Unsere Karte zeigt, in welchen Landkreisen welche Nationalitäten besonders stark vertreten sind. Foto: Screenshot StZN

In Baden-Württemberg sind dreimal mehr Rumänen als Syrer registriert. Das geht aus der Ausländerstatistik hervor. Die Einwanderungswelle aus Osteuropa lässt sich leicht erklären.

Stuttgart - 2015 sind besonders viele Syrer und Rumänen nach Baden-Württemberg gezogen. Das ergibt eine regionale Auswertung des Ausländerzentralregisters, die das Statistische Landesamt Baden-Württemberg unserer Redaktion auf Anfrage überlassen hat. Demnach waren vergangenes Jahr in 30 der 44 baden-württembergischen Landkreise Syrer die zahlenmäßig stärkste Einwanderergruppe - gefolgt von Rumänen, die in 12 Landkreisen die Zuwandererstatistik anführen. In 36 Landkreisen waren Rumänen oder Syrer die jeweils zweitstärkste Einwanderergruppe.

Die Zahl der Syrer im Land vervierfachte sich vergangenes Jahr fast auf 38.624 (Stand: 31. Dezember 2015). Während allerdings Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern im Zentrum der öffentlichen Diskussion stehen, lebten zum Stichtag beinahe dreimal so viele Rumänen wie Syrer in Baden-Württemberg. Rumänen sind damit erstmals die drittstärkste Ausländergruppe in Baden-Württemberg, allerdings deutlich hinter Italienern und Türken. 

Wer wohin zieht

Wir haben die Zuwanderung in die einzelnen Landkreise visualisiert - und zwar getrennt nach Krisenländern (siehe auch separaten Beitrag) sowie allen anderen Staaten, in diesem Fall überwiegend europäischen Ländern. Die osteuropäischen Zuwanderer beispielsweise verteilen sich unterschiedlich im Land. Von Rastatt über die Region Stuttgart bis in den Kreis Ravensburg verzeichneten 2015 Rumänen und Kroaten das größte Plus. Nordöstlich und südwestlich davon zogen Rumänen und verstärkt Polen zu; an den Rändern fallen Italiener, Albaner und Ungarn als starke Zuwanderergruppen auf. Auch das Wanderungsplus aus Krisenländern fällt je nach Landkreis sehr unterschiedlich aus.

Rechts oben können Sie zwischen den beiden Karten für Zuwanderer aus Krisenländern und allen anderen Staaten hin- und herwischen.

Anderthalb Millionen Ausländer im Land

Die Zuwanderung aus Osteuropa wird hierzulande meist mit Blick auf den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme diskutiert. Dabei geht es um erschlichene Sozialleistungen, Ausbeutung der ausländischen Arbeitnehmer und deren Integration in den Arbeitsmarkt. Bundesweit arbeitet zwar ein großer Teil der rumänischen und bulgarischen Einwanderer. Allerdings liegt der Anteil der Arbeitslosen, der Leistungsempfänger sowie "Aufstocker" mit zu geringem Lohn unter Rumänen und Bulgaren deutlich über dem bei anderen Bevölkerungsgruppen, analysiert das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in einem aktuellen Bericht.

Fast jeder zweite der gut 781.000 EU-Ausländer im Land stammt aus den 2004 oder später in die Europäische Union eingetretenen Mitgliedsstaaten. Die hohe Zahl der Rumänen (102.700), Bulgaren (31.322) und Polen (79.073) sei mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU zu erklären, schreibt das Statistische Landesamt in einer Pressemitteilung. Seit Anfang 2014 dürfen Rumänen und Bulgaren auch ohne Erlaubnis zu beantragen in Deutschland Arbeit suchen; für Polen gilt das seit Mai 2011, für Kroaten seit Mitte 2015. Der Zuzug aus Kroatien war vergangenes Jahr noch stärker als der aus Bulgarien oder Polen. Ende 2015 waren genau 10.000 Kroaten mehr in Baden-Württemberg erfasst als ein Jahr davor. 

