Ein selbst gemachtes Vesper mit Zutaten aus der Streuobstwiese erwartet die Wanderer. Vor allem die Himbeer-Apfel-Limonade hat es in sich. Foto: Gottfr/l

Wandern, regionale Leckereien genießen und dann noch ein paar schwäbische Vokabeln lernen – das können Einheimische und Reigschmeckte gleichermaßen mit dem Mostmobil in Beutelsbach.

Beutelsbach - Viel romantischer könnte das Rendezvous im Grünen kaum sein. Auf der Terrasse vor einer kleinen Hütte mitten in der Baumwiese wartet ein liebevoll gedeckter Tisch auf die Wanderer: frische Wildblumen, dazu Weckgläser mit selbst gemachter Apfel-Himbeer-Limonade.

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Eine Hecke versperrt zwar die Aussicht ins Tal – aber das kümmert das Paar, das hier gerade angekommen ist, nicht. Im Gegenteil: Der lauschige Platz ist perfekt fürs Schwäbischlernen, finden die beiden. Sie Schwäbin, er Badener, beide inkognito unterwegs. Gebräunte Gesichter, abgenutzte Wanderstiefel, Rucksack, Outdoorjacke – offenbar sind sie oft an der frischen Luft unterwegs. Wir dürfen sie Spatzl und Helmut nennen, weil Helmut seit der Fernsehserie „Monaco Franze“ Ruth Maria Kubitschek fast genauso sehr mag wie Jennifer Aniston.

Wie ein Buchstabe den Unterschied macht

Jetzt packen sie aus, was sie an Vesper von Marianne Siegle mit auf den Weg bekommen haben: Wurst und Käs, Brot und Kräuterbutter, dazu selbst gemachten Senf und Luggeleskäs. Erste Lektion: Im Schwäbischen gibt es feine Unterschiede, wenn es um „ons zwoi“ geht, die traute Zweisamkeit also: Je nachdem, ob es „mir“ oder mr heißt, ist das Wirgefühl ein ganz anderes. „Mir machet des jetzt“ bedeutet sofortigen Aufbruch, „Mr sott amol“ eher lähmende Diskussionen. Helmut weiß diese feinen Unterschiede zu deuten – schließlich ist er seit fast 17 Jahren mit seinem eigenwilligen Spatzl verheiratet. Und „ma könnt ja mol“ ist einer von Spatzls Lieblingssätzen. Wenn Helmut sein Spatzl „mr“ sagen hört, zucken seine Augenbrauen unwillkürlich in die Höhe. Aber jetzt sagt sie „mir“, nämlich „mir sotte weiterlaufa“, und das nimmt er gelassen. Die schwäbischen Vokabeln, die das Handbuch des Mostmobils den beiden als Nächstes aufgibt, gehen ihnen dann erstaunlich gut von den Lippen.

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Wie ein Ausblick die Fantasie beflügelt

Was an der Himbeer-Limonade liegen könnte – die hat sich nämlich als geistvolle Bowle entpuppt. Von den Wiesen geht es also beschwingt hinauf in die Weinberge. Ganz oben auf dem Roßberg wartet ein atemberaubender Ausblick auf das Paar. Das Remstal liegt in seiner ganzen Pracht vor ihnen. Bis zur Korber Höhe und sogar nach Ludwigsburg kann man bei gutem Wetter von hier aus sehen. „An so einem Ort“, sagt der Badener demütig, gehe auch eine schwäbische Liebeserklärung leicht von den Lippen. Das Mostmobil bietet dafür die passende Inspiration. Helmuts Favorit: „Mir zwoi send halt wie Lensa ond Schpätzle!“

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Was ist das Besondere?

Wanderungen mit fertigen Vesperpaketen gibt es viele, die Schwabenrunde der Mostmobil-Betreiber aber zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus: Fast alles stammt von eigenen Streuobstwiesen, das Brot und die Kekse hat Marianne Siegle im Backhaus selbst gebacken. Und der originelle Schwäbischkurs birgt durchaus auch für Einheimische die eine oder andere Überraschung. Zumindest sorgt er für viel Gelächter und Gesprächsstoff. Die Idee dazu hatten Marianne Siegle und Jochen Bühler im Frühjahr – da boten sie die Schwabenrunde zum Valentinstag erstmals an. Die Tour kam nicht nur bei älteren Paaren gut an, sondern auch bei frisch verheirateten. Inzwischen gibt es auch eine Version für Vierergruppen, die bekommen allerdings ein anderes Textbuch mit auf den Weg. Die Wanderung wird aufgrund des Aufwands für die Organisatoren nur gebündelt an bestimmten Tagen angeboten (dieses Jahr noch am 21. und 22. August sowie am 4. und 5. September), allerdings sind mehrere Zeitfenster pro Tag möglich. Sie kostet 25 Euro pro Person.

Für wen ist die Tour geeignet?

Die Tour des Mostmobils ist etwa sieben Kilometer lang, also keine anstrengende Wanderung. „Wir haben einfach die Orte miteinander verbunden, die uns hier besonders gut gefallen“, sagt Jochen Bühler. Es gibt zwei steilere Anstiege, bei denen man ins Schnaufen kommt. Für Menschen mit eingeschränkter Mobilität eignet sich die ursprüngliche Variante aufgrund der Bodenbeschaffenheit eher nicht. Den Aussichtspunkt auf dem Roßberg kann man aber auch auf geteerten Fahrwegen mit Kinderwagen oder Rollstuhl erreichen.

Was gibt es sonst noch zu sehen?

Rund um Beutelsbach lässt sich die Schwabenrunde beliebig erweitern. Wer noch mehr Inspiration sucht, könnte zum Beispiel von Beutelsbach aus Richtung Strümpfelbach weitergehen und sich dort den Skulpturenpfad anschauen, auf dem Werke der Künstler Fritz Nuss (1907 bis 1999), Sohn Karl-Ulrich Nuss (1943) und Enkel Christoph Traub zu sehen sind. Als Übernachtungsmöglichkeit auf dem Wochenendtrip bietet sich das Landgut Burg oben auf dem Roßberg an, das mitten zwischen Pferdekoppeln und Streuobstwiesen liegt (www.landgut-burg.de).

Wie kommt man hin?

Beutelsbach liegt an der S-Bahn nach Schorndorf, ist von Stuttgart aus also bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Allerdings fahren wegen der Sanierung der S-Bahn-Haupttrasse zwischen Hauptbahnhof und Vaihingen bis zum 13. September die Bahnen deutlich seltener als sonst. Während der Umbauphase also unbedingt den Fahrplan prüfen.

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