Parlamentsrechte bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr bleiben wie sie sind – SPD ist enttäuscht und sinnt auf Revanche Foto: ap

Bundeswehreinsätze im Ausland sollten einfacher werden. Das war ein ambitioniertes Reformvorhaben von Schwarz-Rot. Jetzt ist das Projekt tot, und der Haussegen hängt schief.

Berlin - Die SPD-Verteidigungspolitiker haben fürs erste alttestamentarische Zeiten ausgerufen. Jedenfalls gilt für die koalitionsinterne Zusammenarbeit in sicherheitspolitischen Fragen bis auf weiteres die Devise: Auge um Auge – Zahn um Zahn. Der Grund dafür ist, dass die Union überraschend und abrupt ein im Koalitionsvertrag fest vereinbartes und von langer Hand vorbereitetes Reformprojekt fallen gelassen hat. Unions-Fraktionschef Volker Kauder hat seinem SPD-Kollegen Oppermann an diesem Dienstag mitgeteilt, dass die Parlamentsbeteiligung bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr nun doch nicht mehr reformiert werden soll. „Das wird in dieser Legislaturperiode nicht weiter verfolgt“, bestätigte am Mittwoch eine Sprecherin.

Der Verteidgungsexperte der SPD, Rainer Arnold, spricht deswegen „von einer tiefer Verärgerung“ seiner Fraktion. „Dass ein ausverhandelter Gesetzentwurf mit einem Federstrich gestoppt wird, ist ein fundamentaler Bruch der Zusammenarbeit innerhalb der Koalition.“ Diesen Affront wollen die Sozialdemokraten nicht einfach so hinnehmen. Deshalb ist Arnold bei einem wichtigen Vorhaben des Verteidigungsministeriums demonstrativ auf die Bremse getreten: Eigentlich hätten die Verteidigungs- und Haushaltspolitiker in dieser Woche grünes Licht für einen 120 Millionen Euro teuren Beratervertrag zur Beschleunigung von Beschaffungs- und Rüstungsprojekten durchwinken sollen. Das liegt nun dank dem Veto der Sozialdemokraten auf Eis, was im Verteidigungsministerium für Unmut sorgt. Dass sie bei dieser Linie nicht bleiben und der Berater-Vorlage binnen kurzem doch zustimmen werden, räumen SPD-Politiker hinter vorgehaltener Hand ein. „Klar ist aber, dass wir das genau unter die Lupe nehmen und auch noch die eine oder andere Streichung durchsetzen werden“, lässt Arnold kühl wissen.

Vorhaben im Koalitionsvertrag vereinbart

Tatsächlich ist der abrupte Stopp der Gesetzesnovelle durch die Union ein ziemlich ungewöhnlicher Vorgang. Denn die Novelle des Parlamentsbeteiligungsgesetzes ist vor mehr als einem Jahr im Kabinett beschlossen worden und in den Bundestag eingebracht worden. Nach der ersten Lesung war ein Jahr Funkstille. Jetzt lässt die Union das Projekt mir nichts dir nichts fallen, weil sie ihre ursprünglichen Forderungen nicht durchsetzen konnte.

Dabei wollten Union und SPD die Reform der Parlamentsbeteiligung an den Entscheidungen über Auslandseinsätze der Bundeswehr, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, ursprünglich ausdrücklich im Konsens mit allen Fraktionen gemeinsam vereinbaren. Deshalb wurde nach der Wahl 2013 eine Kommission unter Leitung des früheren Verteidigungsministers Volker Rühe(CDU) und dem Ex-Staatssekretär Walter Kolbow eingesetzt, in der die Grundlage für die Reform gelegt werden sollte. Allerdings gaben sowohl die Linkspartei als auch die Grünen der großen Koalition einen Korb. Die beiden Oppositionsfraktionen wollten das Gesetz nicht antasten. Sie fürchteten, dass die Koalition das Recht des Bundestags, über Auslandseinsätze zu entscheiden, ganz aushebeln wollte.

Machtkämpfe zwischen Außen- und Verteidigungspolitikern

Die Rühe-Kommission beriet trotzdem und legte einen Reformvorschlag vor, auf dem der jetzt beerdigte Gesetzentwurf fußt. Darin gibt es, anders als von der Union ursprünglich gewünscht, nicht die Möglichkeit, Vorratsbeschlüsse für Auslandseinsätze zu schaffen. Aber die Berichtspflichten der Bundesregierung über Auslandseinsätze werden erweitert, und die Verwendung von Offizieren in internationalen Stäben und Hauptquartieren wird auf rechtlich sichere Grundlage gestellt. Ziel der Reform sollte das Zustimmungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. „Wir wollten eine größere Flexibilität für gemeinsame Einsätze der Bundeswehr mit unseren Bündnispartnern im Ausland“, sagte die Fraktionssprecherin. „Das haben wir nicht erreicht.“ Pech nur, dass weit und breit kein Koalitionspartner in Sicht ist, mit dem sich ein so fundamentaler Reformansatz verwirklichen ließe.

Hinter den Kulissen ist zu hören, dass es Machtkämpfe zwischen den Außen- und Verteidigungspolitikern der Union gegeben habe. Verteidigsmann Henning Otte sei dagegen, Fraktionsvize Franz Josef Jung und Außenausschuss-Vorsitzender Norbert Röttgendafür. Kauder schlug sich auf die Seite der Gegner. Deshalb ist die Reform tot.