien Kunstschule war, zeigt sie in einem expressiven Bildnis, die Augen geschlossen, ein pinkfarbener Schal um den Hals. „Die Sitzende“ hingegen ist 1951 entstanden, als sie Meisterschülerin bei Willi Baumeister war. Klar ist der abstrakte Stil des künstlerischen Vorbildes in diesem Werk zu sehen. Einen großen Schritt weiter in die Abstraktion macht schließlich ihr Bild „Wachstumsring, G-Null-Phase“ von 1980. Der Ring ist nur noch als Kreis in Hell- und Dunkelgrau zu erkennen.

Info:

Freie Kunstschule
Die Schule wurde 1927 von Adolf Hölzel, dem Wegbereiter der Abstraktion, und seinem Schüler August Ludwig Schmitt gegründet, allerdings wurde der Lehrbetrieb bereits 1934 eingestellt, um sich nicht der Kunstdoktrin des Dritten Reichs beugen zu müssen. 1946 ging die Kunstschule mit neuen Gründern und alten pädagogischen Traditionen an den Start. Heute unterrichten 17 Dozenten rund 60 bis 70 Vollzeitstudierende. Zudem gibt es ein Studium Generale, Angebote für reife Semester und Mappenkurse für Interessierte, die sich an staatlichen Akademien bewerben wollen.

Schau Die Ausstellung „1946 bis 2016 – 70 Jahre Wiederaufnahme des Lehrbetriebs“ ist noch bis Sonntag, 18. Dezember, in den Räumen der Freien Kunstschule Stuttgart, Bottroper Straße 42-44, zu sehen. Gezeigt werden Arbeiten der FKS-Wiederbegründer Fitz Dähn, Hans Fähnle, Herrmann Hübsch, Heinrich Kübler, Helmut Muehle und Rudolf Müller, der ehemaligen Studierenden Gisela Masius, Luisa Richter, Hilde Schlotterbeck, Jannika Frangen, Sebastian Lorenz sowie von Antonius des Groot. Die Werkschau ist montags bis freitags von 10 bis 14 Uhr geöffnet.