Am Palast der Republik darf das Bier nur in Bechern ausgeschenkt werden. Manche bringen daher ihren Sixpack mit. Foto: Lichtgut/Willikonsky, microstock77/Adobe Stock

In der Stuttgarter Innenstadt müssen Fußballfans während der WM auf ihren Halbekrug verzichten. Der Grund: Sicherheitsbedenken. Doch das Glasverbot steht im krassen Widerspruch zum Feldzug der Stadt gegen Einweg-Kaffeebecher. Und das ist nicht das einzige Problem.

Stuttgart - Aus Sicherheitsgründen hat das Amt für öffentliche Ordnung in Stuttgart entschieden, dass Innenstadtlokale während der Fußball-Weltmeisterschaft keine Glasflaschen ausgeben dürfen. In den Außenbereichen der Restaurants und Bars dürfen auch keine Getränke in Gläsern ausgeschenkt werden. Wenn ein Gast während der Spieltage die Türschwelle überschreitet, dann nur mit Plastik in der Hand. „Das gab es bei anderen Großveranstaltungen auch schon“, sagt Martin Treutler, Pressesprecher der Stadt. Doch diesmal wollen die betroffenen Gastronomen das Glasverbot nicht einfach so akzeptieren.

Es geht um die Lokale in der Theodor-Heuss-, Bolz- und Lautenschlagerstraße. Dazu gehört das Tobi’s an der Ecke Theodor-Heuss- und Bolzstraße. Der Inhaber, Tobias Meyer, ist mit der Umsetzung des Glasverbots nicht einverstanden, weil es den Wettbewerb verzerre. Denn die umliegenden Geschäfte dürfen weiterhin Gläser ausgeben, auch ein 350 Meter entfernter Discounter kann weiterhin Glasflaschen verkaufen. „Ich nenne das ‚absurde Schizophrenie‘“, sagt Meyer, „die Innenstadt ist viel zu klein, die Leute können doch einfach schnell rüberlaufen.“

Carls Brauhaus kommt ohne Auflagen davon

In den vergangenen Tagen musste er vor seinem Lokal Gläser wegräumen, die Gäste aus anderen Kneipen hergebracht hatten. „Sie bevorzugen das Bierglas zum Fußballspiel und gehen dann eben zur Konkurrenz“, sagt Meyer. Seine Einnahmen dagegen seien auf das Niveau von schlechten Wintertagen gesunken.

Der Sprecher der Stadt sieht das anders. Die betroffenen Lokale seien im Vorteil, denn sie würden von Fußballfans hoch frequentiert. Deshalb fokussiere man sich ja genau auf diese. Tatsächlich hat die Stadt nach eigenen Angaben von 3000 Gastronomen dieses Mal weniger als 40 ausgewählt. „Wir wollen ja nicht die Stadt stilllegen, irgendwo müssen wir die Grenze ziehen“, sagt Treutler. Wo diese ist, hat die Behörde nach Rücksprache mit der Polizei festgelegt. Erfahrungsgemäß seien vor allem die Orte riskant, an denen sich Pulks von Menschen bilden.

Das sei der Fall in den drei genannten Straßen. Dort gibt es nur noch Plastikbecher – an jedem Spieltag ab 15 Uhr. Davon ausgenommen ist Carls Brauhaus, obwohl es seinen Biergarten zur Bolzstraße hat und nur 300 Meter von Tobi’s entfernt ist. Aber die Postadresse lautet Stauffenbergstraße.

Sicherheit sei wichtig, aber die punktuelle Auswahl der Orte, an denen das Verbot umgesetzt wird, sei nicht zielführend, sagt Vera Hutzelmann, Pressereferentin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands. „Wir haben hier beispielsweise Lokale, die zwei Eingänge haben, da darf dann nur auf einer Seite Glas ausgegeben werden. Das macht keinen Sinn.“

Palast der Republik ist auf Verbote vorbereitet

Tobi’s’ Nachbar, der Palast der Republik, ist ebenfalls von dem Verbot betroffen. Seit zehn Jahren hat die Bar schon Mehrwegbecher in petto. Man ist auf die Verbote vorbereitet. „Es nervt trotzdem. Immer wieder muss ich erklären, warum wir Pfand haben, und es ist die doppelte Arbeit für denselben Lohn“, sagt eine Bedienung.

„Mich regt vor allem das viele Plastik auf“, sagt eine junge Frau und streicht sich verärgert die braunen Haare hinter die Ohren. „Und das auch noch bei einer grünen Landesregierung“, ergänzt ihre Freundin. Auch die Angestellten sind genervt: „Am liebsten würde ich den ganzen Müll nehmen und vors Rathaus stellen“, sagt eine Barkeeperin, „auf die Schnelle konnten wir nur Einwegbecher bestellen, etliche Tausend. Die verteilen wir jetzt unter die Leute.“

Dabei hat die Stadtverwaltung erst in dieser Woche Vorschläge eingereicht, um die Nutzung von Einwegbechern einzudämmen. 80 000 Kaffeebecher werden täglich in Stuttgart weggeworfen, so die Einschätzung. Bald sollen Bäckereien und Cafés deshalb nur noch Mehrwegpfand-Becher ausgeben, „aber auch die sind aus Plastik“, wie Barkeeper, Gäste und Meyer anmerken. Generell sei Meyer bereit, die wabbeligen Einweg- gegen stabile Mehrwegbecher einzutauschen. Ihm bleibe auch nichts anderes übrig, wenn Gläser und Wegwerfbecher verboten seien, sagt er. Fürs Erste geht es ihm aber ums Geschäftsprinzip. Und so hat er der Stadt eine Art Ultimatum gesetzt: Entweder das Verbot betrifft alle – oder es wird ignoriert.