Filmarbeiten in Zeiten der Weimarer Republik: Heinz Fenchel (li.) im Kreis seiner Kollegen Foto: Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum © privat

In Zeiten der Weimarer Republik war Heinz Fenchel ein gefragter Filmausstatter in Berlin. Doch aufgrund der Nazis ging er 1936 nach Israel und wurde dort ein berühmter Innenarchitekt für Cafés, Hotels, Geschäfte des gehobenen Bedarfs und für private Residenzen. Das Centrum Judaicum in Berlin gibt in einer Ausstellung jetzt erstmals Einblicke in sein Schaffen.l

Berlin - Der Berliner Heinz Fenchel hatte im aufblühenden Filmgeschäft der sogenannten Goldenen Zwanziger Jahre eine bemerkenswerte Karriere vorzuzeigen. Als Künstler und Zeichner entwarf der 1906 Geborene die Sets für 45 Filmproduktionen. 1933 belegten ihn die Nazis mit Berufsverbot. Fenchel verließ Deutschland und emigrierte nach Palästina. Seine Karriere als Filmarchitekt war beendet – Palästina hatte weder eine Filmindustrie noch Kinos. Stattdessen entwarf Heinz Fenchel Kaffeehäuser, Bars, elegante Geschäfte und luxuriöse Hotels. Die Ausstellung „abgedreht! Bühnenwelten – Lebenswelten“ im Centrum Judaicum Berlin erinnert an das Werk des 1988 verstorbenen Künstlers.

 

Kollegen rühmten ihn als „Perle unter den Architekten“, als „größten aller Dekorationskünstler“. Da hatte Heinz Fenchel schon Sets für insgesamt 45 Filmproduktionen geschaffen. Es waren Filme wie „Die vom Rummelplatz“, „Der Zinker“, „Die Fledermaus“, „Kiki“, und „Der Hexer“. Regie führten Carl Lamac, Paul Fejos, Max Ophüls. Vorher arbeitete er als Assistent bei dem Bühnen- und Kostümbildner Ernst Stern am Großen Schauspielhaus zu Berlin. Nach der „Entjudung der UfA“ (Goebbels) wurde Heinz Fenchel jegliche Arbeit in Deutschland untersagt – er teilte das Schicksal mit über 3000 weiteren Filmschaffenden. Fenchel ging nach Dänemark, in die Niederlande und emigrierte Ende 1936 nach Palästina.

Ein neues Gesicht für Tel Aviv

Ein Foto zeigt ihn im Jahr 1950. Eine Papierrolle unter dem linken Arm, die Knopfreihe des Jacketts geöffnet, Zigarette im linken Mundwinkel, lacht Heinz Fenchel in die Kamera. Als Umgebung für das Foto aus dem Jahr 1950 dient eine Straßenbrache in Tel Aviv. Ein geeigneteres Hintergrundmotiv hätte sich finden lassen. Etwa die „Weiße Stadt“, ein Quartier aus über 4000 Wohnobjekten im Bauhaus- oder Internationalen Stil. Zwischen Treibsand und Meer hatten Schüler berühmter Bauhaus-Architekten aus Dessau und Berlin in den 1930er bis Ende der 1940er Jahre der Stadt Tel Aviv (übersetzt: Hügel des Frühlings) ein neues Gesicht gegeben. Heinz Fenchel, hineingeboren in eine assimilierte deutsch-jüdische Berliner Familie, zollte dem Areal zwar als Gartenstadt Respekt, doch „die einheitlichen Betonhäuser in überstrahlendem Weiß mit querformatigen Fenstern und flachen Dächern“ fand er „banal“. Chaim Heinz Fenchel (den hebräischen Vornamen legte er sich nach seiner Immigration zu) wusste, was er wollte: Tel Aviv sollte nicht das Abziehbild des alten Europas sein. Er wollte eine moderne Stadt am Mittelmeer. 1938 entwarf der Absolvent der Hochschule der Bildenden Künste Berlin das Café Pilz in der Rechov-Ha-Yakon-Straße: ein schlichter Bau mit warmer Innenausstattung, dominiert von Holz und Blütendekors, dessen Terrasse sich weit zum Mittelmeer öffnete. Hier trafen sich bald auch die neuen Einwanderer aus Deutschland, denen die Nazis das Existenzrecht entzogen hatten. Hier spielten Jazzmusiker, die sonst ihren Dienst im 1936 gegründeten Palestine Orchestra taten. Der Erfolg des Cafés Pilz war überwältigend. Entlang der Straßen Allenby und Ben Yehuda öffneten weitere von Fenchel entworfene Cafés, Modehäuser, Buchläden, ein Kinderschuhgeschäft, Kinos, Apartmenthäuser. 1953 wurde das Hotel Dan eröffnet, das – mit Präsidenten- und royaler Suite – bis heute eine Promiherberge für Politiker, Künstler und andere betuchte Gäste ist.

Lebensentwürfe für das gelobte Land

Fenchels Entwürfe – das zeigen in der Ausstellung kolorierte Zeichnungen in Vitrinen, raumhoch aufgehängte Druckfahnen, Installationen und Fotos – sind stilistisch vielfältig, individuell und erinnern an Filmdekorationen aus seinen frühen Jahren. Konsequent dem Titel folgend, wird im Centrum Judaicum nahezu lückenlos ein Künstlerleben präsentiert, inszeniert wie ein Film: Die Berliner Bühnenwelten in verschachtelten, schwarz-weiß gehaltenen Räumen, die Lebenswelten wie Fenchels Entwürfe im Gelobten Land in lichten Räumen, farbig. „Mir scheint, Du hast doch recht viel retten können“, schrieb ihm sein Bruder Werner im Oktober 1947 aus Dänemark. Chaim Heinz habe seine Fähigkeiten wenn auch nicht voll, so doch weitgehend mit Erfolg ausnutzen können. Angesichts der vielen jüdischen Immigranten, die nach der Flucht aus Nazi-Deutschland in einer fremden Sprache verloren waren, ist die Einschätzung sicher richtig. Fenchel baute später Hotels an der Elfenbeinküste und plante Objekte in Liberia. 1958 gestaltete er den israelischen Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel. Für seinen Entwurf der französischen Bibliothek Alcheh (1957) in der Dizengoff-Straße in Tel Aviv wurde er 1961 mit dem Rokach Prize for Architecture ausgezeichnet.

Bis auf die Hotels mussten nahezu alle Bauwerke Heinz Chaim Fenchels Stadterweiterungen weichen. Es ist ein Glück, dass Liorah Fenchel, seine Tochter, zehn Jahre nach seinem Tod Zeugnisse seiner Arbeit für die Ausstellung zur Verfügung stellte. Neben Entwurfszeichnungen und Fotos berühren an einer Hörstation eingesprochene Impressionen, die Fenchel 1937 kurz nach seiner Ankunft in Palästina notierte. Sie beginnen mit: „. . . um es vorwegzunehmen, es ist wohl das Schönste und Beste hier im Lande; ein Judenproblem wie in Europa gibt es nicht!“ Chaim Heinz Fenchel starb am 22. Juni 1988 in Tel Aviv. Nach Deutschland kehrte er nie mehr zurück.