Der Besuch lohnt: Das Alte Schloss im Herzen der Stadt Foto: Andreas Rosar/Fotoagentur-Stuttg

Das Alte und das Neue Schloss: Zeugnisse von 600 Jahren feudaler Herrschaft in Württemberg, oft von Zerstörung bedroht und heute als Landesmuseum und als Domizil von Ministerien genutzt.

Immerhin 600 Jahre lang war Stuttgart die Residenz von Grafen, Herzögen und Königen. Zwei Schlösser im Herzen der Stadt, nach der Chronologie ihrer Entstehung das Alte und das Neue Schloss genannt, sind die Zeugnisse feudaler Herrschaft. Dass sie bis heute dem Stadtbild Glanz verleihen, grenzt an ein Wunder. Denn mehr als einmal waren beide von Zerstörung und sogar vom Abriss bedroht. Also auf zur Schlossbesichtigung, um durch Prunkräume zu wandeln? Diese Erwartung wird leider nicht erfüllt. Weil das Alte Schloss das Landesmuseum beherbergt. Und hinter der Barockfassade des Neuen Schlosses bis auf wenige Repräsentationsräume schlichte Büros von Finanz- und Wirtschaftsministerium liegen. Warum der Besuch trotzdem lohnt, verraten wir.

Kampf für die Erhaltung

Die Stuttgarter sind stolz auf die historischen Schmuckstücke und kämpfen, wenn nötig, für ihren Erhalt. „Wir wollen das Alte Schloss wieder haben“, war die einhellige Forderung, nachdem es zwei Tage vor Weihnachten 1931 von einem verheerenden Feuer weitgehend zerstört worden war. Es war nicht der erste Brand und es war nicht die letzte Zerstörung. Bei dem verheerenden Bombenangriff am 26. Juli 1944 brannte das gesamte Alte Schloss aus. Das gleiche Schicksal traf zwei Monate später das Neue Schloss.

Während der Wiederaufbau des Alten Schlosses 1946 begann, forderten viele Architekten, den „undemokratischen Bau“ des Neuen Schlosses zu beseitigen. Nach dem Motto: Weg mit dem alten Kruscht. Lieber was Modernes, zum Beispiel ein Geschäftszentrum. Nicht zu fassen! Geschichtsbewusste Menschen, ein Aufschrei der Öffentlichkeit sowie Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten haben das zum Glück verhindert, es wurde wieder aufgebaut.

Von der Wasserburg zum Renaissanceschloss

Die Anfänge des Alten Schlosses gehen ins Jahr 950 zurück, in dem Herzog Luitolf von Schwaben eine einfache Wasserburg zum Schutz seines Gestüts, des Stutengartens, im Nesenbachtal erbauen ließ. Über die weitere Geschichte und seine Bewohner informiert das Landesmuseum in einer Broschüre: Von Graf Eberhard dem Erlauchten, mit dem 1320 die Regentschaft der Württemberger in der Burg Einzug hielt, über Herzog Christoph (1550-1568), der sie für 180 000 Gulden zu einem Renaissanceschloss mit dem prächtigen Innenhof ausbauen ließ, und Herzog Eberhard Ludwig (1693-1733), der die mittelalterlich anmutende Residenz als „altväterisch, schlecht, winckelicht und irregulair“ bemäkelte und 1717 lieber ins Schloss nach Ludwigsburg zog.

Erst recht nicht war sie nach dem Geschmack von Herzog Carl Eugen (1744-1793), der in Berlin am Hofe von Friedrich II. Barock und Rokoko lieben gelernt hatte und den Bau des neuen Stuttgarter Residenzschlosses betrieb.

Aus der Mode gekommen

Damit war Schluss mit Glanz und Gloria im Alten Schloss, das Goethe 1797 „kaum zu einer Theaterdekoration gut“ befand. Hof-bedienstete, Ämter und Verwaltung zogen ein, Wilhelm I. wollte es sogar abtragen lassen. 1899 beschloss König Wilhelm II., die Dürnitz als Armeemuseum und Familiengalerie zu nutzen.

Barock bevorzugt

Am 3. September 1746 legte der 18-jährige Herzog Carl Eugen den Grundstein für das Neue Schloss, in das er erst 1775 einziehen sollte. Der Bau nach den Plänen von Leopoldo Retti und nach dessen Tod 1751 von Philippe de la Guêpière war erst 1807 unter König Friedrich komplett fertiggestellt. Seine Nachfolger, Wilhelm I., Karl und Wilhelm II., hinterließen beim Interieur die Spuren ihres Geschmacks und der jeweiligen Stilepochen. Es soll alles sehr kostbar und elegant gewesen sein. Davon konnten sich die Bürger beim Wandeln durch die „Stilzimmer“ selbst überzeugen, als auch das Neue Schloss nach dem Ende der Monarchie Museum geworden war. 1961 zogen Ministerien in die Seitenflügel ein, der Wiederaufbau des Mittelbaus Corps de logis mit dem Marmorsaal wurde 1964 fertiggestellt.

Für Neugierige

Barocke Pracht kann man im Neuen Schloss bestaunen, wenn man eine Veranstaltung im Weißen Saal besucht. Führungen sind derzeit nicht vorgesehen. Doch es soll ein Bürgerschloss werden. Offen für Besucher, mit einigen, wiederhergestellten Räumen.

Für Schlaumeier

Schätze aus mehr als 250 000 Jahren zeigt das Württembergische Landesmuseum: Kunst aus der Eiszeit auf der Schwäbischen Alb, aus der Antike, von den Kelten und aus dem christlichen Mittelalter. Die Kunstkammer zeugt von der Sammelleidenschaft der Herrscher, die Kronjuwelen der Königinnen und Könige funkeln. Dazu Glas, Prunkuhren und wissenschaftliche Instrumente.

Digital erkunden

Die kostenfreie Landesmuseum-Württemberg-App lädt per Handy zum digitalen Rundgang. Virtual Reality Technik entführt ins Jahre 1465 zu „Heiligen und Halunken“, Medien- und Mitmachstationen erlauben Zeitreisen.

Junges Schloss

Ritter spielen, Stationen zum Anfassen und eigene Mitmach-Ausstellungen wie „Müll Monster Alarm“ (vom 22. Oktober an bis 30. Juli 2023): Das Junge Schloss macht Kindern und Familien Spaß.