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Integrationsministerin Öney: Teufelskreis nur mit Bildungsgerechtigkeit zu durchbrechen.

Stuttgart - Schlecht ausgebildet, ohne Job, höheres Armutsrisiko: Auf Zuwanderer treffen diese Merkmale viel öfter zu als auf Menschen ohne Migrationshintergrund. Da mittlerweile jeder vierte Baden-Württemberger als Migrant gilt, erhalten diese Probleme besonderes Gewicht. Ein Lösungsansatz lautet: mehr Bildung.

Die schulischen und beruflichen Probleme von Migranten sind keine Generationenfrage, sondern setzen sich bei jungen Zuwanderern fort. Wie das Statistische Landesamt am Montag mitteilte, haben rund 27 Prozent der 25- bis 35-jährigen Zuwanderer keinen beruflichen Abschluss - gegenüber sieben Prozent der Nicht-Migranten. Betrachtet man die 25- bis 65-jährigen Migranten, so beträgt der Anteil der Nicht-Qualifizierten sogar 35 Prozent. "Dieser Trend ist erschreckend", sagte Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney mit Blick auf die Auswertung des sogenannten Mikrozensus - das ist eine Stichprobenumfrage unter ausgewählten Haushalten. Das Land könne sich diesen Missstand schlichtweg nicht leisten: "Für die Menschen geht es um Perspektiven, für die Unternehmen um Arbeitskräfte."

Der "Teufelskreis" lässt sich ihrer Ansicht nach nur mit Bildungsgerechtigkeit durchbrechen. Sprachliche Defizite müssten bereits zu Beginn des Kindergartens und nicht erst im letzten Jahr erkannt werden. Es sei aber auch wichtig, die Eltern stärker einzubeziehen. Viele Muslime scheuten sich, ihre Kinder in eine Tagesstätte zu schicken, weil sie fürchteten, dass sie dort Schweinefleisch essen müssten. Die mangelnde Qualifikation der Migranten zieht meist auch schlechte Arbeitsmarktchancen nach sich. "Sie sind nicht nur seltener berufstätig, sie sind auch stärker von Erwerbslosigkeit betroffen", sagte die Präsidentin der Statistikbehörde, Carmina Brenner. So gehen nur zwei Drittel der Migranten zwischen 15 und 65 Jahren einer Erwerbstätigkeit nach, aber immerhin 76,5 Prozent der Nicht-Migranten.

Deutliche Unterschiede bei Sozialleistungen

Deutliche Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund arbeiten die Statistiker auch bei den Sozialleistungen heraus. So gaben gut acht Prozent der Zuwanderer an, ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Arbeitslosengeld, Hartz IV und ähnlichen Leistungen zu bestreiten. Bei den Nicht-Migranten beträgt dieser Anteil lediglich vier Prozent. Das führt dazu, dass in Migrantenfamilien auch das Haushaltseinkommen knapper ist: 28 Prozent von ihnen müssen sich mit einem monatlichen Nettoeinkommen von weniger als 1300 Euro begnügen. Der vergleichbare Anteil der Nicht-Migranten lag bei 22 Prozent. Entsprechend selten haben Zuwanderer mehr als 3200 Euro monatlich zur Verfügung: In diese Gruppe schafften es nur 19 Prozent der Haushalte - gegenüber 28 Prozent ohne Migrationshintergrund. Das Einkommensgefälle verschärft sich zusätzlich, weil die Haushalte mit 2,4 Personen im Schnitt größer sind als Nicht-Migrantenfamilien (2,1 Personen). Brenner: "Das dürfte dazu führen, dass auch ihr Armutsrisiko höher ist."

Der Statistik zufolge lebten im Südwesten im vergangenen Jahr etwa 2,8 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund - das sind rund ein Viertel der 10,7 Millionen Baden-Württemberger. Mit gut 26 Prozent liegt das Land damit an der Spitze der Flächenländer und deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 19 Prozent. Lediglich in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg leben mit 28 beziehungsweise 27 Prozent mehr Zuwanderer. Im Städtevergleich weist Stuttgart einen noch viel höheren Migrantenanteil auf: Laut Statistischem Landesamt liegt er bei 38 Prozent. Lediglich Frankfurt (43 Prozent) und Augsburg (39 Prozent) haben noch höhere Werte.

Die meisten Zuwanderer stammen mit 15 Prozent aus der Türkei. Je sieben Prozent haben ihre Wurzeln in Polen, Rumänien und Italien. Zehn Prozent stammen aus Russland und der Ukraine, 16 Prozent aus Asien.