Ältere Dieselautos dürfen ab 2018 an Feinstaubalarmtagen nicht fahren. Doch es gibt Ausnahmen – aber welche? Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Vorschläge von Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) für Ausnahmen vom Diesel-Fahrverbot in Stuttgart sorgen beim Koalitionspartner CDU und in der Landesregierung für Ärger.

Stuttgart - In der grün-schwarzen Landesregierung kündigt sich eine Auseinandersetzung über die Ausnahmeregelungen für die Fahrverbote von Diesel-Fahrzeugen unterhalb der Euro-6-Norm an, die von 2018 an an Feinstaubtagen in Stuttgart gelten sollen. Das Konzept von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) müsse nachgebessert werden, verlangte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Es enthalte zwar „wesentliche Forderungen meines Hauses“, trotzdem bestehe „Nachbesserungsbedarf“.

Auch innerhalb der CDU-Landtagsfraktion herrscht „Unmut angesichts des Hermann-Alleingangs“, sagte ein Sprecher. Der Verkehrsminister habe nun sein Konzept vorgestellt, das innerhalb der Fraktion unter die Lupe genommen werde. „Mit Blick auf die berechtigten Einwände der Wirtschaft“ werde geprüft, ob „weitergehende Verbesserungen“ nötig seien.

OB Kuhn begrüßt die Vorschläge

Lob kam dagegen vom Stuttgarter OB Fritz Kuhn (Grüne). Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte Kuhn, trotz der vorgeschlagenen Ausnahmen im Entwurf für den Luftreinhalteplan und möglicher zusätzlicher Härtefälle werde die Maßgabe wohl erreicht, den Schadstoffausstoß in der Stadt an Feinstaubalarmtagen deutlich zu reduzieren. Das Verkehrsministerium und das Regierungspräsidium hätten dies intensiv geprüft. „Die Vorschläge für die Ausnahmen sind so bemessen worden, dass in der Summe die gewünschten Effekte beim Stickoxid und beim Feinstaub eintreten“, sagte Kuhn. Und er fügte hinzu: „Den ganzen Kruscht bräuchte man nicht, wenn Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU die Blaue Plakette einführen würde.“

In der Wirtschaft und bei anderen Parteien stieß der Vorstoß Hermanns jedoch auf wenig Gegenliebe. Mit Verwunderung reagierte die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart. Gegenüber den Wirtschaftsorganisationen sei vom Land angekündigt worden, dass sie im April über den Luftreinhalteplan informiert würden, um die Möglichkeit zu haben, sich dazu zu äußern. Nun solle das bereits bekannt gewordene Konzept am 6. Mai offiziell vorgestellt werden. „Wir stellen uns jetzt die Frage, welchen Wert Verkehrsministerium, Stadt und Regierungspräsidium auf die zu erwartenden Einwände der Betroffenen eigentlich legen“, sagte der IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter. „Wir haben die Sorge, dass der Eindruck entsteht, dass die am 6. Mai vorgestellten Fahrverbotsregelungen bereits endgültig sind und das Anhörungsverfahren eine Farce ist.“

IHK fordert weitergehende Ausnahmeregelungen

Richter betonte, dass noch viele Fragen offen seien – etwa welche Straßen mit dem Fahrverbot belegt würden und was unter einzelnen Ausnahmeregelungen zu verstehen sei. Der IHK-Hauptgeschäftsführer fragt sich zum Beispiel, ob unter „Fahrten zur Reparatur betriebsnotweniger technischer Anlagen“ auch die Fahrt eines Monteurs falle, der in einer Bar die defekte Gastronomiekaffeemaschine wieder zum Laufen bringe – und wer dies entscheide. Richter identifiziert weiter „zahlreiche Ungereimtheiten“ und „eine Ungleichbehandlung einzelner Branchen“, was „erhebliches Konfliktpotenzial“ berge. Er forderte „nachvollziehbare und faire Regelungen“, beispielsweise „Ausnahmen für den gesamten Wirtschaftsverkehr“.

Hoffmeister-Kraut erkennt zwar an, dass mit Hermanns Konzept „weiterhin Unternehmen mit Waren versorgt, Handwerker ihrer Arbeit nachgehen und soziale Dienste ihre Patienten versorgen können“. Dennoch müsse „im Detail geprüft“ werden, ob es Ungleichbehandlungen gebe und die von der Wirtschaft geforderten Ausnahmen berücksichtigt worden seien. Nachbesserungsbedarf sieht sie bei der Laufzeit der Ausnahmeregelung, die über 2020 hinaus verlängert werden müsse.

SPD befürchtet Schleichverkehr in Wohngebieten

Die Handwerkskammer wollte sich mit Verweis auf einen „regen Dialog“ mit dem Land zu Details nicht äußern, wies aber auf ihre Forderung hin, das Handwerk generell von den Fahrverboten auszunehmen und seinen Fahrzeugen eine Übergangsfrist von acht Jahren einzuräumen.

Martin Körner, der SPD-Fraktionschef im Stuttgarter Gemeinderat, befürchtet, dass das Fahrverbot, das nur für einzelne Straßen im Talkessel geplant ist, zu zusätzlichem Schleichverkehr in Wohngebieten führt. Dies könne laut Gutachten sogar zu einer Erhöhung der Feinstaubwerte führen. „Das Fahrverbot der Landesregierung ist völlig unausgegoren“, sagte Körner, der sich zumindest in einem Punkt mit Kuhn einig ist: Auch er fordert die Blaue Plakette.