Riesenandrang im Stadtbüro unserer Zeitung: Die Ausstellung zum Abschied des Karikaturisten Rolf Henn, besser bekannt als „Luff“, zog etliche Leserinnen und Leser an. Viele gingen mit einer persönlicher Zeichnung nach Haus.
Die Fans stehen Schlange. Jeder will sich zeichnen lassen – von ihm, Rolf Henn alias „Luff“. Statt Olaf Scholz, Friedrich Merz oder den zurückgetretenen FDP-Generalsekretär Djir-Sarai, den er in der Samstagsausgabe der Stuttgarter Zeitung als „Sündenbock“ in die Wüste geschickt hat, erscheinen Gesichter von Leserinnen und Leser wie von Zauberhand auf Papier. Scheinbar mühelos und nicht weniger markant als die bekannten Politikerköpfe porträtiert der 68-jährige Henn einen Leser nach dem anderen, ohne dass die Schlange der geduldig Wartenden kürzer würde.
„Schauen Sie bitte gerade aus“, bittet Henn freundlich. Dann legt er an seiner Staffelei los, vermisst mit den Augen, skizziert und arbeitet mit bewundernswerter Präzision die Charakteristika der Person heraus. Am Ende des Zeichen-Marathons halten mehr als 70 Leserinnen und Leser Porträts von sich in den Händen. Darunter auch die zehnjährige Elena. Sie will die Zeichnung ihrer Mama schenken. „Nicht für 100 Euro“, würde sie ihr ,Luff’-Kunstwerk hergeben“, sagt ihr Papa. Helena nickt.
Er bildete das politische Geschehen der vergangenen 37 Jahre ab
So eine Gelegenheit kommt nicht so oft. Vielleicht sogar nie wieder. Denn Rolf Henn hört auf. Am Jahresende stellt der beliebte Karikaturist im heimischen Hennweiler im Hunsrück die Fließbandproduktion seiner politischen Karikaturen ein. Fast 8000 Stück wird er dann für die Stuttgarter Zeitung gezeichnet haben. Seit 1987 ist er als Chronist mit spitzem Pinselstrich für die Zeitung tätig. Sein Ausscheiden war für die Zeitung jetzt Anlass, „Luff“ mit einer Ausstellung im Stadtbüro der Redaktion in der Geißstraße 4 zu würdigen. 100 Karikaturen waren dort am Wochenende zu sehen. „Diejenigen, die mir ans Herz gewachsen sind“, sagt „Luff“.
Bei der Begrüßung am Samstag erweist ihm die Zeitung die Ehre. Herbert Dachs, der Geschäftsführer der Medienholding Süd, ist da. Chefredakteur Joachim Dorfs lobt Henn als Meister seines Fachs, der in der Redaktion und bei den Leserinnen und Lesern hohe Wertschätzung genieße. Anders als bei den meisten anderen Tageszeitungen hat die Karikatur auf der Titelseite der Stuttgarter Zeitung ihren festen Platz behalten. Ein Platz, der für „Luff“ reserviert war – zur Freude auch von Artdirector Dirk Steininger, der die Ausstellung mit den Mitarbeiterinnen Judith Sommer und Lea Stoll organisierte.
Die Leser mögen ihren „Luff“ – und umgekehrt
Vielen Leserinnen und Lesern fällt der Abschied sichtlich schwer. „Ein Mega-Zeichner, immer aktuell und immer treffend“, sagt Petra Sorsche. „Die ,Luff‘-Zeichnung war jeden Tag das Erste, das ich angeschaut habe“, sagt eine andere Dame, die die Karikaturen in der Ausstellung der Reihe nach fotografiert. „Köstlich“, meint sie, als sie auf die Zeichnung blickt, in der die S21-Baustelle mit dem Turmbau zu Babel verglichen wird – nur dass der Turm in die Erde wächst. Hendrik Zwietasch bewundert, „wie intelligent Henn politische Vorgänge in Bilder umsetzt“. Es ist unverkennbar: Sie mögen ihn einfach, ihren „Luff“. Und umgekehrt: Henn ist von dem Zuspruch überwältigt.
