Friseur-Lehrlinge schneiden bei der Ausbildungsvergütung schlecht ab. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Wie viel Entgelt ein Azubi bekommt, hängt im Wesentlichen von der Branche ab. So verdient ein Mechatroniker doppelt so viel wie ein Friseur. Auch nach der Lehre sind die Unterschiede groß.

Stuttgart - Altay Yeliz ist das, was man einen Azubi aus Leidenschaft nennt. Hat die 20-jährige angehende Friseurin nicht Schere oder Kamm in der Hand, leidet ihre Lebensqualität. Schon vor der Ausbildung im Ludwigsburger Wings Beautypool machte sie Praktika in Friseursalons. Noch immer schneidet sie nach Feierabend die Haare von Freunden. Und die gelegentlich schlechte Laune vergehe im Gespräch mit den Kunden im Geschäft. „Ohne meinen Beruf würde ich keinen Spaß haben“, sagt sie und strahlt auf eine Weise, dass man es ihr gerne glaubt.

Man glaubt ihr auch, dass sie den Beruf nicht des Geldes wegen gewählt hat. Rund 600 Euro verdient Yeliz in ihrem dritten Lehrjahr, die Ausbildungsvergütung bei Friseuren zählen zu den geringsten im Branchenvergleich. „Es ist wenig, aber ich komme damit klar, weil ich zuhause lebe“, sagt sie. Geld brauche sie nur zum Ausgehen und für Kleidung, auch der Friseurbesuch sei kostenlos. Nur wenn sie an ihre Wünsche denke – ein Auto, ein Haus –, komme sie etwas ins Grübeln. „Das wird nicht einfach werden. Eigentlich ist es ungerecht, dass andere Azubis mehr bekommen – ich leiste ja nicht weniger als ein Maurer oder Tischler“, sagt sie. „Aber etwas zu machen, was mir keinen Spaß macht, nur weil mein Gehalt besser ist? Das bringt mir ja nichts.“

Maurer führen die Gehaltsliste an

Manchem Auszubildenden dürfte dennoch der Spaß vergehen, wenn er zum ersten Mal erfährt, wie unterschiedlich die Entgelte in den Lehrjahren sind. Im Westen des Landes sind sie im Schnitt der Ausbildungszeit besonders niedrig bei Friseuren (494 Euro), Floristen (587 Euro), Bäckern (600 Euro) sowie Malern und Lackierern (627 Euro). Das Bundesinstitut für Berufsbildung (Bibb) in Bonn, das die Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen in 180 Ausbildungsberufen analysiert, kennt auch die Spitzenverdiener unter den Lehrlingen: Maurer führten im vergangenen Jahr mit 1057 Euro im Monat die Hitliste an. Auch Mechatroniker, Kaufmänner für Versicherungen und Finanzen und Medientechnologien erhalten ähnlich viel.

Immerhin ist die Vergütung über die Branchen hinweg im vierten Jahr in Folge gestiegen. 2015 verdiente ein Auszubildender in Westdeutschland im Schnitt 832 Euro brutto im Monat. Das waren immerhin 3,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der Anstieg spiegelt die gute Konjunktur wider – aber auch den ausgeprägten Bewerbermarkt. In einigen Ausbildungsberufen wurden die Vergütungen stark angehoben, um die Ausbildungsplätze besetzen zu können. Davon profitierten vor allem zukünftige Bäcker, Restaurantfachmänner, Köche und Systemgastronomen.

Industrie und Handwerk werben um Studienabbrecher

Überhaupt legen sich die Betriebe mächtig ins Zeug, um ihre Stellen zu besetzen. „Sie bieten beispielsweise Auslandsaufenthalte während der Ausbildung an oder geben Nachhilfe im eigenen Unternehmen“, sagt Anke Seifert von der IHK Region Stuttgart. „Die Betriebe versuchen auch neue Bewerbergruppen wie Studienabbrecher für eine Ausbildung zu gewinnen.“ Bei der Handwerkskammer Region Stuttgart positioniert man sich ähnlich selbstbewusst. „Wir haben dem Akademisierungswahn gute Argumente für die duale Ausbildung entgegengesetzt“, sagt Bernd Stockburger, Geschäftsführer berufliche Bildung. „Sie ist praxisorientiert, außerdem findet man danach derzeit einen sicheren Arbeitsplatz. Den hat man nach einem Studium nicht immer.“

Seit Jahren werben Handwerk und Industrie der Region für die duale Ausbildung als Alternative zum Studium, um genügend Fachkräfte zu finden. Laut IHK fehlen allein in der Region Stuttgart bis 2030 rund 74 000 pro Jahr. Dafür können sie jetzt auch eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zitieren – oder zumindest Teile daraus. Denn in einigen Branchen verdienen Facharbeiter besser als Akademiker aus einem anderen Sektor. So erhält eine Fachkraft der Informatik bis zur Rente rund 2,2 Millionen Euro, während ein Akademiker aus der Hotellerie nur 1,3 Millionen Euro bekommt. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass in der gleichen Branche ein Informatiker mit Hochschulabschluss sogar 2,6 Millionen Euro verdient – und die Fachkraft in der Hotellerie nur eine Million Euro.

Bildung zahlt sich aus

„Bildung zahlt sich also generell aus“, sagt Studienleiter Heiko Stüber. Dennoch sollten sich auch Lehrlinge ganz genau anschauen, in welcher Branche sie ihre Ausbildung machen wollen – wenn sie im Berufsleben viel verdienen möchten. Spitzeneinkommen gibt es bei technischen Forschungs-, Entwicklungs- und Konstruktionsberufen, bei Finanzdienstleistungen, Rechnungswesen und Steuerberatung sowie in Mathematik, Biologie-, Chemie- und Physikberufen. Dagegen sind die Verdienste in Reinigungsberufen, der Land-, Tier- und Forstwirtschaft oder der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung mit am geringsten. Stüber warnt junge Menschen allerdings davor, allein die Verdienstmöglichkeiten zur Grundlage ihrer Berufswahl zu machen. „Individuelle Vorlieben und Fähigkeiten sind hinsichtlich der Lebenszufriedenheit oft wichtiger als das spätere Gehalt.“

Das dürfte auch Kadir Caglam so unterschreiben. Der 22-Jährige hat bei der Echterdinger Ralph Alber GmbH sein erstes Lehrjahr als Dachdecker-Azubi hinter sich. Mit Holz und Ziegeln zu arbeiten, die eigene Kraft zu fühlen, hoch oben zu sein – das mache ihm Spaß, sagt er. Zu seinem Ausbildungsplatz ist er auf dem Fußballplatz gekommen, wo ihn sein jetziger Chef Michael Alber trainiert. Ihm habe gefallen, wie Kadir sich beim Spiel eingesetzt habe, sagt Alber. „Mir ist vor allem das Menschliche wichtig“, sagt er, „das Fachliche wächst.“

750 Euro verdient der junge Mann im zweiten Lehrjahr, im dritten werden es rund 1000 Euro sein. Davon zahlt er das eigene Auto, Essen und Unterkunft gibt es zuhause bei den Eltern – Wäsche inklusive. „Mit dem Gehalt komme ich so klar“, sagt Caglam. „Außerdem ist es daheim am bequemsten.“