Laut Zahlen der Arbeitsagentur waren im April 2016 in Baden-Württemberg insgesamt knapp 70.000 Ausländer arbeitslos gemeldet. Das sind 11.000 mehr als im Dezember 2013 - also dem letzten Monat, in dem für Rumänen, Bulgaren und Kroaten noch nicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit galt. Seither ist die Quote ausländischer Arbeitsloser von 8,5 Prozent auf 9,5 Prozent gestiegen. 

Das Statistische Landesamt hat in einer aktuellen Analyse herausgefunden, dass weniger Arbeitslosigkeit als vielmehr das Armutsrisiko im Herkunftsland den Ausschlag geben, nach Baden-Württemberg einzuwandern. Dies gilt besonders für Kroatien, Rumänien, Ungarn und Bulgarien - aus diesen Ländern sind auch schon vor 2015 überdurchschnittlich viele Bürger ins Land eingewandert.

Wo besonders viele Ausländer leben

Insgesamt lebten 2015 erstmals mehr als anderthalb Millionen Menschen mit ausländischem Pass in Baden-Württemberg; das sind 140.900 oder zehn Prozent mehr als ein Jahr davor. Der Ausländeranteil unterscheidet sich jedoch stark von Landkreis zu Landkreis; er hat 2015 auch unterschiedlich stark zugenommen. In der Region Stuttgart, wo traditionell viele Ausländer leben, legte er weniger stark zu als im ländlichen Raum; dort lag die Zunahme in weiten Teilen über dem Landesschnitt, betrug also mehr als zehn Prozent. 

Diese beiden Karten stellen dar, wie viele Bürger mit ausländischem Pass in den baden-württembergischen Landkreisen leben und wie sich dieser Anteil 2015 verändert hat. Rechts oben können Sie zwischen den Karten hin- und herwischen. Mit einem Klick auf den gewünschten Landkreis erhalten Sie weitere Informationen.

Wer wo hinzieht

Wo bereits viele Bürger bestimmter Nationalitäten leben, da ziehen auch weitere hin, analysiert das Statistische Landesamt. Die Armut im Heimatland und "ethnische Netzwerke" seien "die entscheidenden Bestimmungsfaktoren für die Zuwanderung". Verglichen mit der Einwohnerzahl der Heimatländer sind demnach hierzulande Kroaten und Griechen besonders stark repräsentiert, aber auch Slowenen, Österreicher, Ungarn, Rumänen, Bulgaren und Italiener. 

Die starke Zuwanderung von Osteuropäern wirkt sich auch auf die Struktur der ausländischen Bevölkerung im Land aus. "Die Erfahrung etwa mit Polen oder Ungarn zeigt, dass so ein Trend zu erhöhter Zuwanderung länger anhält als ein, zwei Jahre", sagt eine für Zuwanderung zuständige Expertin im Statistischen Landesamt. Dass die Türken bald als bevölkerungsstärkste Ausländergruppe in Baden-Württemberg abgelöst werden, glaubt sie allerdings nicht - obwohl unterm Strich Ende 2015 gut 3500 Türken weniger im Land lebten als ein Jahr zuvor. Dies kommt unter anderem daher, dass türkische Arbeitnehmer im Rentenalter in ihre Heimat zurückkehren. 

Die folgende Karte zeigt, welche Nationalitäten in den einzelnen Landkreisen am stärksten vertreten sind. Türken sind demnach in den meisten Kreisen in Baden-Württemberg weiterhin die zahlenmäßig stärkste Bevölkerungsgruppe. Italiener sind in weiten Teilen des Landes die zweitstärkste Gruppe, im Südwesten des Landes sogar die stärkste. Im Norden des Bundeslands sowie im Südosten zählen Rumänen zu den bevölkerungsstärksten Nationalitäten. Franzosen sind nur im Ortenaukreis die zweitstärkste ausländische Bevölkerungsgruppe, Syrer nur in Heidelberg.