Auch der Kabarettist Christoph Sonntag ist gekommen, ein langjähriger Bekannter. Er trägt Fanpost vor. In dem Brief von Leser Karl-Wolfgang Wehner heißt es auf Schwäbisch: „Soine Bilder hen da Nagel sets getroffa/Waret meist heiter, machten oft betroffa/A jeder war gut zu erkenna druff/Der Luff hört uff, der Luff hört uff“.
Das Geheimnis des Erfolgs? „Ambition!“
Aber warum eigentlich? „Einem Tizian oder Picasso wäre auch nicht eingefallen aufzuhören“, sagt ein Bewunderer im Scherz. Henn lächelt. Im Interview mit Redakteurin Eva-Maria Manz sagt er, dass er sich dem täglichen Kreativdruck nicht mehr aussetzen wolle. Das heißt nicht, dass „Luff“ ganz mit Zeichnen aufhören würde. Bei besonderen Anlässen würde er „nicht nein sagen“. Vor allem aber freut er sich darauf, mehr Zeit für seine Hobbys zu haben: Segelfliegen, Skifahren, Reisen. Außerdem will er sich der Geologie und der Astronomie widmen.
In dem Gespräch erfährt man Überraschendes – etwa, dass der gelernte Kunsterzieher und Vater von vier Kindern ursprünglich nicht viel mit Politik am Hut hatte. Seine Frau ermutigte ihn, es mit politischen Karikaturen zu versuchen – der Erfolg war durchschlagend. Henn verrät auch, was das Geheimnis dieses Erfolges ist: „Ambition. Man muss etwas wirklich wollen.“ Dazu kommen Talent und Handwerk. „Kohl, Merkel, Schröder, Lauterbach gingen mir irgendwann leicht von der Hand“, sagt er. Nur mit einem tut er sich schwer: „Christian Lindner. Ich kann ihn einfach nicht fassen.“ Ob er die unbeschränkte Freiheit des Künstlers genieße, wird er noch gefragt. Für Henn gibt es „klare Grenzen des guten Geschmacks“. Er unterstreicht das mit einem Goethe-Zitat: „In der Beschränkung zeigt sich der Meister.“
Kostas Koufogiorgos, kurz Kosta, steht daneben und nickt. Der 52-Jährige wird im Januar die Nachfolge Henns als Karikaturist der Stuttgarter Zeitung antreten. Die Vorfreude ist groß: „Für mich ist das wie eine zweite Einbürgerung“, sagt er. Die erste, offizielle, war 2014. Kosta nennt Henn „einen großartigen Künstler“. Die Wertschätzung ist gegenseitig. „Die Leserinnen und Leser können sich auf Kosta freuen“, sagt „Luff“ mit einem breiten Lächeln.
Rolf Henn alias „Luff“
Werdegang
„Luff“ mit bürgerlichem Namen Rolf Henn, geboren 1956 in Idar-Oberstein, studiert Kunsterziehung an der Universität Mainz und arbeitet nach dem Referendardienst zunächst als freier Fahrzeug- und Grafikdesigner. Seine politischen Karikaturen druckt 1987 erstmals die „Mainzer Allgemeine Zeitung“, ein halbes Jahr später neben anderen Blättern dann die Stuttgarter Zeitung, die sein wichtigster Kunde wird.
Auszeichnungen
2008 wird „Luff“ Sieger beim „Deutschen Preis für die politische Karikatur“ der Akademie für Kommunikation, 2012 mit der Stuttgarter Zeitung Träger des „European Newspaper Award“ für Illustration, 2019 Sieger bei der „Rückblende“ (Karikaturenpreis der deutschen Zeitungen). Von 1989 bis 2023 erscheinen seine besten Karikaturen unter dem Titel „Ertappt!“ als Jahrbuch. Privat
Mit Ehefrau Karla lebt der vierfache Vater und passionierte Segelflieger in Hennweiler im Hunsrück (die Ähnlichkeit mit seinem Nachnamen ist rein zufällig). In Zukunft möchte der passionierte Pfeifenraucher mehr Zeit für sich und die Familie haben und mehr Zeit im Segelflugzeug und auf der Skipiste verbringen. StZ