Greta Thunberg äußert sich auf unerträgliche Weise zum Konflikt in Israel. Doch ihr Anliegen des Klimaschutzes bleibt wichtig. Womöglich muss sich die Bewegung von ihrer Gründerin trennen, meint Hauptstadtkorrespondent Tobias Heimbach.
Am Freitag stellte sich ein schwedisches Mädchen vor das Parlament in Stockholm. Seit 271 Wochen protestiert sie dort, normalerweise für Klimaschutz. Doch an diesem Freitag ging es Greta Thunberg nicht um das Klima, jedenfalls nicht vorrangig. Auf dem Schild in ihrer Hand stand: „Gerechtigkeit für Palästina“.
In den vergangenen Tagen hat sich Thunberg und die internationale Sektion ihrer Klimaschutzbewegung Fridays for Future (FFF) immer wieder zum Nahostkonflikt geäußert. Die Liste der Entgleisungen dabei ist lang. Thunberg stellte sich einseitig auf die Seite der Palästinenser, von den brutalen Morden der Hamas an über 1400 Israelis distanzierte sie sich erst später. Sie empfahl Social-Media-Accounts, die die Auslöschung Israels fordern.
FFF veröffentlichte einen Beitrag, in dem Israel ein „Genozid“ und „ethnische Säuberungen“ an den Palästinensern vorgeworfen werden. In einem anderen hieß es, westliche Medien würden ihren Lesern eine „Pro-Israel-Gehirnwäsche“ verpassen. All das lässt sich nicht mehr als berechtigte Kritik am israelischen Vorgehen oder aus Sorge um die Zivilisten in Gaza abtun. Das sind antisemitische Verschwörungserzählungen.
Klimaschutzbewegung gefährdet ihren Markenkern
Es ist ein Problem, dass die Klimaschutzbewegung derzeit nicht mehr dafür wahrgenommen, was eigentlich ihr Anliegen ist: die zentrale Menschheitsherausforderung dieses Jahrhunderts, den Klimawandel.
Was FFF so erfolgreich gemacht hat, war einerseits die Dringlichkeit ihres Anliegens deutlich zu machen. Andererseits schafften sie es so aufzutreten, dass sich nicht nur die junge Generation, sondern auch deren Eltern und Großeltern anschließen konnten. Auf dem Höhepunkt im September 2019 demonstrierten 1,4 Millionen Menschen deutschlandweit. So viele Menschen mobilisiert man nicht, wenn man nur die überzeugte Öko-Bubble anspricht. Das Klima hat nur wenige Verbündete, Klimaschutz nur eine kleine Lobby. Fridays for Future ist darin eine zentrale Stimme. Nun gerät sie in Verruf, ausgerechnet durch ihre Anführerin.
Hier zeigt sich auch, dass es immer ein Risiko ist, wenn Organisationen so eng mit ihren führenden Personen verknüpft sind. Fridays for Future ist eine globale Bewegung, die viel mehr ist als nur Greta Thunberg. Aber die 20-jährige Schwedin ist eben das Gesicht.
Greta Thunberg setzt Glaubwürdigkeit aufs Spiel
Die deutsche FFF-Sektion distanziert sich von den Äußerungen Thunbergs und ihrer internationalen Partner. Ob das reicht oder es einen zum Bruch mit anderen Teilen geben muss, werden die kommenden Tage zeigen. Derzeit sieht es nicht gut aus.
Entscheidend ist, dass Fridays for Future zu ihrem Markenkern zurückfindet. Einerseits der Politik im besten Sinne auf die Nerven zu gehen, andererseits möglichst viele Menschen für ihr Anliegen zu gewinnen. Das ist schwer genug, in einer Zeit, in der Aktivisten der „Letzen Generation“ Menschen durch sinnlose Straßenblockaden auf die Nerven gehen und Wahrzeichen wie das Brandenburger Tor beschmieren. Das kostet nicht nur Sympathien für die Bewegung, es bringt auch das den Klimaschutz insgesamt in Misskredit. Thunbergs Positionierung zum Nahost-Konflikt befeuert diese Entwicklung.
Greta Thunberg hat sich große Verdienste für die Klimabewegung erworben. Sie hat, Millionen junger Menschen politisiert, Staatenlenkern ins Gewissen geredet und dem Klimaschutz große Aufmerksamkeit beschert. Die Bewegung zog ihre Kraft auch aus der persönlichen Glaubwürdigkeit Thunbergs. Ein junges Mädchen, dass aus Sorge um den Planeten handelt und sich mit den Mächtigen der Welt anlegt. Diese Glaubwürdigkeit setzt Thunberg nun aufs Spiel. Das Klima muss gerettet werden. Womöglich ohne sie.