„Nicht lange her. Nicht weit weg“ lautet der Untertitel der Schau, die viele Originaldokumente zeigt Foto: AP

In Museum of Jewish Heritage eröffnet am 8. Mai zum Jahrestag des Kriegsendes die umfassendste Ausstellung über Auschwitz, die es je in den USA gegeben hat. Die Schau soll auch in Berlin gastieren

New York - Es bedarf im Amerika des Donald Trump an sich keines besonderen Anlasses, um sich der Dringlichkeit des Erinnerns an den Holocaust gewahr zu sein. Und doch verliehen die Ereignisse der vergangenen Wochen dem Gedenken an die Shoa in den USA eine bittere Aktualität. Am letzten Tag des Pessach-Festes und keine Woche vor dem Holocaust-Gedenktag Yom Hashoa drang John Earnest am 27. April in die Synagoge von Poway in Kalifornien ein und begann, wild um sich zu schießen. Ein Mensch verlor dabei sein Leben, drei wurden schwer verletzt.

Der Angriff war frisch im Bewusstsein der Versammelten, die am 3. Mai, also am zweiten Tag von Yom Hashoa, im unteren Manhattan zur Pressebesichtigung der bereits im Vorfeld viel diskutierten Auschwitz-Ausstellung im Museum of Jewish Heritage zusammenkamen – fürs Publikum öffnet die Schau ihre Türen am 8. Mai, dem Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung vom Nationalsozialismus. So sagte Bruce Ratner, der Vorstand des Museums, in Anspielung auf das Motto der Ausstellung, dass „Auschwitz nicht weit weg oder lange her“ sei, sondern „hier und jetzt“ – der Titel der Schau lautet „Auschwitz. Not long ago. Not far away“. Und Ron Lauder, Vorsitzender der Auschwitz-Birkenau Stiftung und Präsident des World Jewish Congress, mahnte, dass „die einzige Art und Weise, Antisemitismus zu besiegen, Aufklärung und Bildung“ sei.

Die Ausstellung des Museum of Jewish Heritage, keine 500 Meter vom Ground Zero entfernt, macht keinen Hehl daraus, intervenieren zu wollen. Sie will im Zeitalter des wachsenden Rechtspopulismus und des drohenden Versinkens des Holocaust im Nebel der entfernten Geschichte aufrütteln und auffrischen. Und zwar global: So ist New York schon die zweite Station der Ausstellung, sie soll noch in fünf anderen Städten gastieren, darunter London und Berlin. Eröffnet wurde „Auschwitz“ 2017 in Madrid.

Die Eintrittspreise wurden erhöht

Die Idee zu der globalen Aufklärungstournee stammt von der privaten Madrider Firma Musealia, deren Direktor Luis Ferreiro durch die Lektüre der Memoiren des Lager-Überlebenden Viktor Frankl inspiriert wurde. Ferreiro setzte sich bereits 2010 mit der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau in Verbindung und schaffte es nach langen Verhandlungen, die Stiftung zur Kooperation zu überreden. Die Bedenken der Stiftung kreisten um die sachgemäße Behandlung von sensiblen Exponaten wie Kleidungsgegenständen der KZ-Insassen, einer Original-Baracke und sogar eines Güterwagons. Ferner wollte man sicherstellen, dass der historische Kontext korrekt und umfassend dargestellt wird. Mit dem Engagement des Historikers und erfahrenen Kurators Jan van Pelt konnten derlei Vorbehalte ausgeräumt werden.

Was bleibt ist das ungute Gefühl, das dabei entsteht, wenn eine private Firma aus dem Auschwitz-Gedenken ein profitorientiertes Unternehmen macht. Ferreiro versichert zwar, dass es ihm zuallererst um die soziale und politische Mission geht. Doch angesichts der Tatsache, dass das New Yorker Museum für die Ausstellung die Eintrittspreise von vier auf 16 Dollar erhöht hat, bleiben Fragen.

Dafür bekommt der Besucher jedoch die sicherlich umfassendste Holocaust Ausstellung geboten, die es außerhalb von Auschwitz-Birkenau jemals gegeben hat. Auf drei Stockwerken und in 40 Räumen werden alle nur erdenklichen Aspekte von Auschwitz als „realem Ort, aber auch als Symbol“, wie es im Katalog heißt, erforscht und umkreist.

Zyklon-B-Patronen und Häftlingskleidung

Die Ausstellung macht den am weitesten möglichen historischen Kontext auf, ohne sich jedoch dabei zu verlieren. So wird die Geschichte des Antisemitismus in Europa und dessen Zuspitzung zu Beginn des 20. Jahrhunderts veranschaulicht, jüdische Lebenswelten in Polen vor der Invasion der Nazis sind zu sehen, zudem sind mehrere Räume dem Aufstieg Hitlers in Deutschland gewidmet. Das Herz der Ausstellung, der mittlere Stock, gehört jedoch ganz der Erfahrung des Vernichtungslagers, mit Augenzeugenberichten, Dokumenten, Gegenständen wie Zyklon-B-Patronen und Häftlingskleidung. Ebenso zu sehen sind Fotografien, die Angehörige der Sonderkommandos heimlich gemacht haben. Dabei wird der Schock von allzu deutlichen Darstellungen der Grausamkeiten vermieden. Die Beklemmung des Lebens und Sterbens im Lager wird subtiler nachgestellt – mit verzweifelten Briefen etwa, die aus den Güterzügen geworfen wurden, in der Hoffnung, dass irgendjemand sie findet und abschickt. Oder mit Hilfe eines Gebetshemdes, das ein Überlebender über die ganze Zeit im Lager vor der Zerstörung retten konnte und dessen Besitz ihm dabei geholfen hat, Auschwitz zu überstehen.

Platz findet in der Ausstellung allerdings auch der Alltag der Lagerleiter und Verwalter. Privatfotos aus dem Garten der Familie Höss und Bilder von heiteren Kameradschaftsabenden der Wächter zeigen eindringlich die tiefe Entmenschlichung auch der Täter. Am Ende wird die Ausstellung dem Auftrag gerecht in Zeiten, in denen das Vergessen droht, nicht nur an einer vagen Gedenkkultur zu partizipieren. Das Museum of Jewish Heritage geht weit über das Hervorrufen von Betroffenheit hinaus, belastet mit Wissen um Fakten und Zusammenhänge und macht zugleich das Grauen durch Geschichten und Schicksale erfahrbar.

So kann man der Schau nur wünschen, dass sie nach den Stationen in Madrid und New York weitere Partner findet. Es ist ein guter Zeitpunkt, der Welt Auschwitz in Erinnerung zu rufen – als Ort, als Symbol, als Verpflichtung.