Im Cannstatter Stadtmuseum beleuchtet der Verein Pro Alt-Cannstatt die spannende Geschichte um die Entstehung der beiden Reiterdenkmäler für König Wilhelm I. – sie sind bis heute ortsprägend.
„Der König und sein Pferd. Eine bürgerliche Denkmalsetzung von 1875“ heißt die Ausstellung im Cannstatter Stadtmuseum, die mit Zeitungsartikeln, Fotos und Dokumententafeln ein Stück Identität des größten Stuttgarter Stadtbezirks beleuchtet: Das Reiterdenkmal vor dem Kursaal, das heute eines der wichtigen Symbole Bad Cannstatts ist. Das Denkmal ist 150 Jahre alt, und es hat eine besondere Geschichte, die
Olaf Schulze und Matthias Busch vom Verein Pro Alt-Cannstatt detailliert und anschaulich aufzeigen. Denn: „Es war kein Denkmal, das der König in Auftrag gegeben hat, sondern von den Bürgern kam“, sagt Schulze. Finanziert worden sei es jedoch nicht nur von Cannstattern, sondern vom ganzen Land. Die Idee entstand 1868, als das Cannstatter Volksfest gerade 50 Jahre alt war. König Wilhelm I. war vier Jahre tot, da wollten die Bürger ein Zeichen für die Verehrung des Königs setzen, der in Cannstatt zwei Schlösser, das Schloss Rosenstein und die Wilhelma hat bauen lassen und sich bei der Entwicklung der Kursaalanlagen gezeigt hatte. „Es gab bis dato kein Denkmal mit ihm in ganzer Person. Er sollte als Vorbild hervorgehoben werden“, erzählt Schulze.
Idee kam vom Cannstatter Oberamtsmann
Die Idee dafür hatte der Cannstatter Oberamtsmann Heinrich Friedrich Karl von Kegelen (1811–1891) zusammen mit der Stadt Cannstatt, dem Gemeinderat und dem Bürgerausschuss. 1910 Gemeinden in Württemberg wurden von Stadtschultheiß Lemppenau am 14. September 1868 angeschrieben. Gebraucht wurden 40 000 bis 50 000 Gulden für das Reiterstandbild. Die Stadt Cannstatt gab 2000 Gulden dazu, andere Gemeinden des Oberamts gaben jeweils 600 Gulden. Es gab aber auch Gemeinden, die nicht bezahlen wollten. Aufrufe wurden über die Zeitungen gemacht, und es wurde auch veröffentlicht, welche Gemeinde wie viel spendete. Hatte sich eine Gemeinde, wie etwa Rottenburg, zunächst geweigert, dann hat der Oberamtsmann Druck gemacht und gedroht, auch die Nichtspender in der Zeitung zu nennen. Rottenburg gab nach.
Gestaltet von Künstler Johann von Halbig in München
Im Jahr 1874 war das Geld beisammen. Das Denkmalkomitee mit Vertretern wie dem Dekan oder dem Oberamtsarzt bestimmten den Künstler Johann von Halbig (1814 bis 1882) aus Unterfranken, das Reiterdenkmal zu gestalten. Der Künstler hat auch die Löwen auf dem Siegestor in München und den Löwen auf der Säule in Lindau am Bodenseeufer entworfen und fürs bayrische und österreichische Königshaus gearbeitet. Gegossen wurde das Denkmal in der Erzgießerei in München, erst das Pferd, dann der Reiter – insgesamt wurden mehr als fünf Tonnen Metall verwendet. Als Vorbild für König Wilhelms Gesicht diente seine Totenmaske, sagt Schulze.
Sieben Tage langer Transport mit Pferdegespann
Der Transport von München mit einem Pferdegespann dauerte sieben Tage, weil man sich nicht traute, den König liegend zu transportieren und die Eisenbahntunnel nicht hoch genug waren. Ein Zeitungsbild von 1875 zeigt ein Pferdegespann mit der tonnenschweren Statue, wie sie über holprige Straßen unterwegs ist. Am 17. September 1875 kam das Denkmal an und wurde zwei Tage später auf seinen Sockel gestellt – am Wilhelmsplatz. Diesen Standort hatten im Vorfeld zwei Gremien bestimmt. Am 27. September 1875, dem Geburtstag des Königs, wurde es dort enthüllt. Zahlende Zuschauer drängten sich auf sechs Tribünen, 220 Sänger und zwei Kapellen umrahmten die Enthüllung, König Karl und Königin Olga waren auch dabei.
Wegen zunehmenden Verkehrs vor den Kursaal umgesetzt
Das Reiterstandbild zeigt König Wilhelm I. mit der Verfassungsurkunde von 1819 in der Hand. Württemberg war damals das erste Land mit konstitutioneller Monarchie. „Er zeigt dem Volk die Verfassung“, sagt Schulze. Das Pferd ist ein Araberpferd. Der König hatte diese Pferde ins Land geholt und unter anderem das Gestüt in Marbach gegründet.
Auf dem Denkmal gab es drei Inschriften über die Regierungszeit von 1816 bis 1864 und das Datum der Errichtung. Das Motto des Königs, „Furchtlos und treu“, ist nicht mehr zu sehen. Nur sechs Jahre später, zum 100. Geburtstag der Königs, ist das Reiterstandbild vom Wilhelmsplatz vor den Kursaal umgesetzt worden. Grund war der zunehmende Verkehr. „Da fand man den Platz nicht mehr würdig“, berichtet Schulze.
Zweites Reiterdenkmal vor der Alten Staatsgalerie
Nicht nur in Stuttgarts größtem Stadtbezirk, auch in der Stuttgarter Innenstadt gibt es ein Reiterdenkmal von König Wilhelm I. Es steht im Hof vor der Alten Staatsgalerie und wurde dort 1884, neun Jahre nach dem Cannstatter Denkmal, aufgestellt. Der Ludwigsburger Bildhauer Ludwig Hofer (1801–1887) hat es auf eigene Kosten errichtet. Er hatte zu Lebzeiten für König Wilhelm I. viele antike Kopien angefertigt, auf Grundlage seiner Reisen nach Italien, sagt Matthias Busch von Pro Alt-Cannstatt. So stammen viele Marmorskulpturen am Rosensteinmuseum und am Eckensee von ihm. Aus Dankbarkeit für die vielen Aufträge hat Hofer das Denkmal für den König erstellt. Sein Wilhelm I. ist jünger und steht auf einem Marmorsockel. Auch hier ist ein Araberhengst dargestellt, mit orientalischem Zaumzeug, aber Wilhelm wird, anders als in Bad Cannstatt, ohne Lorbeerkrone gezeigt.
Die Ausstellung im Stadtmuseum, Marktstraße 71/1 ist bis 5. Oktober zu sehen. Weitere Infos unter www.stadtmuseum-badcannstatt.de