Mit Blick auf die Baugrube studiert Andreas Thiel alte Katasterpläne. Foto: Annina Baur

An der Badstraße untersuchen Archäologen die Stelle, an der ein Motel One gebaut werden soll. Scherben von Hausrat, Essens- und Schlachtabfälle der Römer wurden im Mittelalter dazu genutzt, den ehemaligen Stadtgraben zu verfüllen.

Bad Cannstatt - Scherben von Küchengeschirr, Knochen aus Essensresten oder vom Schlachten: An der Baugrube an der Badstraße finden Archäologen reichlich römisches Material. Dieses deutet aber nicht unbedingt darauf hin, dass just an dieser Stelle tatsächlich einmal Römer gesiedelt haben: „Vermutlich wurde dieses Material von umliegenden Grundstücken gesammelt, um den ehemaligen Stadtgraben aufzufüllen, der sich im Mittelalter an die Stadtmauer anschloss“, erklärt Andreas Thiel vom Landesdenkmalamt Esslingen. Zusammen mit einem fünfköpfigen Team untersucht er zurzeit das Gelände an der Badstraße, auf dem ein Motel One entstehen soll.

Wenn in der Cannstatter Innenstadt, der Neckarvorstadt oder auf dem Hallschlag neu gebaut wird, ist das Landesdenkmalamt mit von der Partie, um nach archäologisch interessanten Überresten im Boden zu suchen. Die orange markierten Flächen im Stadtgebiet haben sich im Lauf der Zeit durch Beobachtungen bei vorangegangenen Bauvorhaben und durch das Studium der jeweiligen Topografie herauskristallisiert. „Das Baurechtsamt verständigt uns, wenn in einem Bereich, der auf unseren Karten als archäologisch interessant eingestuft ist, gebaut werden soll“, erklärt Thiel das gängige Verfahren. Er und seine Kollegen geben eine Stellungnahme ab und das Baurechtsamt formuliert dann als eine von vielen Auflagen in der Baugenehmigung, dass die Archäologie vorab beteiligt werden muss. „Wir setzen uns dann mit dem Bauherrn zusammen und versuchen, die bestmögliche Vereinbarung für alle Beteiligten zu erarbeiten“, erklärt Thiel.

Arbeiten dauern voraussichtlich bis Weihnachten

Bei dem Bauvorhaben an der Badstraße hätten Behörden und Bauherr optimal zusammengearbeitet, der Bauherr habe sich verpflichtet, die Baustelle dem Landesdenkmalamt für maximal sechs Monate zur Verfügung zu stellen und einen Großteil der Kosten zu tragen. Je früher solche Vereinbarungen getroffen werden, desto besser: „So können alle Beteiligten ihren Zeitplan darauf abstimmen.“

Ein Grabungstechniker des Landesdenkmalamts hat die Bauarbeiten von Anfang an begleitet, seit Anfang Oktober arbeiten Thiel und die vier weiteren Kollegen nun an der Badstraße und werden vermutlich vor der Zeit, nämlich schon bis Weihnachten, fertig mit ihren Untersuchungen, sollte ihnen das Wetter nicht mit starkem Frost oder Regen einen Strich durch die Rechnung machen.

Römische Badeanstalt in der Badstraße

„Wir haben bisher keine archäologischen Sensationsfunde gemacht“, sagt Thiel. Die in der Baugrube gut erkennbaren Fundamente gehören laut dem Archäologen zu Fundamenten von Villen, die in der Gründerzeit an der Stelle gebaut wurden. Im Mittelalter befand sich an dem künftigen Hotelstandort der Stadtgraben. Nachdem dieser aufgefüllt worden war, wurde das Gelände für Schrebergärten genutzt, wie einer der ersten erhaltenen Katasterpläne zeigt. „Eventuell wurden beim Anlegen des Grabens im Mittelalter römische Spuren im wahrsten Sinn des Worts weggegraben“, sagt Thiel.

Da sich etwa an der Stelle des heutigen Amtsgerichts nämlich einst eine römische Badeanstalt befunden habe, hatten er und sein Team auf aufschlussreiche römische Überreste gehofft, die sie bislang nicht gefunden haben. Die Archäologen haben die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben: „Wir werden an ausgewählten Stellen noch ein Stück tiefer graben“, sagt Thiel. Sollte dabei noch etwas Interessantes zum Vorschein kommen, sind die Grabungstechniker vielleicht doch länger als bis Weihnachten an der Badstraße zu sehen. In jedem Fall werden die Archäologen im Februar zurück auf den Hallschlag kehren, wo auf einer Baustelle eine archäologische Nachuntersuchung nötig ist.