Die Geschäftsführerin Kristina Greiner an der charakteristischen Stahltreppe, dem Herzstück des Firmensitzes Foto: factum/Weise

Das Stuttgarter Büro fmb architekten hat für den Pleidelsheimer Sitzhersteller Greiner einen Aufsehen erregenden Bau ersonnen. Sein Herzstück: eine freistehende Wendeltreppe in Cortenstahl-Optik, die alle Stockwerke miteinander verbindet.

Pleidelsheim - Dass dem Besucher beim Betreten des Büro- und Ausstellungsgebäudes Greiner in Pleidelsheim (Kreis Ludwigsburg) kurz der Atem stockt, ist ein kalkulierter Effekt. Mancher rechtschaffene Schwabe „würde das für Platzverschwendung halten“, sagt Kristina Greiner, wendet den Blick nach oben und weist in das Foyer, das sich über die Höhe der gesamten drei Stockwerke erstreckt. Doch die 37-jährige Geschäftsführerin des Herstellers für Qualitätssitze weiß: Die Weite und die Großzügigkeit dieses Entrees betören sofort jeden, der hereinkommt.

Ein Überraschungs-Coup aus Stahl

Umso mehr, als der Raum das Herzstück des Gebäudes perfekt ins Szene setzt: eine imposante, frei stehende Wendeltreppe in rostroter Cortenstahl-Optik, für die Oberlichter und in die Sichtbetonwand eingegossene LED-Leuchten die stimmige Lichtregie liefern. An diesem Treppen-Coup freuen sich nicht nur Gäste, sondern auch Kristina Greiner und ihr Team immer wieder neu.

Zudem versinnbildlicht die Treppe die Ursprünge des Unternehmens, das hochwertige Stühle, Sitze und Liegen für die Sparten Schönheit, Gesundheit und Autos herstellt und sämtliche Fertigungsschritte in Eigenregie tätigt. „Die Treppe zeigt, woher wir kommen“, sagt Kristina Greiner. Ihr Ururgroßvater, ein Brauereibesitzer, hat den Grundstein für die 1922 gegründete Firma mit einer Hobbywerkstatt gelegt, in der er mit Stahl hantierte. Auch heute noch ist Stahl der Kern jedes Produkts.

„Wir wollten etwas, das sich abhebt“

Für das 2016 eröffnete Büro-, Verwaltungs- und Ausstellungsgebäude spannten die Greiners das Stuttgarter Architekturbüro fmb architekten Norman Binder, Andreas-Thomas Mayer ein. „Es war uns klar, dass wir etwas Außergewöhnliches wollten, weil wir selbst außergewöhnlich sind und damit auch nicht hinterm Berg halten wollen“, sagt Kristina Greiner. „Etwas, das sich abhebt und das trotzdem etwas Zeitloses hat.“

Im Gemeinderat war man zunächst nicht einhellig begeistert von der strenglinigen Sichtbeton-Glas-Anmutung des Baus, der markant an der nördlichen Ortsdurchfahrt liegt. „Mittlerweile kommen Unis und FHs nach Pleidelsheim, um das Gebäude anzuschauen“, erzählt die Geschäftsführerin. Und die Nachbarn seien froh, dass der Bau Straßenlärm abweise.

Die Chefin möchte mittendrin sein

Schon von außen sehen Vorbeigehende die schicken Funktionsstühle, die das Unternehmen in den eigenen Werkstätten produziert. Dass die Ausstellungsfläche über Eck großzügig mit Schaufenstern zum Straßenraum hin geöffnet wird und den Zweck des Gebäudes für jeden sichtbar macht, hat „nicht primär die Funktion, Kunden zu gewinnen“, sagt der Architekt Norman Binder. Es sei auch ein Beitrag zur Belebung des Stadtraumes. Ohnehin trügen die klare, reduzierte Formensprache, die sich an der Klassischen Moderne orientiere, und die Gebäudehülle in Sichtbeton-Ausführung dazu bei, dass der Baukörper „bescheiden, aber eigenständig“ seinen Platz im kleinstädtischen Kontext finde. Das Gebäude reagiere auf seine Umgebung – ein typisches Mischgebiet mit Gewerbe, Industrie und Wohnungsbau –, trage aber gleichzeitig der Identität der Firma Greiner Rechnung.

