Als Herzogin Sybilla führt sie durch die Schlossanlage und den Pomeranzengarten: Ina Dielmann. Foto: /Jürgen Bach

1609 wurde der Pomeranzengarten in Leonberg für die Herzoginwitwe Sibylla angelegt. Heute begeistert der Lustgarten am Rande der Altstadt Einheimische und Touristen.

Die Pomeranze ist zu Zeiten von Herzogin Sibylla vor mehr als vierhundert Jahren ein wahres Prestigeobjekt: Die Bitterorange, nach der der Pomeranzengarten in Leonberg benannt ist, muss aus Italien angeschafft und aufwendig überwintert werden. Dafür gibt es damals in dem Garten ein Pomeranzenhaus. Für die Herzogin, die im Schloss der Stadt lebt und sich für Heilpflanzen interessiert, hatt die Frucht auch als Arzneimittel Bedeutung, wie Ina Dielmann weiß. In ihrem Kräuterbuch aus ihrer Bibliothek heißt es, die Bitterorangen würden unter anderem bei Bauchwürmern helfen, erzählt die Historikerin.

Die edlen Früchte sind auch heute noch im Pomeranzengarten in Leonberg zu finden. Und mit Ina Dielmann wandelt auch gewissermaßen Herzogin Sibylla gelegentlich entlang der Beete: Sie gibt Kostümführungen durch die Schlossanlage in den Gewändern der Herzogin. Für Dielmann ist der Garten am Rande der Altstadt etwas ganz besonderes: „Er ist einzigartig.“ Immerhin handelt es sich um den einzigen, vollständig rekonstruierten Terrassengarten der Spätrenaissance in ganz Deutschland.

Heinrich Schickhardt baut 1609 den Lustgarten

Baumeister Heinrich Schickhardt legt ihn 1609 für die württembergische Herzogin Sibylla an. Sie nimmt in diesem Jahr nach dem Tod ihres Mannes Herzog Friedrich I. ihren Witwensitz im Leonberger Schloss ein. In Stuttgart ist sie bereits Herrin über einen Lustgarten gewesen. „Weil sie an Pflanzen und Pflanzenheilkunde interessiert war, wollte sie auch in Leonberg einen Garten haben“, erzählt Ina Dielmann. 8600 Gulden kostet der Bau. „Wirklich eine stattliche Summe“, wie die Historikerin sagt.

Auch nach Sibyllas Tod im Jahr 1614 dient das Schloss Leonberg immer wieder als Witwensitz. Schließlich hat es jedoch als fürstlicher Wohnsitz ausgedient und kostbare Pflanzen des Pomeranzengartens müssen an neue Gartenanlagen abgegeben werden. 1709 ist er ein Nutzgarten: Zu dieser Zeit wachsen dort Salat, Mangold und anderes Gemüse.

1980 wird die Anlage rekonstruiert

Nach dem zweiten Weltkrieg verwildert die Fläche immer mehr und gerät in Vergessenheit. In den 70er-Jahren soll dort schließlich eine neue Grünanlage entstehen, die Rodungsarbeiten bringen Überreste des einst prunkvollen Gartens zutage. 1980 wird er schließlich vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Leonberg nach Originalplänen von Heinrich Schickhardt wiederhergestellt.

Der rechteckige Garten ist nach streng symmetrischem Muster angelegt. Vier kleine Pavillons rahmen die Anlage, im Zentrum steht ein Brunnen mit einem hochaufragenden Obelisken. Zwischen den geometrisch angelegten Beeten verlaufen kleine Wege. „Sie sind so schmal, da man langsam durchschlendern und sich an den Blumen erfreuen soll“, erklärt Jana Hubbes vom Baubetriebshof Leonberg. Sie ist Pflegebereichsleiterin für den Pomeranzengarten. Um den in Form zu halten, gibt es allerhand zu tun, weiß Hubbes: „Von März bis November sind wir jeden Tag im Einsatz.“

Große Pflanzenvielfalt im Pomeranzengarten

Neben der Bitterorange wachsen im Pomeranzengarten unter anderem Schlüsselblumen, Lavendel, Hibiskusbäume und Pfingstrosen, aber auch Heilpflanzen aus Sibyllas Zeit wie Rosmarin, Salbei und Thymian. Die Akelei, die ebenfalls in den Beeten zu finden ist, war der Herzogin aus einem Rezept in ihrem Kräuterbuch vertraut, weiß Ina Dielmann. „Bei Unvermöglichkeit zu ehelichen Werken sollte man sich einen Trank aus Akelei brauen“, zitiert die Historikerin mit einem Schmunzeln.

Zum Pomeranzengarten gehört neben dem geometrischen Lustgarten auch der Küchengarten und der Baumgarten am Fuße des Schlosshanges. Zu Herzogin Sibyllas Zeiten ist das gemeine Volk nicht im Garten erwünscht, erzählt Dielmann. Heute steht das Kleinod für die Öffentlichkeit zur Verfügung. „Es ist einfach schön, dass er für jeden zugänglich ist“, sagt die Historikerin. Ihr gefalle besonders, im Laubengang zu sitzen – dort, wo früher das Pomeranzenhaus stand. An diesem schattigen Platz lassen sich die Blumenbeete überblicken. Es herrscht Ruhe, nur das Plätschern der Brunnen ist zu hören.

Eine beliebte Sehenswürdigkeit

Einen Besuch im Pomeranzengarten legt Ina Dielmann allen ans Herz, die sich für Pflanzen interessieren und einfach mal relaxen wollen. Der Garten sei für viele Menschen ein Platz, an dem sie zur Ruhe kommen oder ihre Mittagspause verbringen können. Aber nicht nur Einheimische, auch Touristen besuchen den Garten. „Vielen Leuten fällt erst einmal die Kinnlade herunter, sie sind beeindruckt“, erzählt Dielmann. Auch Jana Hubbes hat schon begeisterte Reaktionen erlebt: „Ich habe manche sagen hören, das sei der Garten Eden.“

Unterwegs in der Region

Anfahrt
Der Pomeranzengarten liegt am Rande der Leonberger Altstadt. Parkplätze lassen sich häufig direkt in der Altstadt finden. Außerdem kann das Auto im Parkhaus Altstadt abgestellt werden. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht man Leonberg mit den S-Bahn-Linien S6 und S60. Vom Bahnhof aus sind es etwa zehn Minuten zu Fuß zum Pomeranzengarten.

Stadtführungen
Wer neben dem Lustgarten weitere geschichtsträchtige Orte in Leonberg erkunden will, kann an Stadtführungen teilnehmen. Am 10. September führt beispielsweise Peter Höfer mit Blick auf die Hexenverfolgung durch Leonberg. Beginn ist um 11.15 Uhr am Brunnen auf dem Marktplatz

Souvenirs
Andenken an den Besuch im Pomeranzengarten lassen sich im i-Punkt des neuen Rathauses erstehen: Dort gibt es Souvenirs der „Mein Garten...“ Serie des Citymanagements, darunter Tischsets, Magnete und Sitzkissen, zu kaufen.