Bei Wein-Erlebnistouren wird häufig gewandert und probiert – bei Lisa Riecker wird vor allem gerätselt. Die 34-Jährige bietet in Kirchheim am Neckar die wohl außergewöhnlichste Weinberg-Tour des Landes an.
Der Donner grollt in der Ferne, und am Horizont sind heftige Regengüsse zu erkennen, doch Lisa Riecker scheint unbeeindruckt. Die 34-Jährige ist zwar erst seit rund einem Jahr Weinerlebnisführerin, spricht aber trotz drohenden Platzregens routiniert über Rebsorten und die Genossenschaft. „Wir sind ja nicht nur wegen des Weins hier, sondern um unser Köpfle anzustrengen“, sagt sie dann zu ihrer siebenköpfigen Tour-Gruppe. Rieckers Weinjagd ist kein üblicher Spaziergang durch die Weinberge. Es ist eine Weinjagd mit drei Rätseln, drei Codes, drei Schatztruhen und drei Weinen – und das kommt so gut an, dass die Touren auf mehrere Wochen im Voraus ausgebucht sind.
Ausbildung neben dem Job
Schon als Kind war Riecker in den Weinbergen um Kirchheim unterwegs, half auf dem Hektar ihrer Familie bei Laubarbeiten und der Weinlese. Trotz ihrer Leidenschaft für Landwirtschaft und Wein schlug die Kirchheimerin nach der Schule einen ganz anderen Weg ein. Sie studierte Hygienetechnik und arbeitet mittlerweile als Qualifizierungsingenieurin bei einem Maschinenbauer in Freiberg am Neckar.
„Ich habe dann aber doch wieder Lust bekommen, etwas mit Wein zu machen“, sagt Lisa Riecker. Im Jahr 2020 bewarb sie sich für die Ausbildung zur Weinerlebnisführerin und büffelte ein halbes Jahr neben ihrem Job an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) in Weinsberg. „Immer im Blockunterricht, zwei oder drei Tage am Stück.“
Dann kam die Idee. „Wir mussten in einer Hausarbeit ein touristisches Weinerlebnis konzipieren. Ich liebe Escape-Games, und mir war klar, ich will das Rätseln mit den Weinbergen verbinden.“ Die Weinjagd war geboren. Am Kirchheimer Weinberg steckt die Tour-Gruppe die Köpfe über dem ersten Rätsel zusammen. „Normalerweise rätseln immer ein paar aus der Gruppe ganz angestrengt, und andere beobachten eher“, sagt Riecker. An diesem Tag mustern zumindest alle angestrengt den Rätseltext, doch auch hier übernimmt ein junger Mann die Initiative. Die Rätselideen bekommt Riecker aus bekannten Escape-Spielen. „Die sind aber nicht kopiert, die Rätsel denke ich mir alle selbst aus.“
Nach ihrer Hausarbeit und dem Abschluss an der LVWO startete Riecker 2022 ihre Nebentätigkeit als Weinerlebnisführerin – mit Unterstützung der Weinkultur Kirchheim. Die ist ein kommunales Projekt, das die rund dreieinhalb Hektar Hanglagen am Neckarbogen in Kirchheim bewirtschaftet. Wichtig, denn für viele Winzer bedeuten die Hänge ein wirtschaftliches Problem. Zu viel Handarbeit für zu wenig Ertrag. Die Gemeinde nimmt den Winzern diese Anbaufläche ab, bewirtschaftet diese und erhält damit die Kulturlandschaft am Neckar.
Tourismus-Preis im ersten Jahr
„Die Weinkultur macht aus den Trauben der Steillage drei Weine, die Rosa, Roberto und Regina heißen. An denen orientiert sich meine Weinjagd“, erklärt Riecker. Mit drei Rätseln lassen sich drei Schatzkisten öffnen, in denen in der Regel die drei Weine der Weinkultur verborgen sind. „Die Touren haben direkt eingeschlagen wie verrückt“, berichtet Riecker über die Anfänge. Sie habe Dutzende Anfragen von Vereinen, Freundesgruppen und Junggesellenabschieden bekommen – und das ohne Werbung, ohne eigene Webseite, nur mit einem Instagram-Kanal. „Die Nachfrage war letztes Jahr unter anderem so groß, weil nach der Pandemie alle wieder etwas unternehmen wollten“, erklärt Riecker den Erfolg, der nicht unbemerkt blieb. Nach nicht einmal einem Jahr zeichnete die Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg und der Weinbauverband Württemberg Riecker und die Weinkultur Kirchheim mit dem Weintourismus-Preis des Jahres 2022 aus.
Am Kirchheimer Weinberg hat die Tour-Gruppe das Rätsel nach zehn Minuten gelöst. „Ihr seid echt schnell“, sagt Riecker und lobt die Gruppe. Jetzt nur noch den Lösungscode in das Schloss an der Schatztruhe eingeben und schon sind selbst gebackene Käsefüße und ein Riesling befreit. In ihrem zweiten Jahr als Weinerlebnisführerin wirkt Riecker bereits sehr abgeklärt, hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen und kommt bei den Jüngeren und Älteren in der Gruppe gut an. „Nervös bin ich eigentlich gar nicht mehr“, sagt sie. „Während der Ausbildung haben wir gelernt, wie wir in verschiedenen Situationen mit den Gästen umgehen.“
Pläne für die Zukunft
In Zukunft will Lisa Riecker ihre Weinjagd ausbauen, beispielsweise mit einer Selbstläufertour. Die Weinerlebnisführerin müsste dann nicht jedes Mal die 2,3 Kilometer lange Tour mitlaufen. Die Gruppen würden per App von einer Schatztruhe zur nächsten finden und die Rätsel per QR-Code auf ihr Handy spielen. Zudem würde Lisa Riecker ihre Weinjagd, Schatzkisten und Rätsel gerne an andere Weinbaubetriebe verkaufen. Viele Winzer seien noch zurückhaltend, touristische Angebote umzusetzen – mit ihrer Weinjagd könnte sie Starthilfe geben. „Württemberg kann in Sachen Weintourismus noch viel mehr.“
Unterwegs in der Region
Serie
Urlaub daheim ist alles andere als langweilig. Die Region Stuttgart bietet vielfältige Möglichkeiten für abwechslungsreiche Tage ohne weite Anreise – für Kulturinteressierte wie für Naturfreunde, für Sportbegeisterte wie für Genießer. In unserer Serie „Der Ferientipp“ stellen wir Ausflugsziele vor. Wetten, dass auch für Sie etwas dabei ist?
Details zur Weinjagd
Die Weinjagd richtet sich an Gruppen ab sieben Personen. Die Gruppengröße ist nach oben offen, ab 30 Personen werde es aber etwas viel, sagt Lisa Riecker. Die Weinjagd startet mit einem Sektempfang am Hof der Familie Riecker in Kirchheim. Die Teilnehmer bekommen dort Umhängetaschen, in denen sie ihr Weinglas während der dreieinhalb stündigen Tour transportieren können. Die Weinjagd kostet 38 Euro pro Person und sollte frühzeitig gebucht werden.