Kolumbianer atmen auf: In sechs Monaten soll der Friedensvertrag stehen Foto: AP

Die FARC-Guerilla schwört der Gewalt ab und will einen Friedensvertrag unterzeichnen – nach 50 Jahren Kampf.

Bogota - Kolumbiens Staatsfeind Nummer eins trägt unschuldiges Weiß: Eine Lesebrille lässt den sonst finster drein schauenden Kommandanten der linksgerichteten FARC-Guerilla diesmal ganz anders aussehen als gewohnt. Diesmal brüllt Rodrigo Londono Echeverri alias „Timochenko“ keine Parolen ins Mikrofon, diesmal reckt er nicht drohend in militärischer Uniform die Faust in Richtung Kamera. Diesmal liest der meist gesuchte Mann des südamerikanischen Landes vom Blatt Papier ab. Plötzlich wirkt dieser Mann nicht mehr so bedrohlich, sondern verbindlich.

Es ist eine Verpflichtung zu Frieden und Gerechtigkeit, ein Eingeständnis, dass ein Großteil seiner fast 9000 Rebellen, die seit 1964 für ein kommunistisches Kolumbien kämpfen, damit rechnen müssen, hinter Gitter zu müssen. Fünf bis acht Jahre Haft für politische Verbrechen, so erfahren es die Kolumbianer, die gebannt auf die Bildschirme starren, weil diesmal etwas wirklich Handfestes verkündet wird.

Was die mehr als 44 Millionen Menschen des von einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg gebeutelten Landes erleben, ist nichts anderes als die historische Geburtsstunde eine neuen Partei. Es ist die Metamorphose einer Guerilla, die bislang versuchte, mit Bomben, Entführungen und Drogenhandel ihrem Heimatland ein anderes System aufzuzwingen. Die Verwandlung hin zu einer politischen Bewegung, die fortan mit Argumenten statt mit Anschlägen weiterkämpfen wird.

Soziale Veränderungen werden möglich

Das wird der FARC, aber auch Kolumbien gut tun. Denn bislang übertönte der Lärm der Explosionen jedes noch so nachvollziehbare Argument für mehr soziale Gerechtigkeit. Gewerkschafter, Campesinos, Linke Priester – sie alle litten darunter, dass die aggressive FARC-Strategie von interessierten Kräften im Land genutzt wurde, um sie mit den Linksterroristen in eine Ecke zu stellen. Soziale Veränderungen, die Kolumbien dringend braucht, waren so nicht möglich. Das wird sich nun ändern.

Seit November 2012 verhandelt die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos mit der FARC. Die Verhandlungen ziehen sich hin, doch die Ausdauer zahlt sich aus. Die Abkommen sind durchdacht. „Die Frage, wie die Rechte der über sechs Millionen Opfer in den Verhandlungen berücksichtigt und gestärkt werden können, hat die Verhandlungsdelegationen weit über ein Jahr beschäftigt“, sagt Christian Völkel von der International Crisis Group in Bogota. „Der fehlende Fortschritt in diesem Thema war einer der Auslöser für die tiefste Krise des Prozesses Mitte des Jahres.“

Die aber ist nun überwunden. Die größten Probleme sind vom Tisch. Damit hat das neue Kolumbien schon begonnen: Es ist ein Land ohne Krieg und mit einer spannenden Wachstumsprognose. Eine Nation, die schon bald zum Vorreiter in Lateinamerika aufsteigen könnte. Dass dies sozial gerechter als bislang geschehen wird, dafür wird eine Partei sorgen, die an diesem historischen Tag in Kubas Hauptstadt Havanna ihre Geburtsstunde erlebte. Die ihren Ursprung im bewaffneten Kampf hatte und die den Mut aufbringt, sich davon zu lösen. Und sie wird Kolumbien endlich verändern.