Mittlerweile vermittelt: Diese Hundwelpen stammten aus einem illegalen Tiertransport und landeten im Tierheim Stuttgart. Foto: Tierschutzverein Stuttgart

Im Tierheim kümmern sich 50 Mitarbeiter um bis zu 800 Schützlinge vom Kätzchen bis zur Kornnatter. 100 Hunde warten derzeit auf ein neues Zuhause. Nicht alle überstehen die Zeit in der Interimsunterkunft.

Stuttgart - „Wir können Ophelia gleich heute mitnehmen“ teilt die Besucherin am Empfang des Stuttgarter Tierheims ihrem Sohn freudig mit. „Ich hol dann mal eben den Korb aus dem Auto.“ Die Siamkatze hat ein neues Zuhause gefunden. Sie wird es dort gut haben. „Bei Hunden und Katzen gehen wir kein Risiko ein“, sagt Marion Wünn, die Leiterin des Stuttgarter Tierheims. Wer ein Tier übernehmen will, bekommt einen Hausbesuch, bei dem sich Mitarbeiter vor Ort überzeugen, dass die Haltungsbedingungen angemessen sind.“ Von zehn Anwärtern lehne man acht ab, bilanziert sie. Diesen Luxus könne man sich zum Glück leisten. Die meisten Tiere würden dennoch innerhalb eines Jahres vermittelt.

Kosten pro Jahr 1,6 Millionen Euro

Das bedeutet nicht, dass die Situation in der Botnanger Institution entspannt ist. 2 500 bis 3  000 behaarte, gefiederte oder geschuppte Klienten landen jährlich in Baden-Württembergs größtem Tierheim, das die anfallenden Kosten von 1,6 Millionen Euro per anno weitgehend allein aufbringen muss. Direkt abgegebene Geschöpfe, Fund- und Verwahrtiere sind zu etwa gleichen Teilen vertreten. „Ich kämpfe seit Langem gegen das Gerücht an, dass die Zahlen bei ausgesetzten Tieren in den Sommermonaten signifikant in die Höhe schießen“, hält Marion Wünn fest und ergänzt: „Die Frequenz, in der wir Neuzugänge haben, ist das ganze Jahr über nahezu konstant.“

Daran ändert leider auch die Präventionsarbeit wenig, die das vom Tierschutzverein Stuttgart betriebene Heim ebenfalls nach Kräften betreibt. „Aufklärung kommt oft nur bei denen an, die ohnehin schon nachdenken“, seufzt Wünn. Leider komme es immer noch häufig vor, dass sich Zeitgenossen, die den ganzen Tag außer Haus seien, einen Hund anschafften. Der Vierbeiner bleibe dann in der Wohnung eingesperrt. „Ich habe erlebt, dass schon Welpen auf diese Weise allein gelassen werden“, berichtet die Tierheim-Leitung. „Wenn sie dann in die Wohnung machen oder etwas beschädigen, ist der Ärger groß. So etwas kann ich nicht nachvollziehen.“

Nicht alle Tiere schaffen es

Allein 100 Hunde warten derzeit in Botnang auf ein neues Herrchen oder Frauchen. Nicht alle überstehen die Zeit in der Interimsunterkunft – trotz regelmäßiger tierärztlicher Betreuung. Fotos an der Außenwand eines Gebäudes erinnern an jene Tiere, die es nicht geschafft hatten und an den Folgen von falscher Haltung oder Vernachlässigung erlegen sind. Oft wird auch die Sensibilität der bellenden Begleiter unterschätzt. „Wir haben hier eine Handvoll Boxen, in denen wir Hunde aufnehmen können, wenn sich jemand ein paar Wochen nicht um sie kümmern kann“, erklärt Wünn. „Solche Pensions-Gäste nehmen wir aber wirklich nur im Notfall an. Sie brauchen zwei, drei Wochen, um sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen. So lange stehen sie unter dauerhaftem Stress.“ Wer in den Urlaub fahren wolle und den Hund nicht mitnehmen könne, solle sich rechtzeitig darum bemühen, ihn bei jemandem unterzubringen, den das Tier kenne, appelliert die Expertin an das Gewissen der Besitzer.

Einen großen Kraftakt hat das Tierheim in diesem Jahr bereits geleistet. Die 100 Hundenwelpen und Katzenjunge, die aus einem illegalen Tiertransporter berfreit wurden, sind aber fast alle vermittelt worden.

Neben Kleintieren, die die größte Gruppe unter den Heimbewohnern bilden, werden auch zunehmend Reptilien abgegeben. Entsprechende Börsen fördern den Trend zur Schlange im Wohnzimmer. Die Boa aus dem Online-Shop lässt sich problemlos besorgen. „Oft wird unterschätzt, wie aufwändig eine artgerechte Haltung für solche Tiere ist“, weiß die Fachfrau. „Dann landen sie bei uns. Leider entdecken viele Stuttgarter erst, dass es ein Tierheim gibt, wenn sie ein Tier abgeben wollen, statt sich hier zu informieren und gegebenenfalls einen unserer Schützlinge zu übernehmen.“

Auch Edelpapageien warten auf neue Besitzer

Die Bandbreite der Bewohner in Botnang ist groß. Wer eine Voliere zu bieten hat, findet hier Edelpapageien. In einem Gehege warten Enten und eine Gans auf ein neues Zuhause. Wer Wasserschildkröten sucht, wird ebenfalls fündig. An der Furtwängler-straße erhalten sie alle die Chance auf einen Neustart. „Viele unserer Tiere sind nur hier, weil sie sich gewehrt haben“, betont Marion Wünn. „Ein Vogel, der nach dem Menschen schnappt, der ihn schlecht behandelt, wird abgegeben. Ich kann nur sagen: Wenn ich ein Tier wäre, würde ich auch beißen!“

Nähere Auskünfte gibt es unter der Internetseite www. stuttgarter-tierschutz.de oder Telefon 07:11/6 56 77 40.