Übersichtlich, durchlässig und im Dialog mit den anderen Gebäuden auf dem Campus: das Forum Lechler des Lichtenstern-Gymnasiums Foto: factum/Weise

Die Schulstiftung der Evangelischen Landeskirche zeigt bei Neubauten Mut. Dafür gibt es oft Anerkennung vom Bund Deutscher Architekten – wie für das Forum Lechler in Sachsenheim.

Sachsenheim - Da ist die Lage: „Wenn man aus den anderen Schulgebäuden auf dem Campus in das Forum rübergeht, kommt man etwas aus der Unterrichtsroutine heraus“, sagt Daniel. Der Raum: „Man hat viel mehr Platz als in den anderen Klassenzimmern, und es ist viel heller. Man kann deshalb besser arbeiten“, sagt Maja. Und die Atmosphäre: „Hier ist eine sehr gute Stimmung, das liegt an der Weite“, sagt Max L. – das L. braucht er wegen des schräg vor ihm sitzenden Max G.

Reinhart Gronbach, der Rektor des Lichtenstern-Gymnasiums in Sachsenheim (Kreis Ludwigsburg), hört aufmerksam zu, was die Zehntklässler sagen: „Ich habe gerade wieder etwas gelernt.“ Sowohl die Mädchen und Jungen im Unterricht des Kunstlehrers Marc Benseler als auch ihre Mitschüler im benachbarten Technikzimmer, wo eine achte Klasse mit dem Lehrer Tobias Schmitt gerade ordentlich rumort, geben dem vor drei Jahren eröffneten Forum Lechler, einem besonderen Unterrichtsgebäude, gute Noten. Sie bestätigen damit den Rektor und die Trägerin der Schule, die Schulstiftung der Evangelischen Landeskirche, in ihrem Konzept, bei Neubauten nicht nur auf Funktionalität zu achten, denn die Architektur, so ihr Credo, ist für das Leben und Lernen wichtig. „Sie spricht die Seele der Menschen, die Seele unserer Schüler an“, sagt Gronbach.

Ein neuer Pavillon auf dem Campus

Das Bekenntnis zur anspruchsvollen Architektur hat der Schule 2017 eine Auszeichnung des Bundes Deutscher Architekten im Wettbewerb Hugo-Häring-Preis eingebracht. Gebaut wurde das Forum Lechler vom Stuttgarter Büro Klumpp + Klumpp. Die Architekten erweiterten in Sachsenheim mit dem quadratischen Bau, dessen Fassaden je dreiteilig gebrochen sind, das Ensemble auf dem Campus. Es besteht aus der 1913 erbauten, schlossartigen ehemaligen Wirtschaftlichen Frauenschule und drei im Jahr 2004 eröffneten Unterrichtsgebäuden, bei denen Winkel und Schrägen auffallen. Das Forum Lechler – wie die vorhergehenden pavillonartigen Erweiterungsbauten flach auf den fünf Hektar großen Campus gebaut – nimmt optische Elemente der anderen Gebäude auf – etwa die Lamellen der alten Holzläden, die Farbe der jüngeren Gebäude –, setzt in seiner schlichten formalen Klarheit aber auch selbstbewusst einen Kontrapunkt.

Die Hugo-Häring-Jury überzeugte auch das Innenleben. Drei Fachbereiche sollten miteinander in Verbindung treten, war einer der Leitgedanken der Schule; die Lehrer äußerten konkrete Wünsche, etwa Büros für die Ökonomen, um Schülerfirmen spielen zu lassen, oder die Möglichkeit, die hohen Glasfenster durch Vorhänge abhängen zu können – was etwa für die Video-AG von Bedeutung ist. Klumpp + Klumpp entschieden sich dann für drei um eine „gemeinsame Mitte rotierende“ (so die Jury) lichte Unterrichtsräume. Deren Wände lassen sich zur Mitte hin mittels Falttüren öffnen, so dass Ökonomen, Techniker und Naturwissenschaftler und die „Künstler“ im Bedarfsfall ein gemeinsames Forum bespielen können.

„Mediale Kreativität“

Die Lehrer der Privatschule, deren letzte Internatsschülerinnen – 2002 wurde aus dem Internat und Aufbaugymnasium ein Vollgymnasium – im vergangenen Sommer das Abitur machten, schätzen das Forum nicht weniger als die Schüler. Sven Gossel, der die Video- und Film-AG leitet, hebt die offene Atmosphäre des Forums hervor, die in den lichtdurchfluteten Räumen herrscht. Marc Benseler lobt zwar auch das Lichtkonzept, er macht aber noch auf eine andere Art der Offenheit aufmerksam: „Man kann ebenerdig raus aus den Zimmern und Projekte auch mal in der Natur machen.“ Zwar gibt es ein paar Randbemerkungen, die hinter die Note Eins ein Minus setzen – etwa die Hitze im Sommer, wenn die Sonne auf die hohen Fenster brennt, oder der durchgehende Boden, durch den Maschinenlärm im Technikunterricht die Beine und Hirne der Künstler in Schwingungen bringt. Doch lebt und lernt es sich gut im Forum. Das liegt auch an der zeitgemäßen Ausstattung: „Das Forum revolutioniert den Kunstunterricht. Er geht weg vom Malen und Basteln“, meint etwa der Zehntklässler Tobias. „Hin zu medialer Kreativität“, sagt seine Mitschülerin Finja.

Mehr als Schule

Die Lehrenden und Lernenden überzeugt offenbar vor allem eine Art grundsätzliche Durchlässigkeit, die das Gebäude vermittelt. Und damit einher geht so etwas wie ein Gefühl der Freiheit – eine wesentliche Voraussetzung für Kreativität.

Die Schüler haben dafür offenbar ein besonderes Sensorium. „Wir kommen oft in der Mittagspause hierher, setzen uns an den Tisch im Foyer und machen Hausaufgaben“, erzählt Finja. Reinhart Gronbach ist überrascht – und sichtlich zufrieden, dass das Gebäude für einige Schüler mehr ist als einfach nur Schule.

Das Forum Lechler

Die Architekten

Das Stuttgarter Büro Klumpp + Klumpp hat das Forum Lechler entworfen und gebaut. Die Kosten lagen bei 2,8 Millionen, eine Million trugen Sponsoren und Spender bei, darunter die Lechler-Stiftung.

Die Idee

„Für die Haustypologie liefert (. . .) der Begriff Forum viele Bilder und Vorstellungen. Wir haben uns entschieden, ein flexibles Raumsystem zu entwickeln, das auf der geometrischen Urform des Quadrats mit seiner Punktsymmetrie und unverrückbaren Mitte beruht“ (Klumpp + Klumpp Architekten).

Die Jury

Die Jury
Die flexible Mitte „darf (. . .) als äußerst gelungene räumlich-architektonische Übersetzung des programmatischen Anspruchs der Schule gelten, (. . .) ihren Schülern die Themen Technik, Kultur und Wirtschaft (. . .) als echte, lebendige Einheit zu vermitteln“.