Karl Praxl hat an diesem Freitag einen außergewöhnlichen Termin. Foto: Caroline Holowiecki

Karl Praxl, ein stiller Hansdampf in allen Gassen, der sich unermüdlich im Hintergrund für andere Menschen einsetzt, musste bei dieser Nachricht erst einmal heulen. Mit einem Verdienstorden hätte er nie gerechnet. Zu Besuch bei einem, der nie aufhört anzufangen.

Filderstadt - Karl Praxl hat Bauchschmerzen. „Ich werde nervös, wenn ich nur daran denke“, sagt er, und während er das sagt, pendelt sein Gesichtsausdruck zwischen Freude und Unbehagen. Immer und immer wieder hat er seit Februar den Brief gelesen, den der Ministerpräsident Winfried Kretschmann unterschrieben hat. Er, Karl Richard Praxl, von vielen nur Charly genannt, bekommt das Bundesverdienstkreuz verliehen. An diesem Freitag um 18 Uhr im Wintergarten der Filharmonie, dort wird es passieren. „Ich habe bestimmt eine halbe Stunde geheult“, sagt er über den Moment, in dem er die Nachricht erhalten hat. Derart ergriffen sei er gewesen. „Ich hätte nie damit gerechnet.“ Bis heute wisse er nicht, wer ihn vorgeschlagen habe. Halb Filderstadt käme in Frage.

Die Liste dessen, was der 72-Jährige aus Bonlanden angestoßen hat, ist lang. Acht Jahre war der gläubige Katholik Mitglied des Kirchengemeinderats, fünf Jahre lang Handball-Abteilungsleiter beim TSV Bernhausen, aktuell ist er der Vorsitzende des Kreisseniorenrats und hat sich dort vor allem den Themen Kriminalprävention und Wohnen im Alter verschrieben. Der Grund dafür, dass er an diesem Freitag die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland – so die volle Bezeichnung – an die linke Brust gesteckt bekommt, ist aber wohl hier zu suchen: im Umkreis des Altenzentren-Fördervereins. Bis vor Kurzem stand Karl Praxl dem vor, 16 Jahre lang. Zur Vorstandschaft gehört er bis heute.

Als Vater und Opa hätte er eigentlich genug zu tun

Was er sich insbesondere auf die Fahne schreiben kann, ist die Einführung des Suse-Mobils. Mehrmals pro Woche holen Ehrenamtliche Rentner aus dem Stadtgebiet kostenfrei zum Einkaufen ab, bringen sie zu Veranstaltungen, zu Mittagstischen, zur Gymnastik. Seit dem Start 2007 wurden 14 000 Personen befördert, nicht selten müssen zusätzliche Fahrzeuge geborgt werden. „Viele sind sehr froh, rauszukommen“, sagt der Initiator.

Gerade heute wieder ist Karl Praxl vom Mittagessen aufgesprungen, hat mit dem Bus acht Senioren eingesammelt, sie zum VDK-Treffen gefahren, die Gruppe um 16 Uhr wieder abgeholt und einen nach dem anderen heimgefahren. „Der Praxl hat heute wieder mehrere Jahrhunderte an Bord“, hätten die Passagiere gewitzelt.

Warum er sich so aufopfert? Als Vater dreier Kinder und Opa von sieben Enkeln hätte er doch eigentlich genug zu tun, und als gerichtlicher Sachverständiger für vermessungstechnische Fragen ist er mit seinen 72 Jahren auch noch aktiv.

Jetzt wird einmal für ihn das große Rad gedreht

Karl Praxl sagt: So könne er der Stadt etwas zurückzugeben. Als ehemaliger Inhaber eines Planungsunternehmens habe die Verwaltung ihn schließlich immer wieder beauftragt. „Einbringen und anpacken ist schon meine Linie“, sagt er zudem. Er zitiert seinen Lieblingsspruch des ehemalige Fernseh- und Rundfunkpfarrers Johannes Kuhn aus Musberg: Fange nie an aufzuhören, und höre nie auf anzufangen.

Und jetzt wird eben einmal für ihn das große Rad gedreht. Wieder hält Karl Praxl sich den Bauch. Kein Bohei? „Nee“, flüstert er. Er hat seine eigene Art, mit dem Ganzen umzugehen: Er hat einfach selbst den Rahmen festgelegt. „Ja nichts Feierliches, es muss rustikal sein“, stellt er klar. „Afterwork“ hat er die Verleihung einer der höchsten Ehren, die ein Bürger erhalten kann, getauft. Unterhaltungsmusik wird die Band eines seiner Stellvertreter im Kreisseniorenrat liefern.

Zentral: die Gäste. „Mir ist wichtig, dass die Leute kommen, für die ich es stellvertretend entgegennehme“, sagt er. Kirchenleute, die von Anfang an das Suse-Mobil geglaubt hätten, die zwölf ehrenamtlichen Fahrer, die Telefonisten bei der Diakonie und, und, und. Und freilich die Familie.

Seit 1969 ist er mit seiner Bärbel verheiratet. Im Juli feiert das Paar goldene Hochzeit. Und, wird die groß gefeiert? Karl Praxl schüttelt den Kopf. Pizza essen mit Kindern und Enkeln schwebt ihm vor. Bloß kein Brimborium.