Bei seinem letzten Besuch in China hat Gabriel noch von Diskriminierung gesprochen. Nun sieht er ein Entgegenkommen Pekings. Foto: AP

Die chinesische Regierung sagt der deutschen Wirtschaft eine schonendere Anpassung von Absatzquoten zu. Derzeit wird weltweit jedes zweite Elektroauto in China angemeldet. Internationale Anbieter tun sich in der Volksrepublik schwer.

Peking - Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat in China eine Beilegung des Streits um Absatzquoten für Elektroautos bestätigt. „Wir sind der festen Überzeugung, dass die Verabredung in Bezug auf Elektromobilität steht“, sagte Gabriel am Mittwoch in Peking nach Gesprächen mit chinesischen Regierungsvertretern. Es geht bei der Auseinandersetzung um verbindliche Vorgaben für den Verkauf von Batteriefahrzeugen: Die deutschen Hersteller halten die Praxis der Einführung für rabiat. Schon ab 2018 wären sie Plänen zufolge bestraft worden, wenn sie nicht genug E-Autos an den Mann bringen.  

Gabriel hatte in seiner Rolle als Wirtschaftsminister bei seinem vorigen Besuch in Peking in diesem Zusammenhang noch von „Diskriminierung“ der deutschen Wirtschaft in dieser Frage gesprochen. Jetzt, als Außenminister, betonte er, der chinesischen Seite zu glauben, dass eine Benachteiligung ausländischer Wettbewerber nicht geplant sei.   China hatte die deutsche Fahrzeugwirtschaft zuvor schwer irritiert. Im Netz kursierte der Entwurf für eine neue Regelung zur Förderung der Elektromobilität – und zwar einer aus der Kategorie „Peitsche“ statt „Zuckerbrot“.

Schon ab kommendem Jahr sollten die Anbieter verpflichtende Quoten von E-Autos absetzen, sonst müssen sie Zertifikate von erfolgreicheren Konkurrenten dazu kaufen. Das Problem: Während chinesische Anbieter fast durchweg Elektroautos im Programm haben und ordentliche Stückzahlen loswerden, fängt der deutsche Marktführer VW gerade erst bei null an.   Die Automanager haben die Bundesregierung in Marsch gesetzt, um bessere Bedingungen zu erhalten. Spitzenpolitiker und Diplomaten haben ihre Drähte nach Peking genutzt, um die Vorgaben zumindest abzuschwächen. „Es geht um die praktische Ausgestaltung“, sagte Gabriel. Die Industrie bekomme nun mehr Zeit, um sich auf die Vorgaben einzustellen. Doch „an den Details haben wir noch zu arbeiten“, so der Minister.

China ist der weltgrößte Markt für Elektroautos

Es liegt nun im Interesse der Industrie, schnell zu den fernöstlichen Anbietern aufzuschließen. China ist mit einem geschätzten Absatz von 800 000 Stück in diesem Jahr bereits der weltgrößte Markt für Elektroautos. Der südchinesische Anbieter BYD liegen dabei mit zweistelligen Marktanteilen weit vor. Die Firma Baic aus Peking erreicht im März den ersten Platz, während die internationalen Anbieter sich die fünf Prozent am Fuß der Tabelle teilen. Davon entfallen allein vier Prozent auf Tesla. VW will erst im kommenden Jahr ein reines Elektroauto in dem asiatischen Land auf den Markt bringen. Andere Anbieter sind da bereits weiter. BMW verkauft seine Elektro-Serie, vor allem den i3, in China. Daimler stellt mit dem lokalen Partner BYD das gediegene Elektroauto Denza her.  

Der Markt für Elektroautos wächst in China derzeit außergewöhnlich schnell. Über eine halbe Million Batteriefahrzeuge haben im vergangenen Jahr dort einen Käufer gefunden. Das sind 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Im kommenden Jahr sollen bereits deutlich über ein Million von ihnen einen Käufer finden. Die Zahlen für die ersten vier Monate dieses Jahres zeigen, dass der Absatz sich trotz Schwankungen im Rahmen dieser Pläne entwickelt: der Anteil der elektrisch angetriebenen Autos am Gesamtverkauf bleibt über einem Prozent.  

Der Trend wird sich den Regierungsplänen zufolge dann fortsetzen, bis eine Mehrheit der verkauften Autos keine Abgase mehr ausstoßen. „Während die Herstellungskosten für Elektroautos sinken, wird die Beliebtheit steigen“, sagt Xu Yanhua, Vizechef der China Association of Automobile Manufacturers. Derzeit wird weltweit jedes zweite Elektroauto in China angemeldet. Der Kunde hat bereits die Wahl zwischen 70 Modellen. Im Stadtbild fallen Autos wie der Tesla oder der BYD Qin gar nicht mehr auf, so häufig sind sie geworden.

Elektromobilität ist im Fünfjahresplan verankert

Der geplante Aufstieg des Elektroautos ist Teil des derzeit geltenden Fünfjahresplans für Energieentwicklung. China erstickt im Smog, und ihre Batterien sind hervorragende Abnehmer von erneuerbarer Energie. Parallel läuft daher der Ausbau der Netze: Wenn der Wind kräftig weht und die Sonne schön scheint, dann sollen die Ladesäulen der Versorgern wie State Grid die Autobatterien vollpumpen. Schon jetzt flacht das Wachstum des Verbrauchs von Kohle und Öl sichtbar ab. Bis 2020 soll der Anteil emissionsfreier Stromquellen von elf auf 15 Prozent steigen.

Ein weiteres Argument: Das E-Auto ist als Zukunftstechnik erkannt, die China auch mit Blick auf den Weltmarkt besetzen will. Die Planer sehen hier eine Chance, die Dominanz der etablierten Herstellerländer wie USA, Deutschland und Japan aufzubrechen.   Peking treibt den dafür erforderlichen Wandel der Mobilität zunehmend mit harten administrativen Vorgaben voran. Eine ganze Reihe von neuen Verordnungen soll die Branche zwingen, das eigene Land zum weltweiten Vorreiter bei neuen Antriebsformen zu machen.

Die Hersteller müssen vermutlich schon ab kommendem Jahr an einem Punktesystem teilnehmen: Der Verkauf eines Elektroautos bringt Pluspunkte, ein Benziner Minuspunkte, große Autos fallen mehr ins Gewicht als kleine. Wer unter der vorgesehenen Punktzahl bleibt, muss Pluspunkte von anderen Herstellern zukaufen.   Zugleich gelten weiter erhebliche Anreize für den Kauf, auch wenn sich deren Aufbau derzeit verändert, weil die Regierung die teure Barförderung abschmelzen lässt. In Peking ist es beispielsweise derzeit fast unmöglich, einen Benziner neu anzumelden – nur einem von 100 Anträgen auf Neuzulassung geben die Behörden statt. Elektrofahrzeuge erhalten dagegen bevorzugt ein Nummernschild. Die Unternehmensberatung KPMG nennt in einem neuen Report jedoch das derzeit wichtigste Motiv für die Anschaffung eines Batterieautos: Es gilt als modern und angesagt, ein Elektroauto zu fahren.