Ein monumentales Gebäude mit klaren Linien in Form eines Kristalls schlägt diese Gruppe vor. Das Gebäude wäre Entree des neuen Rosensteinviertels am Budapester Platz – einem von drei möglichen Standorten. Foto: Universität Stuttgart /Bu und Zhang

Die Initiative Konzerthaus Stuttgart setzt sich für eine neue Musikstätte in Stuttgart ein. Eine Ausstellung mit Entwürfen von Architektur-Studierenden zeigt, wie der Bau aussehen könnte.

Zwei Sekunden gelten als ideal. So lange sollte ein Ton bei klassischen Musikkonzerten nachhallen. Herausragende Akustik zu schaffen, für Architekten ist das die Suche nach den richtigen Materialien, der besten Saalform. Es ist aber nur eine der Herausforderungen, die Architektur-Studierende der Universität Stuttgart und der Academy for Architectural Culture in Hamburg mit ihren Entwürfen für ein neues Konzerthaus in Stuttgart lösen mussten. Elf ihrer Ideen sind nun in einer Ausstellung im Stuttgarter Stadtpalais zu sehen. Ein emotionaler Moment ist das für Ralf Püpcke, Mitorganisator der Ausstellung und Teil des Vorstands des Vereins Konzerthaus Stuttgart: „Zum ersten Mal sehen wir, wie ein Konzerthaus aussehen könnte.“ Drei Balanceakte zeigen, wie komplex es ist, ein Konzerthaus für Stuttgart zu entwerfen.

 

Haus für alle, Räume für einige

Ein begehbares Haus, ganztägig geöffnet will der Verein. Touristen sollen die Architektur bestaunen; Nicht-Musiker Räume zum Arbeiten und Verweilen finden; Laien ebenso proben und auftreten wie Profis. Kulturhäuser als „Wohnzimmer der Stadt“ nennt sich der Trend der Orte für alle. Diese Offenheit sollen verglaste Rundbögen als Motiv in einem der Entwürfe signalisieren. Dass es mit Backstagekapazitäten oder der Bühnentechnik aber auch verschlossene Räume braucht, löste ein anderer Entwurf über die Vertikale: „Unten sind die Räume für alle begehbar, nach oben hin werden sie privater“, sagt der Studierende Claudius Keldenich.

Im Entwurf der Stuttgarter Studierenden Claudius Keldenich und Maria-Monica Maxim sind die unteren Etagen öffentlich begehbar, die oberen als Ort für Künstler und Verwaltung gedacht. Foto: Universität Stuttgart
   

Herausragen und eingliedern

Eine Strahlkraft, wie sie die Hamburger Elbphilharmonie hat, wünscht sich Püpcke auch für das Stuttgarter Haus. Strahlende Architektur verkörpert einer der Entwürfe im wörtlichen Sinn: Ein Kubus mit weißer Milchglasfassade wird zum leuchtenden Blickfang. Auffällig ist auch die Wellenform der Fassade: „Wir wollten die Klänge der Musik nachahmen“, erklärt Justine Niemitz. Püpckes Idee, um hervorzustechen: allen Fokus auf Nachhaltigkeit – etwa mit einer begrünten Fassade. „Ich kenne kein nachhaltiges Konzerthaus in Europa, da könnten wir zu den Ersten gehören.“ Zumindest nachhaltige Elemente lassen sich in den Entwürfen finden: bewachsene Terrassen, ein Sockel aus Recyclingbeton, Photovoltaikanlagen oder eine wiederverwertbare Fassade etwa. Bei allem Leuchtturmcharakter, ein Konzerthaus muss auch zu Stuttgart und seiner unmittelbaren Nachbarschaft passen. Mit einem Saal in der Form eines Weinbergs und einem abgetreppten Foyer spielt einer der Entwürfe auf den Weinbau der Region an. Schwierig ist das Eingliedern am dicht bebauten Berliner Platz, einem möglichen Standort für ein Konzerthaus. Hier steht mit der Liederhalle auch die bisherige große Musikspielstätte der Stadt: „Wir betrachten sie als große Schwester, nicht als Konkurrenz“, sagt Niemitz. Diese respektvolle Zurückhaltung zeigt sich in einigen der hier angesiedelten Entwürfe.

Ökonomisch-kompakter Leuchtkörper mit punktierter Milchglasfassade: der Entwurf von Justine Niemitz und Evelyn Schurig für den dicht bebauten Berliner Platz. Der eingerückte, dunkle Beton-Sockel soll den Stadtraum und damit Spaziergänger in das Foyer ziehen. Foto: Universität Stuttgart

Ikonisches schaffen, bezahlbar bauen

Herzog & de Meuron, die Superstars aus Basel, haben in der Elbphilharmonie ein ikonisches Gebäude geschaffen – das 866 Millionen Euro kostete. Ralf Püpcke kann sich bei Namen und Kosten auch „Stuttgarter Understatement“ vorstellen: „Wenn es so weit ist, soll der beste Entwurf gewinnen, große Namen allein nützen nichts. Die Kosten müssen im kalkulierten Rahmen bleiben.“

Ein Budget hatten die Studierenden keines. Zum Thema wurde die Kostenfrage am Eröffnungsabend trotzdem: Ob es ein weiteres Konzerthaus überhaupt brauche, fragte einer der Besucher – zumindest eine der drängenden Fragen, die nicht die Studierenden beantworten müssen.

Konzerthaus für Stuttgart

Ausstellung
Vom 9. bis zum 18. November sind die Entwürfe im Stuttgarter Stadtpalais zu sehen.

Konzerthaus Stuttgart e. V.
Die Initiative Konzerthaus Stuttgart, der hiesige Veranstalter und Kulturinstitutionen angehören, setzt sich seit 2017 für ein neues Konzerthaus ein. Drei Standorte – nahe der Liederhalle, nahe Budapester Platz, A3-Areal am Hauptbahnhof – sollen in einer Machbarkeitsstudie geprüft werden.

Partizipatives Zukunftslabor:
Unabhängig voneinander schlugen Universität Stuttgart und Academy for Architectural Culture, eine private Einrichtung in Hamburg, der Initiative eine Kooperation vor. Die Entwürfe entstanden in einem einem Workshop auf Basis der standortunabhängigen Konzeption der Initiative Konzerthaus Stuttgart.