Wetterfeste Bilder von küssenden Paaren sind im Städtischen Lapidarium zu sehen. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Über den Pride Month hinaus zeigt das Städtische Lapidarium die Outdoor-Ausstellung „Ein Kuss ist ein Kuss ist ein Kuss“ mit Fotografien des Künstlers Alwin Maigler.

Stuttgart - So fest wie zärtlich halten sich die beiden älteren Frauen in schlichten Jeans und T-Shirts fest. Achtsam drücken sie ihre Münder aufeinander. Ein junges Paar wiederum lacht sich an, Gesicht an Gesicht. Der Mann im gemusterten Hemd legt die Hand auf die Taille der Frau mit Rockabilly-Lidstrich, die liebevoll seine Wange liebkost. Fast vorsichtig gehen zwei Herren wohl Anfang vierzig ans Werk, indes zwei junge Männer leidenschaftlich knutschen, der eine den anderen tragend. Diffiziler gestaltet es sich bei der Dreierkonstellation: Eine Frau berührt die Lippen des Mannes, die zweite ist mit der Zunge am Kinn der ersten.

Neues Format in historischer Kulisse

„Das war knifflig: Wie küsst man zu dritt?“, schmunzelt Alwin Maigler. Der Stuttgarter Fotograf hat die 28 Aufnahmen kreiert, die da in wetterresistentem Alu-Dibond auf Metall-Staffeleien in den Grünflächen des Städtischen Lapidariums arrangiert sind – zwischen Karyatiden und anderen Statuen verschiedener Jahrhunderte. „Ein Kuss ist ein Kuss ist ein Kuss“ heißt die Outdoor-Ausstellung in der historischen Parkanlage, die das Stadtpalais – Museum für Stuttgart ausrichtet. „Ein neues, coronakonformes Format“, sagt Christina Vollmer, die seit kurzem die Museumsfamilie des Stadtpalais leitet, neben dem Lapidarium das Museum Hegel-Haus, das Stadtmuseum Bad Cannstatt sowie die Heimatmuseen in Plieningen und Möhringen.

Nähe zwischen Menschen ist elementar

Maigler sei auf sie zugekommen, sein Projekt habe sie gleich überzeugt. „In diesen Zeiten sozialer und körperlicher Distanz hat der Künstler sehr eindrücklich festgehalten, wie elementar die Nähe zwischen Menschen ist und dass Alter oder Geschlecht dabei belanglos sind.“ Es gehe um die bunte Vielfalt Stuttgarter Paare, die hier – statt im kühlen Ausstellungsraum – an einem stillen, wildromantischen Ort mitten in der pulsierenden Stadt präsentiert werde.

Die Idee gebar Maigler in der Dritten Welle der Corona-Pandemie. Viele Projekte, Ausstellungen und Aufträge waren abgesagt worden. Der gebürtige Riedlinger fotografiert sonst Mode. Das war nicht mehr möglich. „Die Produktfotografen hatten es leichter. Also machte ich etwas, was ich längst plante – und wollte ein Zeichen der Hoffnung und Menschlichkeit setzen. Was symbolisiert das besser als der Kuss? Er ist einerseits eine simple Lippenberührung, andererseits steckt da so vieles drin.“ Daher habe er den Titel auch an den berühmten Satz „Rose is a rose is a rose is a rose“ der US-amerikanischen Schriftstellerin Gertrude Stein angelehnt. Der Kuss tue nicht nur Küssenden gut. Er löse auch Glücksgefühle bei Betrachtenden aus. „Da werden – wissenschaftlich nachgewiesen – Glückshormone Serotonine und Dopamine – freigesetzt.“

50 Paare jeglichen Alters und jeglichen Berufs

Anfang des Jahres begann er die Suche nach Menschen, die sich küssend ablichten lassen würden, und startete mit den Auftraggebern der Agentur, für die er arbeitet. Die waren gerne dabei. Über Kommilitonen – Maigler studiert auch an der Kunstakademie – sowie andere Netzwerke, etwa „100 Prozent Mensch“, vergrößerte sich der Kreis, so dass er am Schluss über 50 Paare und andere Konstellationen auf Bildern bannen konnte – jeglichen Alters, jeglichen Berufes.

Auf den Fotografien setzen nun Jung, alt, Schwäbisch, International, Hetero, Lesbisch, Schwul, Divers, Konventionell, Tätowiert und mehr ein „großes Ausrufezeichen gegen menschenfeindliche, homophobe, rückständige Agenden“, so Maigler.

Musikwünsche beim Fotoshooting

Direktheit und Kompromisslosigkeit waren ihm auch bei der Umsetzung wichtig. „Schwarz-weiß, hartes Licht vor weißem Hintergrund.“ Alles andere als hart waren indes die Shootings mit den Getesteten, Geimpften oder Genesenen. „Als erstes fragte ich, welche Musik wollt ihr hören – die Wünsche waren so vielfältig wie die Fotografierten, reichten von Barry White über Metal bis Klassik. So fassten wir Vertrauen, Lebensgeschichten kamen hervor.“ Wie die von einem Paar über sechzig, das aus Ehen mit Kindern kamen. Oder der eidgenössischen Richterin, die in der Schweiz nur verpartnert sein kann, aber in Deutschland mit ihrer Frau verheiratet ist. „Mir war wichtig, mit den Arbeiten zu zeigen: Hier gibt es nichts zu verstecken, das sind wir: Ein Kuss ist ein Kuss ist ein Kuss!“

Ausstellungs-Infos

Öffnungszeiten
Die Outdoor-Ausstellung „Ein Kuss ist ein Kuss ist ein Kuss“ ist bis zum 26. September im Städtischen Lapidarium, Mörikestraße 24/1, zu sehen. Die Öffnungszeiten sind am Mittwoch, Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr. Alle Infos auch hier.