Die Freiburger stehen zu ihrer internationalen Abteilung. Foto: Klinikum Freiburg

Im Gegensatz zum Klinikum Stuttgart hält die Freiburger Uniklinik an der Abteilung für ausländische Patienten fest. Sanktionen und Russlands Währungskrise haben das einst höchst einträgliche Nebengeschäft schwerer gemacht.

Freiburg - Keine Zeit im Wartesaal verschwenden, gleich rein ins Behandlungszimmer zum Professor oder Oberarzt. Eine schnelle Diagnose, Behandlung, falls nötig, noch am selben Tag und wieder ab nach Hause. Oder ins Einzelzimmer. Oder ins Hotelbett. König Patient kann sein, wer das bezahlen kann. Bei zahlungskräftigen Kunden im Ausland haben deutsche Unikliniken einen ausgezeichneten Ruf. Aber nicht alle sind glücklich mit dem Medizintourismus: Das Klinikum Stuttgart hat seine International Unit als eigenständige Abteilung zum Jahresbeginn geschlossen, auch weil sie auf hohen Forderungen sitzengeblieben ist.

An der Uniklinik Freiburg glaubt man dagegen an den Bestand ihrer internationalen Abteilung. „Das Vertrauen in die Ärzte des eigenen Landes ist in manchen Gegenden sehr gering“, nennt Doris Haltmair das Motiv für viele ausländische Patienten, deutsche Kliniken aufzusuchen. Die 46-jährige Ingolstädterin leitet die im Jahr 2000 gegründete Abteilung International Medical Services (IMS) der Uniklinik. „Ja, Medizin ist auch ein Geschäft“, räumt Jörg Rüdiger Siewert (77) ein. Er ist der Leitende Ärztliche Direktor der Uniklinik Freiburg. Die IMS ist dem Klinikchef als Stabsstelle direkt unterstellt.

Patienten kommen vor allem aus Arabien und der ehemaligen Sowjetunion

Anfänglich habe man den arabischen Markt im Auge gehabt, berichtet die IMS-Chefin Haltmair. Doch den Kunden aus den Golfstaaten ist Freiburg zu langweilig. München etwa bietet den begleitenden Familienmitgliedern mehr Gelegenheit zum Shoppen. Deshalb konzentriere man sich in Freiburg auf Patienten aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. 90 Prozent der internationalen Patienten kommen von dort. Und ihnen gefällt an Freiburg gerade, dass sich niemand für sie interessiert, vor allem keine Paparazzi. Es kamen und kommen schließlich auch Oligarchen, Staatspräsidenten, Minister und Show-Größen.

„Sehr anspruchsvoll“ seien sie, beobachtet der Klinikchef Siewert. Diskretion sei oberstes Gebot. Viele der VIP-Patienten werden vom schweizerischen Flughafen Zürich in verdunkelten S-Klasse-Limousinen nach Freiburg geholt und über ein Hotel inkognito in die Räumlichkeiten des IMS geschleust. Dort werden sie von perfekt Russisch sprechenden Patientenmanagern empfangen und auf ihrem weiteren Weg begleitet. Klinikflure und Wartezimmer sehen sie nicht, sondern gleich spezielle Behandlungs- und Krankenzimmer. Viele kommen nur zum „Check-up“. Die Preise werden nach der Gebührenordnung und mit deutlichem Aufschlag abgerechnet.

Die Sonderbehandlung vom Transport bis hin zum speziellen Essen kostet extra. Vierstellige und höhere Summen kommen da rasch zusammen. Den größten Anteil an den VIPs hat die Herzklinik der Uni mit ihren international bekannten Spezialisten. Beliebt sind Schönheitsoperationen, aber auch Krebs- und Zahnpatienten kommen nach Freiburg. Auch Schwangere aus Russland oder Tadschikistan bringen ihre Kinder gerne in Südbaden zur Welt.

Die Zahl der VIPS ist drastisch gesunken

Das internationale Geschäft lief einmal so gut, dass die Freiburger ein Info- und Beratungszentrum in Baden-Baden eröffneten. Aber nach der russischen Eroberung der Krim im März 2014 und den daraufhin verhängten Sanktionen gegen Russland durften etliche Oligarchen und Politiker nicht mehr in den Westen reisen, und die Währungskrise des Rubels hat selbst in große Portemonnaies Löcher gerissen. Die Zahl der VIPs sank drastisch und hat sich erst im letzten Jahr wieder gefestigt. Insgesamt wurden 2016 in der Uniklinik 3000 ausländische Patienten behandelt, 2000 davon wurden von der IMS betreut. Das Büro in Baden-Baden wurde geschlossen und die Zahl der IMS-Mitarbeiter von 40 auf 32 reduziert. Auch der Gewinn ging zurück, der Klinikchef Siewert erwartet 300 000 Euro aus dem letzten Jahr. Früher waren es einmal drei Millionen Euro.

Ans Schließen – so wie in Stuttgart geschehen – denkt Siewert jedoch nicht. „Wir brauchen diese Einnahmen, das gibt uns Spielraum.“ Die Zurückhaltung des öffentlich-rechtlichen Trägers, also des Landes, zwinge die Uniklinken geradezu, sich Geld für Investitionen auf dem freien Markt zu verdienen. Also locke man eben auch zahlungskräftige Kundschaft an und mache ihr den Aufenthalt in der Klinik mit Rundumsorglos-Paketen so angenehm wie möglich. „Hier passiert keine Abzocke“, betont der gebürtige Berliner. „Es wird alles nach Vorschrift abgerechnet, es behindert den normalen Klinikbetrieb nicht, und es wird alles im Geschäftsbericht ausgewiesen.“ Bei 100 000 stationären Patienten im Jahr seien 3000 ausländische gut verkraftbar.

Die Abteilung wirbt in Russland auf Messen

Behandelt wird nur nach Vorkasse. „Wir akzeptieren keine Kostenübernahmescheine von Botschaften“, erklärt die IMS-Leiterin Doris Haltmair. Damit hätten andere Kliniken nämlich schlechte Erfahrungen gemacht. Für die Zukunft ist Haltmair optimistisch, die Patientenzahlen steigen wieder. Dazu trägt auch bei, dass sich das IMS auf Gesundheits-, aber auch auf Industrie- und Handelsmessen im russischsprachigen Raum präsentiert und Patienten selbst akquiriert. Mit privaten Vermittlern wolle man nicht zusammenarbeiten, die Patientenempfehlung sei die beste Werbung, sagt Haltmair.

In Extremfällen ist früher schon mal ein Arzt zum Blutdruckmessen in eine osteuropäische Präsidentensuite geflogen. Das muss aber nicht mehr sein, die Telemedizin und die Telekonsultation über eine sichere Internetverbindung ermöglichen auch Ferndiagnosen.