Innenminister Rech: Sozialkassen werden um 1,6 Millionen Euro jährlich erleichtert.

Stuttgart - Freiwillige Ausreise klingt schön - ist es in den meisten Fällen aber nicht. 2007 wurde die Wendung zum Unwort des Jahres erklärt. Seither besteht auch ein Landesförderprogramm gleichen Namens, zu dem das Innenministerium nun eine Bilanz vorgelegt hat.

Lange Zeit waren Flüchtlinge und Asylbewerber kein großes Thema mehr. Nach dem Bürgerkrieg auf dem Balkan sank ihre Zahl auf einen Tiefstand. In den letzten vier, fünf Jahren hat sich die Entwicklung aber wieder umgekehrt. Vor allem aus dem Irak verfolgte Christen sorgten für einen erneuten Anstieg der Flüchtlingszahlen. Im vergangenen Jahr wurden in den baden-württembergischen Auffanglagern nach Angaben des Innenministeriums in Stuttgart 4753 Neuankömmlinge gezählt. Im Jahr zuvor waren es 3022, 2008 kamen 2448 Flüchtlinge, 2007 waren es 1595. Die meisten von ihnen stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien, Afrika, dem Irak und aus der Türkei.

Anders als früher bekommen Flüchtlinge in Baden-Württemberg kein Bares mehr, sondern Sachleistungen in Form von Kleidung, Essen und Spielsachen. Doch auch die gehen ins Geld - weshalb dem Land daran gelegen ist, rechtlich geduldete Ausländer möglichst schnell wieder in ihre Heimat zurückzuschicken. Mit dem Beratungsprogramm "Freiwillige Rückkehr" soll ein Anreiz geschaffen werden. 500000 Euro pro Jahr ist dem Land die Initiative wert. Seit Einführung des Programms im Jahr 2007 ist die Nachfrage kontinuierlich gestiegen. Im vergangenen Jahr kehrten 520 Ausländer Deutschland freiwillig den Rücken, 2009 waren es 400. Insgesamt nahmen bisher rund 5000 Ausländer - die meist als politisch Verfolgte gelten - eine Beratung in Anspruch.

Das Geld fließt in erster Linie an die gemeinnützigen Träger, welche die Beratung durchführen. Ein Teil geht aber auch direkt an die Rückkehrer für Schulungen oder Fortbildungen, die ihnen den (beruflichen) Neustart in ihrer Heimat erleichtern sollen. Häufig decken sie sich vor der Heimkehr auch mit Medikamenten ein.

Dadurch, dass immer mehr Flüchtlinge von sich aus in ihre Heimatländer zurückgehen, ging auch die Zahl der erzwungenen Abschiebungen zurück, wie das Innenministerium weiter mitteilte. 2010 wurden 843 Ausländer ausgeflogen, im Jahr davor 1100. "Aus Baden-Württemberg wird niemand abgeschoben, der nicht zuvor ausreichend Gelegenheit zur freiwilligen Ausreise hatte", betont Innenminister Heribert Rech (CDU). "Die freiwillige Ausreise ist für alle Beteiligten weniger belastend."

Das Land spart 1,6 Millionen Euro

Das gilt auch für den Haushalt des Landes. Durch das Rückführprogramm seien die Sozialkassen im vergangenen Jahr um mehr als 1,6 Millionen Euro entlastet worden, rechnete der CDU-Politiker vor. Zu den eingesparten Kosten zählen Ausgaben für Hartz IV, Wohngeld, Krankenkosten und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Rech: "Damit trägt das Land auch zur Kostenentlastung der Stadt- und Landkreise bei.

Für Kirchen- und Flüchtlingsorganisationen ist das eine zynische Kosten-Nutzen-Rechnung. "Hier geht es um Menschen, die in ihrer Heimat oft viel Leid erwartet", sagt die Vorsitzende des baden-württembergischen Flüchtlingsrats, Angelika von Loeper. Vor allem Roma träfe es hart, wenn sie in den Kosovo zurückkehrten. Dort sieht sich die Minderheit oft Angriffen ausgesetzt. "Die meisten Rückkehrer landen in der Arbeits- und Obdachlosigkeit", sagt von Loeper. Schwierig sei die Situation auch oft für die Kinder. In Deutschland aufgewachsen, sprechen sie oft nicht einmal die Sprache (albanisch).

Der Flüchtlingsrat sähe das Geld für das Rückführprogramm besser in Integrationskursen angelegt. Durch Arbeit ließen sich viele in die Gesellschaft integrieren, ist von Loeper überzeugt. Von einer freiwilligen Rückkehr will sie schon gar nicht sprechen. "Wenn die Abschiebung droht, ist es mit der Freiwilligkeit nicht mehr so weit her."