Aufgeräumt dank Einbaumöbeln: das Wohnzimmer von Michael Ragaller und Astrid Schäfer-Ragaller Foto: factum/Granville

Michael Ragaller machte aus einer Doppelhaushälfte aus den 1960er Jahren ein modernes Wohnhaus. „Es wird zu viel abgerissen“, findet der Architekt. Seine Frau Astrid hatte einige Erwartungen an das Projekt – und sie wurden alle erfüllt.

Stuttgart - Astrid Schäfer-Ragaller hatte ganz klare Vorstellungen von einem Haus: Sie wollte einen Kamin und ein Satteldach. Alles andere hat sie ihrem Mann überlassen. „Er hat so tolle Ideen“, schwärmt sie. Aus einer 50 Jahre alten Doppelhaushälfte machte der Architekt ein preiswürdiges Objekt. Das liegt an der spannenden Mischung, die er geschaffen hat: Das Haus wirkt weder alt noch neu.

Die besondere Grundstruktur, kombiniert mit modernen Raumvorstellungen, verwandelte das Gebäude in ein Unikat. „Wir haben nicht so viel gegrübelt, sondern schnell gebaut“, sagt Michael Ragaller – zwischen dem Kauf im Frühjahr und dem Einzug an Weihnachten 2014 vergingen nur rund neun Monate. Aber das Ergebnis wirkt zeitlos elegant.

Hinter dem Eingangsbereich liegt der Keller

Die Doppelhaushälfte wurde an einen Hügel gebaut. Das Erdgeschoss ist Eingangsbereich, Arbeitszimmer, Gästewohnung und zur Hälfte Keller. Erst im Stockwerk darüber, auf der anderen Seite des Hauses, liegt der Garten. Um die gerade Treppe, die im Mittelpunkt des Gebäudes liegt, zentrieren sich der Wohnbereich und die Küche, die keine Wände mehr voneinander trennen. Der sechsjährige Sohn nutzt die Runde als Rennstrecke. Großzügige Fenster und Schiebetüren öffnen das Wohnzimmer zum Garten hin. Ein Teil der Decke wurde bis zum Dach geöffnet. Durch das neue Fenster fällt ebenfalls Licht. „Wir haben die Natur im Haus“, sagt Astrid Schäfer-Ragaller, „wir kriegen Besuch von Eichhörnchen, Grünspecht und Igeln.“

Die Ragallers wohnten im Stuttgarter Westen, bis ihre Kinder auf die Welt kamen. Dann zog es die Familie ins Grüne. Dank eines Rücksprungs ist die Terrasse des Hauses überdacht. Im Inneren hat Michael Ragaller vor einem Fenster einen Heizkörper so verkleidet, dass er zu einer Sitzbank wurde. Von der gemauerten Bank neben dem Kamin geht der Blick ebenfalls in den Garten. Die Bäume dort haben eine entscheidende Rolle bei der Kaufentscheidung gespielt. „Im Sommer sieht man nichts von den umliegenden Häusern“, sagt der 49-Jährige. Auf einer Seite hat Michael Ragaller das Haus noch ein wenig verlängert, um ein größeres Bad zu schaffen. Im ersten Obergeschoss hat auf dem Anbau ein weiterer Balkon Platz gefunden. Das Dachgeschoss, das früher gar nicht zum Wohnen genutzt wurde, beherbergt heute zwei Kinderzimmer, die mit neuen Gauben ebenfalls an Raum und Blicken ins Grüne gewonnen haben.

Die Räume wirken sehr aufgeräumt

Abgesehen vom Eichenparkett ist der bestimmende Ton in dem Haus Weiß – von den Wänden bis zu den meisten Möbeln. Mit Einbauschränken, die ein Schreiner nach eigenem Entwurf gezimmert hat, wurden unter anderem Küche, Wohnzimmer und Bad ausgestattet. „Mir ist nicht nur die Hülle wichtig, sondern auch der Innenausbau“, sagt Michael Ragaller. Weil die meisten Dinge in Schubladen und Regalen verschwinden, wirken die Räume sehr aufgeräumt.

Für Farbakzente sorgen die Anstriche von einzelnen Wänden, Bilder oder Möbel wie die Thonet-Stühle um den Esstisch. Die Beleuchtung ist integriert – dem Architekt ist wichtig, dass die Lichtquellen unauffällig in der Decke verschwinden.

Auch in seinem Stuttgarter Büro, das er mit Domenik Schleicher führt, handelt es sich bei 90 Prozent der Aufträge um Umbauten. „Das ist gerade die Zeit“, sagt Michael Ragaller. Renovieren und sanieren ist seiner Meinung nach eine sinnvolle Beschäftigung mit Nachhaltigkeit. „Es wird zu viel abgerissen“, findet er. Neben der Entsorgung des Bauschutts kostet die Produktion der neuen Baumaterialien viel Energie. Und er reibt sich gern am Bestand: „Dabei kommen interessantere Ergebnisse heraus, als wenn man neu baut“, sagt er. Seinen Waldenbucher Altbau gibt es sogar als Neubau in Rutesheim – weil er den Bauherren so gut gefallen hat.

Die Grundlagen müssen allerdings stimmen. Bei der Doppelhaushälfte in Waldenbuch war das der Fall. „Ich bin keine Architektin“, sagt Astrid Schäfer-Ragaller. Aber das Gebäude habe einfach ihren Vorstellungen von einem Haus entsprochen, erklärt die Dozentin für Kunst und Pädagogik am Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung. Und um den Kamin schart sic nun die ganze Familie.

Mehr Informationen zu den Projekt:

Michael Ragaller und seine Frau Astrid haben das Wohnhaus, Baujahr 1963, in Waldenbuch (Kreis Böblingen) für 500 000 Euro gekauft. Welche Summe der Architekt dann in den Umbau investiert hat, will er nicht beziffern – auch weil der Anteil der Eigenleistungen groß sein dürfte. Das Gebäude wurde auf einen Rohbau zurückgebaut und innerhalb von einem halben Jahr saniert und renoviert. Zu Weihnachten 2014 ist die vierköpfige Familie in die 190 Quadratmeter große Doppelhaushälfte eingezogen.

Für sein Haus hat Michael Ragaller mehrere Preise bekommen. „Es ist ein vorbildliches Beispiel für einen Umbau im Bestand“, urteilte die Jury der Architektenkammer Baden-Württemberg für die Auszeichnung „Beispielhaftes Bauen im Landkreis Böblingen“. Mit der vorhandenen Bausubstanz sei feinfühlig und rücksichtsvoll umgegangen worden. Besonders stolz ist Michael Ragaller auf die Hugo-Häring-Auszeichnung im Jahr 2017 vom Bund Deutscher Architekten. „Eine alltägliche Aufgabe, der Umbau einer Doppelhaushälfte aus den frühen 1960er Jahren, ist hier besonders vorbildlich gelungen“, sagte die Jury über seine Leistung.