Solide und optisch leicht zugleich: die Außenhülle des Salzlagers in Geislingen ist 30 Meter lang, 18 Meter breit und am höchsten Punkt elf Meter hoch Foto: Michael Steinert

Nicht nur reine Funktion: Auf dem Gelände der Straßenmeisterei in Geislingen im Landkreis Göppingen steht eine sehenswerte Halle der Architekten Vautz Mang.

Geislingen - Alles ist grau an diesem kalten, nebeligen Wintertag am Albtrauf. Selbst die bejahrten Gebäude der Straßenmeisterei in Geislingen (Kreis Göppingen), darunter eine dunkle Scheune, scheinen zu frösteln. In die Tristesse dieses trüben, nassen Tages bringt einzig die Salzlagerhalle am nördlichen Ende der Straßenmeisterei in Geislingen (Kreis Göppingen) Licht. Das liegt nicht nur daran, dass starke Deckenleuchten den hohen Raum erhellen, in dem ein Radlader gerade Streusalz zu Bergen aufschiebt. Die Halle mit ihrem auf Betonstelen fußenden hölzernen Tragwerk ist, wenn man so will, schon deshalb Erholung für das Auge, weil sie fast filigran und auch transparent wirkt.

Ja, auch so kann man eine Lagerhalle gestalten, die eine ganz einfache Aufgabe zu erfüllen hat. Und daher ist es völlig nachvollziehbar, dass die Jury des vom Bund deutscher Architekten ausgelobten Hugo-Häring-Preises das Bauwerk im Jahr 2017 mit einer Auszeichnung bedacht hat – es überzeuge gleichermaßen architektonisch wie funktional, so die Jury. Einfach zu planen war das Gebäude, das Salz für den Winterdienst der Straßenmeisterei aufnimmt, hingegen nur vordergründig. Ein zentrales Problem für die Architekten des Stuttgarter Büros Vautz Mang: „Wie verhindert man, dass das Haus auseinanderfliegt?“ Die Drucklasten, sagt Stefan Mang weiter, wüchsen mit der Menge des Salzes – bis zu 1700 Tonnen werden in der Halle gelagert. Insofern sei die Halle zunächst ein statisches Thema gewesen – das man gemeinsam mit einem Tragwerksplaner gemeistert habe. Die enormen Kräfte, die auf die Wände wirkten, würden über die Betonstützen nach unten abgeleitet.

Das zweite Problem sind die Eigenschaften des Salzes. Einerseits darf es nicht feucht werden, andererseits ist das Taumittel äußerst aggressiv, die Baustoffe müssen entsprechend gewählt werden. Tatjana Vautz und Stefan Mang entschieden sich für Beton und Holz und reduzierten die Zahl der Metallverbindungen drohender Korrosion wegen auf das Unerlässliche. Zwei Schrauben wurden pro Stütze gesetzt, sie seien gut sichtbar und leicht auszutauschen. Zudem seien alle „Bauelemente offen und hohlraumfrei ausgeführt“ (Vautz Mang), damit sie gut durchlüftet sind und kein Salz unbemerkt die einzelnen Teile anfressen kann.

Die Wände der Wanne

So tonnenschwer die Salzberge sind, die sie schützt, so leicht wirkt die rund elf Meter hohe Halle, die im Grund eine überdachte Wanne ist. Diese Wanne – 23 Meter lang und elf Meter breit – ruht auf einer fast rundum laufenden Reihe dreieckiger Betonstelen. Ihre Wand ist aus 14 Zentimeter starkem, speziell bearbeitetem Brettschichtholz, denn auf dieses Material wirkt das Salz laut den Architekten konservierend und nicht zerstörend. Über der Wanne – Lagermulde nennen sie die Architekten – sind die Wände bis zum Dach dann aus salzbeständigen Kunststoffwellplatten, die völlig hinterlüftet sind – eine „Wetterschutzhülle“. Die Höhe der Halle erleichtert nicht nur die Arbeit der Radlader, welche das angelieferte Salz verteilen müssen. Sattelzüge können selbst mit hochgestellter Kippmulde noch durch das neun Meter hohe Tor ausfahren – was die Anlieferung und den Betrieb der Straßenmeisterei erheblich vereinfacht. 25 Tonnen Salz bringt ein Lastzug mit, rund 60 solcher Lieferungen fasst die Halle.

Fragt man in der Straßenmeisterei nach, ob sich die Architektur im Tagesgeschäft bewährt, erhält man nur eine lapidare Antwort. „Insgesamt sind wir mit der Salzhalle sehr zufrieden. Sie bietet ein hohes Maß an Funktionalität und Rauminhalt“, teilt der Dienststellenleiter, der im Esslinger Landratsamt sitzt, schriftlich kurz angebunden mit. Und dass „wir keine Namen in Ihrem Artikel lesen und keine Bilder unserer Mitarbeiter sehen wollen“.

Ein Modell für andere Salzlager

Man kann diese Äußerungen zumindest so interpretieren, dass die Architekten erfüllt haben, was ihnen der Bauherr – das Staatliche Hochbauamt in Ulm als Vertreterin des Bundes – aufgegeben hatte: ein Gebäude zu entwerfen, das sich im Alltag bewährt und zugleich optisch etwas hermacht. Denn schön anzusehen, fast elegant, ist die Halle, keine Frage. Die Kombination aus Zweckmäßigkeit und Gestaltung ist daher ein Modell für neue Salzlager auch jenseits der Landesgrenzen, wie Tilman Ruhdel vom Ulmer Hochbauamt bestätigt. Zumal die alten Lager – in Geislingen ist es die schon erwähnte Scheune – fast überall ersetzt werden müssen. Zu sehr nagten Salz und der Zahn der Zeit an ihnen, zudem genügt ihre Kapazität dem laut Stefan Mang gestiegenen Bedarf nicht mehr.

„Raffiniertes Konzept“

Die Jury
Die Salzlagerhalle ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass oft vernachlässigte und auf den ersten Blick simpel erscheinende Bauaufgaben architektonisch und funktional einen herausragenden Akzent setzen können. Da Salz die meisten Baustoffe angreift, wurde bei diesem Projekt ein raffiniertes Material- und Konstruktionskonzept entwickelt (. . .) So ist eine wohlproportionierte Komposition von einfachen, kostengünstigen und industriell gefertigten Materialien entstanden – ein ausgewogenes, fein detailliertes Gebäude, das von planerischer Intelligenz zeugt.

Die Architekten
Das Stuttgarter Büro Vautz Mang (Tatjana Vautz und Stefan Mang) hat das Salzlager gebaut. Der Bauherr war der Bund, vertreten durch das Staatliche Hochbauamt in Ulm.