Wandlungsfähige Halle

Wenn der Ausstellungs- und Kundenbereich mitunter für andere Zwecke wie interne Workshops, Vertriebstagungen oder internationale Fachhändlertreffen gefragt ist, lässt er sich leicht ummodeln. „Auch als Partyraum für die Weihnachtsfeier“, erzählt Kristina Greiner.

Während ihr Vater Siegfried Greiner, der ebenfalls als Geschäftsführer fungiert, sein Büro im zweiten Obergeschoss hat – mit Blick auf die firmeneigenen Produktionshallen und die Weinberge –, befindet sich ihre persönliche Schaltzentrale auf der Büroebene im ersten Stock. „Ich möchte mittendrin sein“, begründet es die energiegeladene Chefin. Mittels schmaler Glasbänder zwischen den Büros und über Glastüren gibt es Sichtkontakte. „Wir haben keine Geheimnisse voreinander“, erklärt sie. Angetan ist Kristina Greiner von den Stauflächen, die viel Platz bergen, aber in zurückgenommener Optik apart in die Räume integriert sind. Die Etage wartet überdies mit einer eleganten Lounge, einer edlen Mitarbeiterküche und einem Rückzugszimmer auf, „falls man mal kurz Pause machen oder konzentriert an einer Übersetzung arbeiten will“, sagt Greiner. Auf den apfelgrünen Teppichboden hat die Geschäftsführerin bestanden. „An der Farbe kann man sich einfach nicht sattsehen“, findet sie.

Begegnung unter freiem Himmel

Fixpunkte im zweiten Obergeschoss sind ein von der Südseite her durch raumhohe Glasfronten lichtdurchströmter Konferenzraum mit einem repräsentativen Sechs-Meter-Tisch aus massiver, geölter Eiche sowie die weitläufige, nobel bepflanzte Dachterrasse. Sie schafft Begegnungsmöglichkeiten für die Greiner-Belegschaft, erfüllt aber zugleich eine gestalterische Aufgabe: Sie nimmt dem Bau zur Hauptstraße hin die Massivität.

Der Bau, der mit der Hugo-Häring-Auszeichnung 2017 für den Raum Stuttgart/Mittlerer Neckar geadelt und mit weiteren Würdigungen bedacht wurde, bringt übrigens nicht nur Besucher zum Schwärmen. Für Kristina Greiner ist sonnenklar: „Er hilft uns auch, gute Mitarbeiter zu finden.“

Der Greiner-Bau in Pleidelsheim

Projekt
Der alte Verwaltungsbau der Firma Greiner mit seinem beengten Kundencenter wurde den Ansprüchen des Unternehmens nicht mehr gerecht. Der Neubau entstand auf einem brachliegenden Greiner-Areal an der Ortsdurchfahrt. Bezogen wurde es im April 2016.

Architekten
Der Bau trägt die Handschrift des Büros fmb architekten bda – Norman Binder, Andreas-Thomas Mayer – in Stuttgart. Die Projekt- und Bauleitung hatte Norman Binder.

Jury
In der Begründung für die Hugo-Häring-Auszeichnung des Bundes Deutscher Architekten heißt es: „Die präzise Ausformulierung der Gebäudehülle in Sichtbeton mit unterschiedlich großformatigen Öffnungen lässt Transparenz und Offenheit entstehen. Im Innern erzeugen großzügige, offene Raumkompositionen mit einer in der Eingangshalle eingestellten Treppenskulptur Einblicke und Sichtbezüge in die unterschiedlichen Ebenen und in die Umgebung. Auf einfühlsame Weise wird hier die Geschichte des Ortes fortgeschrieben.“

Weitere Auszeichnungen
Auswahl zum Tag der Architektur im Juni 2017; Iconic award winner 2017 (Rat für Formgebung); „Archilovers best project 2017“.