Die Ausstellung „Sammlungsschätze“ im Stadtmuseum hat einst mit fünf Exponaten begonnen und ist nun erweitert worden. Das ist der Museumsleiterin Nina Hofmann Anlass genug für eine Führung. In der geht es auch um Schülerstreiks – und um eine Pfeife.
Ditzingen - Die Verlockung des Verbotenen ist groß. Auch für Heimerdinger Jungs, die eine Imkerpfeife für ihre Zwecke zu nutzen wissen. Mit einer Imkerpfeife vertreibt der Imker Bienen, um an die Waben zu gelangen. Dafür bläst er Rauch in den Bienenstock. Technisch ist die Pfeife dafür gemacht, Rauch aus der Pfeife hinaus zu pusten. Doch der Reiz des Verbotenen ist nicht nur groß – er macht auch erfinderisch. Deshalb gelingt es den Heimerdinger Lausbuben eben doch irgendwann, den Rauch, den man an sich nur rauspusten kann, auch zu inhalieren: Vorausgesetzt, man legt den Kopf in den Nacken und steckt die Pfeife richtig angewinkelt in den Mund.
Erinnerungen lösen Heiterkeit aus
Als der Junge von einst die Geschichte am Freitag im Ditzinger Stadtmuseum zum Besten gibt, ist die Heiterkeit groß. Eine kleine Gruppe ist gekommen, um der Museumsleiterin Nina Hofmann zu lauschen. Sie stellt an diesem Vormittag die neuesten Exponate in der Ausstellung „Sammlungsschätze“ vor und erzählt die dazugehörigen Geschichten. Vom Getränkehandel ist die Rede, der regelmäßig die Bestellungen in örtlichen Gasthäusern abfragte, vom Handharmonika-Club, von der Gründung des SPD-Ortsvereins. Mancher Ausstellungsbesucher kennt die handelnden Personen noch, die früher teils sehr im Ort präsent waren. Das setzt Erinnerungen frei – wer weiß, welche Geschichten den Veranstaltungsbesuchern in diesem Moment durch den Kopf gehen.
Nicht alle erzählen sie, aber sie erzählen eben auch vom Bäcker, bei dem die Brezel einst drei Pfennig kostete. Irgendwann später kostete sie sechs, zwischendrin schon aber hatte sie derart aufgeschlagen, dass die Schüler aus Empörung streikten. „Immerhin schafften wir es, zwei Tage keine Brezel zu essen“, erzählt ein anderer Bub von einst; auch er, wie der Junge mit der Pfeife, ist heute ein gestandener Mann. Es sind Geschichten wie diese, die die Ausstellungsbesucher an dem Vormittag zusammenführt.
Kein Platz für alle Andenken
Das eine gibt das andere, und plötzlich sind die Ditzinger ausgehend von alltäglichen Gegenständen miteinander im Gespräch. „Edelsteine, Ölgemälde oder Prachtroben sind es nicht“, führt die Museumsleiterin Nina Hofmann in die Ausstellung ein. „Die wahren Schätze eines Stadtmuseums sind oft ganz einfache Dinge“, meint Hofmann. Zu sehen sind jetzt unter anderem ein Plüschhocker, ein Musikverstärker und eine Zuckerhasenform. Die Dinge können durchaus schlicht sein, auch sie finden ihren Platz im Museum – sofern ihre Geschichten einen Bezug zur Stadt haben. Hofmann wirbt um weitere Exponate. Zugleich aber macht sie deutlich, dass sie im Depot nicht alles aufnehmen kann, was ihr angeboten wird, weil es der Besitzer zu schade zum Wegwerfen findet. „Es gibt auch noch ein Konzept“, sagt sie und verdeutlicht damit, dass die Gegenstände bewusst ausgewählt werden.
Sie alle haben etwas mit der Stadt Ditzingen oder auch einem Stadtteil zu tun. Schließlich wolle man „nicht austauschbar sein oder die Geschichte eines anderen Ortes bewahren“. Das Museum sei „kein Museum für die Bürger, sondern es ist ihr Haus“, sagt sie über das Gebäude am Laien. „Die Bürger sollen sich mit der Stadtgeschichte und der Alltagskultur auseinandersetzen.“ Das sollte im Austausch von Generationen, Kulturen und sozialen Gruppen geschehen.
Auch Geschichten sind archiviert
Hofmann schildert am Freitagvormittag auf Nachfrage, dass sie alle Geschichten, die die Schenker zu ihren Exponaten erzählten, ebenfalls gerne aufnehme. Manche ist im Museum nachzulesen. Etwa jene vom Gebetbuch mit dem dunkelbrauen Ledereinband aus dem Jahr 1895. Einstige Verzierungen in Gold sind noch zu erkennen. Die Familie des Schenkers lebte im Sudetenland. Die Familie wurde vertrieben, lebte zunächst im grenznahen Waidhaus. Von dort machte sich die vormalige Besitzerin des Buches in Tagestouren zurück in den Heimatort, um dann auf dem Rückweg Familienbesitz zu schmuggeln, auch das Gebetbuch, das nun zu sehen ist. Schmuggeln war lebensgefährlich, doch die Mutter nahm ihre Tochter im Kinderwagen mit. Einmal sei der Wagen von den Grenzposten kontrolliert worden – nicht aber unter dem Kind: Dort lag das Gebetbuch.