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Mit der Anerkennung ausländischer Qualifikation tun sich Behörden schwer.

Stuttgart - Deutschland braucht gebildete Zuwanderer: Darüber ist sich die Politik einig. Doch mit der Anerkennung ausländischer Qualifikationen tun sich viele Behörden schwer, denn die Materie ist kompliziert. Das Land plant deshalb einen Leitfaden.

Levon K. lebt seit sechs Jahren in Karlsruhe und arbeitet bei einem Mittelständler als Fahrer. Eigentlich hat der Armenier Medizin studiert, doch der Abschluss seiner Hochschule wird hier nicht akzeptiert - und ohne diese Anerkennung kann er nicht als Arzt praktizieren.

Selbst für Experten kaum mehr nachvollziehbar

So wie Levon K. geht es vielen Migranten in Deutschland, und nicht immer ist die Frage, welchem deutschen Abschluss ein im Ausland erworbener gleichzusetzen ist, leicht zu beantworten.

Die Anerkennung ist vielmehr äußerst kompliziert, wie die von der Kultusministerkonferenz (KMK) aufgebaute Datenbank Anabin ( www.anabin.de) zeigt: Allein für Armenien werden mehr als 100 verschiedene Bildungsabschlüsse aufgeführt.

Doch auch Deutschland macht es "Bildungsausländern" nicht eben leicht, sich mit ihren Abschlüssen hier zurechtzufinden. Viele unterschiedliche Behörden, Kammern und Berufsorganisationen in unterschiedlichen Bundesländern seien berechtigt zu unterschiedlichen Anerkennungen, selbst für Experten sei das alles kaum mehr nachvollziehbar, heißt es etwa bei der Stabsstelle des Integrationsbeauftragten der Landesregierung, Justizminister Ulrich Goll (FDP).

Zuständige Stellen sollen sich besser vernetzen

 Dabei werden gut ausgebildete Migranten immer wichtiger für den Wirtschaftsstandort. Erst vergangene Woche hat Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU), gestützt auf ein Gutachten der Unternehmensberatung McKinsey, mehr "qualifizierte Zuwanderung" gefordert und eine Bundesratsinitiative angekündigt.

Die Anerkennung der Qualifikationen ist dabei ein zentraler Punkt, das haben in den vergangenen Monaten auch mehrere Anhörungen auf Länder- und Bundesebene ergeben.

Goll plant deshalb einen Leitfaden für diese Fragen und hat zur Erarbeitung eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Neuland betritt die Runde nicht: Woran es mangelt, ist schon seit längerem bekannt. Eine von der Kultusministerkonferenz eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat der Politik bereits im vergangenen Herbst ausführliche Empfehlungen zur Neuregelung des Anerkennungsverfahren gegeben - diese müssen die Politiker nun umsetzen. So wird zunächst eine bessere Statistik eingefordert: Denn derzeit weiß niemand so richtig, wie viele Zuwanderer in Deutschland eigentlich unterqualifiziert beschäftigt sind.

Zuständige Stellen sollen sich besser vernetzen

Immerhin lasse der Mikrozensus aus dem Jahr 2007 den Schluss zu, dass fast die Hälfte der Migranten mit beruflichem Abschluss ihre Qualifikation im Ausland erworben habe, heißt es in dem KMK-Bericht. Immerhin 800.000 dieser 2,8 Millionen "Bildungsausländer" haben einen Hochschulabschluss, 200.000 einen Techniker- oder Meisterabschluss, und 1,8 Millionen können eine abgeschlossene Lehre vorweisen. Die von der KMK beauftragten Fachleute plädieren auch für einen Rechtsanspruch auf eine Bewertung der mitgebrachten Qualifikationen. Auch die Berufserfahrung der Zuwanderer möge berücksichtigt werden, heißt es, ebenso der Nachqualifizierungsbedarf, falls sich Unterschiede herausstellen.

All diese Fragen sind heikel, denn eh' man sich's versieht, sind damit die hohen Qualitätsstandards des deutschen Bildungssystems aufgeweicht. Insbesondere der Stellenwert der dualen Ausbildung, das betonen die Fachleute unisono, dürfe nicht infrage gestellt werden. Erforderlich ist aus Sicht der Arbeitsgruppe nicht zuletzt eine bessere Vernetzung der für die Anerkennung zuständigen Stellen. Denn nicht jede Behörde kennt sich etwa mit der Frage aus, wie ein im Irak erworbener Zahntechnikerabschluss einzustufen ist. Außerdem soll es einfachere, transparentere und nutzerfreundliche Verfahren geben. Die Bundesregierung hat sich zahlreiche dieser Empfehlungen bereits zu eigen gemacht, wie es in einem Eckpunktepapier vom vergangenen Dezember heißt. Die Erschließung der beruflichen Fähigkeiten der Migranten sei nicht nur aus arbeitsmarktpolitischen, sondern auch aus integrationspolitischen Gründen notwendig.