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Unternehmen sollten Mitarbeiter vorbereitet ins Ausland schicken. Sonst drohen Kosten.

Stuttgart - Diese Geschichte ist wirklich passiert. Eine deutsche Firma schickt einen Ingenieur kurzfristig nach Nahost. Schon bald findet der Mann Anschluss an eine Berberfamilie und ganz engen Kontakt zur Tochter. Das Glück ist von kurzer Dauer. Der Clan sieht die Verbindung weniger locker als der Deutsche - und stellt finanzielle Forderungen. Der Ingenieur hat sich mittlerweile eine Syphilis zugezogen und befürchtet - wenn er die geforderte Summe nicht zahlt - einen Racheakt. In einer Nacht- und Nebelaktion wird er in ein ausländisches Krankenhaus ausgeflogen. Der Behandlung schließt sich eine Kur an, er fällt wochenlang aus. Sein Unternehmen muss unterdessen einen neuen Mitarbeiter rekrutieren. Insgesamt kostet die Liaison samt Folgen 200000 Euro.

Ein interkulturelles Training vor der Abreise hätte dem Konzern und seinem Mitarbeiter nicht nur Geld erspart. "Da hätte der Ingenieur alles über Sitten und Mentalität in arabischen Staaten gelernt", erklärt Oliver C. Fein. "Unter anderem hätte er auch erfahren, dass Berber Träger von Syphilis sind, ohne dass die Krankheit bei ihnen ausbricht." Fein ist Vorstandsmitglied des Chapters Germany der American Society for Industrial Security (ASIS) und hauptberuflich für die Unternehmenssicherheit eines großen deutschen Elektrokonzerns verantwortlich. Bei der Vorbereitung von Auslandseinsätzen deutscher Unternehmen erkennt er drei sensible Kategorien, bei der die meisten Fehler entstehen können: Der Mensch, die Verwaltung von Dokumenten und die Planung.

Der Mensch

Der Mitarbeiter repräsentiert seinen Betrieb und sein Herkunftsland in der Fremde. Die Firma wiederum ist für seine Sicherheit verantwortlich. Doch auf der menschlichen Ebene passieren die meisten Ausrutscher. Hervorragende Kenntnisse und Geschick als Techniker reichen eben nicht für den Geschäftserfolg, wie das Berber-Beispiel zeigt. Im Auslandseinsatz sind darüber hinaus persönliche Eigenschaften wichtig, etwa Erfahrung, ein gefestigter Charakter und ein intaktes soziales und familiäres Umfeld. Die Mitarbeiter müssen gesund sein und flexibel. Um sich in der fremden Welt sicher zu bewegen, benötigen sie einen hohen Grad an Selbstständigkeit. "Viele Unternehmen investieren Unsummen für Assessment-Center und die Förderung des Führungsnachwuchses, aber wenig in sensible Auslandseinsätze. Dabei droht dort höherer Schaden", erfährt Oliver S. Fein immer wieder. Keiner habe dem Ingenieur gesagt, worauf er in arabischen Ländern achten muss. Er habe nicht einmal ein Informationsblatt mit Landesdaten bekommen.

Sicherheitsexperten wie die im Asis-Verband kennen Risiken, Hürden und Erwartungen, die über Erfolg des Auslandsgeschäfts entscheiden können. In China etwa müsse jeder Reisende darauf vorbereitet sein, dass in jedem Taxi und in jedem Hotelzimmer Abhöranlagen Gespräche aufzeichnen. Er müsse zudem wissen, dass Chinesinnen nur dann mit fremden Männern sprechen, wenn sie in Begleitung sind. "Wird ein Ausländer dort von jungen Frauen angesprochen, stimmt etwas nicht", weiß der Sicherheitsexperte. Will heißen: Er wird ziemlich sicher über seine Tätigkeit ausgehorcht - und macht sich zudem erpressbar.

Administration

Vorzugsweise in Scheindemokratien werden Ausländer bei der kleinsten Nachlässigkeit in Gewahrsam genommen - um sie gegen Bares wieder freizulassen. Das kann der abgelaufene Führerschein sein oder ein falsch ausgefülltes Dokument. "Ein paar Tage in Gewahrsam, und der Betroffene ist für seine Firma aus dem Rennen", erklärt Fein. Dagegen kann man sich wappnen. So wüssten nur wenige, dass jeder Deutsche bis zu drei Reisepässe besitzen kann, gegen Aufzahlung sogar mehr. Die mit den Stempeln verfeindeter Länder sollte man zu Hause lassen. Nicht ins Gepäck sollten militärische und polizeiliche Unterlagen, Bilder in Uniform oder von der Familie. 

Sinnvoll sind Kreditkarten verschiedener Anbieter.

Um selbstherrlichen Beamten möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, aber auch, um bei Gesundheitsgefahren gut versorgt zu werden, benötigt man einen internationalen Führerschein, ein aktuellen Impfpass und einen Blutgruppenausweis, Versicherungspolicen für Krankentransport und Reiserückführung sowie Vollmachten für Ärzte. Die Papiere müssen noch Monate gültig sein- und von allen sollte man drei Kopien anfertigen: Eine hat der Mitarbeiter bei sich, eine weitere hinterlegt er in der Niederlassung seiner Firma, die dritte in Deutschland. Gut ist es, die Dokumente auf Datenträger zu scannen. Nicht zu vergessen: ein Satz aktueller Passbilder in vorschriftsmäßigem Format für den Fall, dass Ersatzdokumente ausgestellt werden müssen. Sinnvoll seien Kreditkarten verschiedener Anbieter. "Das verschafft maximale Handlungsfähigkeit", weiß Oliver C. Fein. "Wenn nämlich der Geldfluss reißt, reißt auch die Möglichkeit zur Initiative." Weil aber besonders in armen Ländern häufig die Kreditkartenterminals nicht funktionieren, hat er im Ausland neben Münzen und Scheinen in lokaler Währung auch immer 50 bis 100 Dollar Handgeld bei sich.

Planung

In Ländern wie China, Indien, Afrika und asiatischen Ländern sollten sich Europäer nicht hinters Steuer des Mietwagens setzen. Das komme einer Aufforderung für einen fingierten Zwischenfall gleich. Besser, er engagiert einen lokalen Chauffeur. "Da wird die Verursacherfrage nicht nach Schuld entschieden, sondern nach Geldbeutel." In bestimmten Ländern stelle sich nicht die Frage, ob man überfallen wird, sondern wann.

Unternehmen, die die Sicherheit ihrer Mitarbeiter ernst nehmen, stellen vor Ort verlässliche Schutzkräfte ein. Sie checken Hotels und Wohnobjekte ab, stellen Satellitentelefone für den Ernstfall und bereiten Evakuierungen für den Notfall vor. Vor allem wird die Belegschaft im Intranet aktuell über die Lage vor Ort informiert, über Kriminalität und Gesundheitsgefahren. BASF etwa unterhält ein sogenanntes Tracking-Tool, über das alle Dienstreisen gebucht werden. Bei Alarm erfährt das Sicherheitsteam in Ludwigshafen, ob Kollegen akuter Gefahr ausgesetzt sind. Als am 31. Januar ein Selbstmordattentäter im Moskauer Flughafen eine Bombe zündete und 35 Menschen in den Tod riss, machte die Sicherheitsabteilung des Chemie-Giganten 20 Mitarbeiter im unmittelbaren Umfeld des Unglücksorts aus. Blitzschnell sondierten die Experten, ob die Reisenden Hilfe benötigen. Zum Glück war keiner verletzt worden.