Bewerber gesucht: Vor allem Handwerk und Einzelhandel mangelt es an Nachwuchs. Foto: dpa

Zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres fehlen vielen Firmen noch Lehrlinge.

Stuttgarter Norden - Am Montag hat das neue Ausbildungsjahr begonnen. Während sich große Firmen wie beispielsweise Porsche kaum vor Bewerbern retten können, fehlt es vielen mittelständischen Betrieben an Nachwuchs. Einerseits, so der allgemeine Tenor, gibt es immer weniger Bewerber, andererseits nimmt deren Qualität auch immer weiter ab.

„Wir suchen händeringend Azubis“, sagt Gerd Kistenfeger von der Pressestelle der Handwerkskammer der Region Stuttgart. Zwar seien zum Beginn des neuen Lehrjahres rund 3500 neue Ausbildungsverträge in der Region abgeschlossen worden, dem gegenüber stünden aber fast 900 freie Plätze. Insgesamt gibt es laut Kistenfeger rund 100 verschiedene Ausbildungsberufe im Handwerk, von A wie Augenoptiker bis Z wie Zimmermann. Allerdings würden die jungen Leute nur die wenigsten davon kennen, da sie oftmals sehr schlecht informiert seien. Mit verschiedenen Aktionen möchte die Handwerkskammer deshalb für mehr Aufklärung sorgen – an den Schulen, bei den Eltern und natürlich bei den Jugendlichen. In Ballungsräumen wie Stuttgart gibt es laut Kistenfeger noch ein anderes Problem: Schulabgänger möchten lieber bei großen und bekannten Firmen unterkommen, was für kleinere Betriebe schlecht sei.

Die Qualität der Bewerber ist gesunken

Den Kampf um Auszubildende hat Karlheinz Schmid, Inhaber der gleichnamigen Zuffenhäuser Gas- Heizungs- und Sanitärfirma, vor einigen Jahren aufgegeben. Früher hatte der Familienbetrieb immer drei Azubis, also einen pro Lehrjahr. Im Laufe der Zeit sei aber die Qualität der Bewerber immer weiter gesunken. Das, so erläutert Schmid, habe bei kaum zu entziffernden Bewerbungen begonnen und bei Azubis geendet, die mit Werkzeugen nach dem Meister schmissen, wenn ihnen etwas nicht gepasst habe. Irgendwann habe man sich diesen Ärger dann einfach nicht mehr aufladen wollen. Viele Bewerber hätten schlichtweg kein Bewusstsein dafür, dass man mit einem erlernten Beruf später einmal seinen Lebensinhalt verdienen könne.

20 junge Leute haben sich bei der Zuffenhäuser Firma Hessel und Sohn um einen Ausbildungsplatz als Anlagenmechaniker für Sanitär- Heizungs- und Klimatechnik beworben. Das hört sich zwar gut an, ist aber nur die halbe Wahrheit. „Hätten wir genug geeignete Kandidaten gehabt, dann hätten wir zwei Leute einstellen können“, sagt Andrea Hessel, die bei dem Familienbetrieb für die Personalangelegenheiten zuständig ist. Vergangenes Jahr hatte die Firma überhaupt niemand finden können, deshalb standen anno 2014 zwei Stellen zur Verfügung. Die Qualität der Bewerber, so Andrea Hessel, nehme immer weiter ab. „Nicht nur die Noten sind wichtig“, sagt sie. Dennoch spreche es nicht unbedingt für einen Kandidaten, wenn der seinen Hauptschulabschluss mit einem Durchschnitt von 3,9 gemacht habe. Viele junge Leute würden mit 18 Jahren die Schule beenden, dann einige Zeit verschiedene Tätigkeiten beginnen, diese abbrechen und sich dann mit Mitte 20 bewerben. Mit diesen Leuten hätte man keine guten Erfahrungen gemacht. Ganz anders stellt sich die Situation bei dem neuen Auszubildenden von Hessel und Sohn dar. Der 29-Jährige war vor drei Jahren aus Syrien geflohen und nach Deutschland gekommen. In seiner Heimat hatte er eine Ausbildung im Sanitärbereich gemacht, die aber hierzulande nicht anerkannt wird. Immerhin kann aber die Lehrzeit um ein Jahr verkürzt werden. Der neue Auszubildende, das betont Andrea Hessel, habe sehr gute Sprachkenntnisse, sei zuverlässig und wäre auf eigene Initiative hin bei der Firma gelandet, nachdem er bereits ein Praktikum dort absolviert hatte.

Manche Berufe haben ein schlechtes Image

„Wir hätten gerne jemand eingestellt“, sagt Christine Knorst von der Metzgerei Eisenmann. Allerdings habe es dieses Jahr keinerlei Bewerbungen gegeben. Die Nachwuchssituation im Bereich der Fleischereifachverkäuferinnen sei alles andere als rosig. Mittlerweile finde man nicht einmal mehr Praktikanten. Knorst, die auch stellvertretende Vorsitzende beim Bund der Selbständigen/Gewerbe- und Handelsverein Zuffenhausen ist, vermutet, dass das auch am relativ schlechten Image des Berufs läge. Außerdem sei die Konkurrenz der Großbetriebe stark. Obwohl sie Plakate aufgehängt, Zeitungsannoncen geschaltet und es über Facebook probiert hat, blieb Knorst erfolglos. Damit die Lehrstelle keine Leer-Stelle bleibt, habe ihr die Agentur für Arbeit geraten, in Flüchtlingsheimen nach Nachwuchs zu suchen.