Der VfB Stuttgart macht sich auf einen neuen Weg in die Zukunft: 84,2 Prozent der Mitglieder stimmten am Donnerstagabend für die Ausgliederung der Profisparte in eine Aktiengesellschaft.
Stuttgart - Jan Schindelmeiser stand schon am Rednerpult, dann trat er aber doch ein paar Schritte nach vorn, an den Rand der Bühne, die am Donnerstagabend vor der Haupttribüne der Mercedes-Benz-Arena aufgebaut war. Der Sportvorstand des VfB Stuttgart setzte einen ungläubigen Blick auf und sagte: „Man kann es kaum glauben, dass hier eine Mitgliederversammlung stattfindet.“ Doch genau das war der Fall.
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Der VfB hatte seine Mitglieder dazu aufgerufen, zu kommen und in einer außerordentlichen Versammlung darüber abzustimmen, ob der Verein seine Profifußballsparte in eine Aktiengesellschaft ausgliedern soll. Und: Die Mitglieder, auch „die Dunkelroten“ genannt, folgten dem Ruf in Scharen. Über 14 000 Menschen (von insgesamt mittlerweile 55 000 VfB-Mitgliedern) hatten bereits kurz vor 19 Uhr auf den roten Sitzen Platz genommen, die Haupttribüne reichte nicht aus, es wurde ausgewichen in die Untertürkheimer Kurve. „Ich bin stolz und dankbar für das, was sich hier abspielt“, freute sich der Präsident Wolfgang Dietrich.
Versammlung glich einer Meisterfeier
Zunächst glich die Versammlung aber einer weiteren Meisterfeier im Anschluss an den Aufstieg des VfB in die erste Liga. Die Mannschaft war zu Gast auf der Bühne, die Stimmung war ähnlich wie bei einem der zurückliegenden Zweitligaspiele. Doch dann übernahm Dietrich das Kommando: „Jetzt müssen wir arbeiten.“
Der Präsident war in den vergangenen Wochen die Triebfeder der Bemühungen der Vereinsführung, die Mitglieder von den Vorteilen einer Ausgliederung zu überzeugen. 30 Veranstaltungen hat er zuletzt besucht, aufgeklärt, Kritiker getroffen, Vorteile beschrieben. Am Ende des Abends konnte er sagen: Es hat sich gelohnt.
9099 stimmberechtigte Mitglieder nahmen an der elektronischen Abstimmung teil, es war ein knapper Ausgang erwartet worden, da die Hürde hoch war. Die Zustimmung von mindestens 75 Prozent der Mitglieder war notwendig, um das Vorhaben Ausgliederung umzusetzen. Das Ergebnis nach den Reden von Dietrich und Schindelmeiser sowie einer Aussprache mit zahlreichen – auch äußerst kritischen – Wortmeldungen: 84,2 Prozent der stimmberechtigten Mitglieder stimmten für den neuen Weg des VfB Stuttgart.
VfB schreibt Geschichte
„Liebe Mitglieder, mit dieser Entscheidung habt Ihr Geschichte geschrieben“, sagte Wolfgang Dietrich. Nun ist klar: Der VfB gliedert seine Profifußballsparte ab der U 16 in eine Aktiengesellschaft aus. Wichtigster Punkt dabei: Der Club generiert für seine sportliche und strukturelle Entwicklung frisches Kapital. Die Daimler AG wird erster Investor der AG, erwirbt 11,75 Prozent der Anteile und überweist dafür 41,5 Millionen Euro. Der Vereinswert beträgt damit laut Dietrich 353 Millionen Euro. Mindestens weitere 60 Millionen Euro sollen durch weitere Verkäufe von Anteilen in den kommenden Jahren in die Kasse kommen. Maximal fünf Partner sollen es am Ende sein.„Die Arbeit geht jetzt erst richtig los, sagte Dietrich, aber wir sind uns unserer Verantwortung bewusst.“
In einer weiteren Abstimmung stimmten 88,8 Prozent der Mitglieder für eine Satzungsänderung. Sie sieht im künftigen Hauptverein einen Vereinsbeirat vor, der den Ehren- und den Aufsichtsrat ersetzt. Dieser soll künftig den Präsidenten des e.V. zur Wahl vorschlagen.
Für alle Kritiker, die meinten, der VfB verkaufe sich unter Wert, hatte der Präsident zwei Beispiele parat. Der Hamburger SV (254 Millionen Euro) und Hertha BSC (220 Millionen Euro) wären zum Zeitpunkt von deren Ausgliederungen weit weniger wert gewesen. Maximal 24,9 Prozent der Anteile sollen beim VfB veräußert werden. „Der Verein wird immer der Eigentümer der Gesellschaft sein“, sagte Dietrich, „das garantieren wir.“
Dietrich bleibt Präsident
Die Daimler AG sieht ihr Engagement als strategische Partnerschaft ohne Gewinnerwartung, als Vorstände der VfB AG fungieren künftig die bisherigen Vereinsvorstände Stefan Heim (Finanzen), Jochen Röttgermann (Marketing) und Jan Schindelmeiser (Sport). Wolfgang Dietrich bleibt Präsident des eingetragenen Vereins und vertritt den Club gemeinsam mit einem weiteren Vereinsvertreter im neunköpfigen Aufsichtsrat der AG. Auch der Investor (Daimer/Wilfried Porth) und der Hauptsponsor (Mercedes Benz Bank/Franz Reiner) erhalten je einen Sitz im Kontrollorgan.
Ziel der Vereinsführung ist es, mithilfe der neuen Möglichkeiten, den VfB wieder im oberen Drittel der Bundesliga zu etablieren. Zudem soll die Jugendabteilung zu alter Stärke zurückfinden. „Wir haben keine Angst, ehrgeizige Ziele zu definieren“, sagte Schindelmeiser, „wir wollen nach vorn.“ Ein Anfang ist aus Sicht der Clubchefs gemacht.