Robin Reinhold hat durch Bewerbungsgespräche via Webcam eine Lehrstelle gefunden. Doch nicht für jeden birgt der digitale Bewerbungsprozess Vorteile. Foto: Eileen Breuer

Die durch die Pandemie schwächelnde Konjunktur hat den Arbeitsmarkt auf den Kopf gestellt. Wer jetzt einen Ausbildungsplatz sucht, sollte eine gewisse Flexibilität mitbringen. Doch die Krise bietet auch Chancen für junge Leute.

Filder - Zum Vorstellungsgespräch ist Robin Reinhold im Hemd erschienen. Doch nicht nur das Outfit war ungewohnt für ihn, die ganze Bewerbung lief anders ab. Denn wegen Corona haben viele Firmen den Bewerbungsprozess für Ausbildungsplätze ins Internet verlagert. Robin musste also seinen Computer hochfahren, um sich bei den Unternehmensvertretern vorzustellen – für ihn ein Vorteil. „Online ist es viel einfacher: Da spricht man ja nur mit einem Monitor oder in die Kamera“, sagt der 15-jährige Schüler. Er besucht derzeit die Abschlussklasse der Realschule Bonlanden.

Doch nicht für jeden birgt der digitale Bewerbungsprozess solche Vorteile, wie sie Robin beschreibt. Denn während er in seinem Zimmer einen Laptop mit angeschlossenem Monitor stehen hat, sind Altersgenossen in Hinblick auf die technische Ausstattung teilweise schlechter ausgerüstet, sagt Markus Knorpp. Er berichtet als Teamleiter der Berufsberatung bei der Arbeitsagentur im Landkreis Esslingen aus seiner Erfahrung: „Wenn Familien nicht finanzstark sind, haben Jugendliche ein Problem, weil sie Angebote nicht nutzen können – zum Beispiel, weil ihnen das Equipment fehlt.“

Erschwerend kommt hinzu, dass Möglichkeiten zur Berufsorientierung in geringerem Umfang zur Verfügung stehen. So sagten 66 Prozent der Befragten einer Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, dass es weniger Messen zum Thema Ausbildung und Beruf gab. Die Ausbildungsmesse „Börse deiner Zukunft“ in Filderstadt zum Beispiel wurde abgesagt.

„Kein Angebot kann Praxiserfahrung ersetzen“

Dieser persönliche Kontakt zu den Unternehmen könne nicht einfach durch digitale Angebote kompensiert werden, sagt Knorpp: „Die Hauptproblematik liegt darin, dass kein Angebot Praxiserfahrung ersetzen kann. Und die Berufswahl kommt nicht aus den Jugendlichen heraus, sondern es braucht Impulse – und die werden weniger.“ Durch die aktuelle Situation entfallen zudem viele Angebote der Schulen zur Berufsorientierung. „Ich kenne viele Schüler, die für die berufsorientierten Praktika keine Betriebe gefunden haben“, sagt Knorpp.

Auch die JW Froehlich GmbH hat Berufsorientierungspraktika wegen Corona absagen müssen, so die stellvertretende Personalleiterin Tabea Eising. Außerdem fallen Informationsveranstaltungen an Schulen wegen der Corona-Pandemie aus, das zumindest ist der Eindruck der Befragten für die Studie „Ausbildungsperspektiven in Zeiten von Corona“.

Rückgang der Ausbildungsplätze von etwa 15 Prozent

Für den 15-jährigen Robin ist schon länger klar, was er nach seinem Schulabschluss machen möchte: eine Ausbildung im technischen oder chemischen Bereich. Und dafür ergatterte er vier Zusagen. Von der Corona-Krise hat er in wirtschaftlicher Hinsicht deshalb kaum etwas gemerkt: „Die Firmen haben einen Mangel an Arbeitskräften, die reißen sich um die Leute“, sagt er. Doch das trifft nur auf einzelne Branchen zu.

„Unternehmen, die stark gebeutelt sind, wie Messebauer oder Gastronomen, denken derzeit eher weniger an Ausbildung“, sagt Daniel Ludin. Er ist Geschäftsführer der JW Froehlich GmbH und Vorstandsvorsitzender der Industrie- und Wirtschaftsvereinigung Leinfelden-Echterdingen. Dieses Jahr nehme er einen Rückgang der Ausbildungsplätze von etwa 15 Prozent im Vergleich zu den vergangenen Jahren wahr: „Ich persönlich habe Verständnis für die Unternehmen, die ums Überleben kämpfen und deshalb in der Ausbildung aussetzen.“ Gleichzeitig warnt er davor, dass die Corona-Krise nicht zu einer Ausbildungskrise werden dürfe. Denn wenn die Unternehmen jetzt versäumten, Fachkräfte auszubilden, dann werde sich der Fachkräftemangel in Zukunft verstärken. Dieser Meinung ist auch Eising: „Es ist wichtig, dass die Unternehmen langfristig denken. Denn man erntet die Früchte seiner Ausbildungsarbeit erst drei bis vier Jahre später.“

„Geld ist kein Motivator“

Die Bundesregierung versucht dem mit dem Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ entgegenzuwirken. Zum Beispiel erhalten von der Corona-Pandemie besonders betroffene kleine und mittelgroße Betriebe eine Prämie von 2000 Euro je abgeschlossenem Ausbildungsvertrag, wenn sie ihr Ausbildungsniveau halten. „Wenn mir als Unternehmen das Wasser bis zum Hals steht, helfen 2000 Euro nicht viel, denn Ausbildungen sind teuer. Geld ist kein Motivator, sondern zeigt nur den guten Willen der Regierung“, sagt Ludin.

Diejenigen jungen Menschen, die derzeit auf der Suche nach einer Ausbildung in einem von der Pandemie stark betroffenen Berufsbild sind, hätten es natürlich schwer. Aber Ausbildung sei keine Einbahnstraße. „Man muss nicht das Ende der Krise abwarten, sondern darüber nachdenken, sich umzuorientieren in eine andere Ausbildung“, sagt Ludin.

Sie musste sich neu orientieren

Und flexibel müssen nicht nur die angehenden Auszubildenden agieren. Auch Sara Miskovic musste sich umorientieren. Sie hatte sich nach ihrem Abitur für eine Ausbildung zur technischen Modellbauerin mit der Fachrichtung Karosserie und Produktion entschieden. „Ich war mir ziemlich sicher, dass die Übernahme garantiert ist. Ich hatte nicht das Gefühl, dass Corona etwas an meiner Zukunft ändern wird“, sagt die 23-Jährige aus Stuttgart-Rohr.

Trotz guter Noten stand sie nach ihrer Ausbildung im Sommer jedoch erst einmal ohne Job da, denn ihr Betrieb konnte sie aufgrund eines Einstellungsstopps nicht übernehmen. Sie bewarb sich deshalb bei 14 Betrieben – ohne Erfolg: „Sich damit abfinden zu müssen, bald Arbeitslosengeld zu bekommen und vom Staat abhängig zu sein, war nicht schön“, sagt Miskovic. Begründet haben die Betriebe die Absagen damit, aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage niemanden einstellen zu können. Sie fühlte sich, als hätte sie versagt. Inzwischen studiert sie Architektur und Stadtplanung an der Universität Stuttgart: „Wäre Corona nicht gewesen, hätte ich mich nicht getraut, den Weg des Studiums zu gehen.“