Für dieses Jahr sind die meisten Ausbildungsstellen bereits besetzt. Foto: dpa

Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt in Baden-Württemberg ist vergleichsweise gut. Weibliche Auszubildende brechen ihre Lehre häufiger ab als junge Männer. Das hat mehrere Gründe.

Stuttgart - Für das Ausbildungsjahr 2016 haben bereits sehr viele Unternehmen ihre Ausbildungsstellen besetzt. „Die Betriebe stellen sich darauf ein, dass der Wettbewerb um gute Auszubildende härter wird“, sagt eine Sprecherin der Arbeitsagentur Stuttgart. Wer noch keinen Ausbildungsplatz hat, sollte keine Zeit mehr verlieren und sich bewerben. Bei der Arbeitsagentur Stuttgart sind noch 3600 offene Ausbildungsstellen für 2016 gelistet. Rein rechnerisch entfallen damit 1,5 freie Stellen auf jeden, bei der Arbeitsagentur als ausbildungssuchend Gemeldeten. 2600 junge Menschen haben bereits eine Ausbildungsplatz für das Lehrjahr, das im Herbst 2016 beginnt.

In Baden-Württemberg sieht die Lage für Auszubildende vergleichsweise gut aus. Hier werden „Ausbildungsverträge im Vergleich zu allen anderen Bundesländern am seltensten vorzeitig gelöst“, sagt Oliver Thoma vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Baden-Württemberg. Nach einer noch unveröffentlichten Studie des IAB wurden 2014 dennoch 21,4 Prozent der Ausbildungsverträge gelöst. Bundesweit wurden 24,6 Prozent aller Verträge aufgelöst. „Ein vorzeitig aufgelöster Ausbildungsvertrag muss nicht bedeuten, dass der junge Mensch endgültig einer Ausbildung den Rücken kehrt. Er kann die Ausbildung auch in einem anderen Betrieb weiterführen oder in einen anderen Ausbildungsberuf wechseln“, erklärt der Autor der Studie, Oliver Thoma.

Frauen wählen nicht immer den Wunschberuf

Frauen brechen ihre Ausbildung öfter ab als Männer – hier liegt die Quote bei 22,8 zu 20,3 Prozent. „Frauen haben oft die besseren Schulnoten. Sie fangen allerdings auch häufiger eine Ausbildung an, welche nicht ihrem Wunschberuf entspricht“, sagt der Arbeitsmarktforscher. Folglich steigen sie auch häufiger aus ihrem Ausbildungsvertrag aus. „Aufgrund ihrer besseren schulischen Leistungen haben Frauen aber auch bessere Chancen, in einem anderen Bereich neu zu starten bzw. ihre nicht befriedigende Ausbildungssituation nachträglich zu korrigieren.“

Vergleicht man Branchen, zeigen sich große Unterschiede. Laut Studie wurden 2014 im Südwesten im öffentlichen Dienst nur 4,3 Prozent der Ausbildungsverträge aufgelöst, in Industrie und Handel waren es 17,9 Prozent, im Handwerk 28,7 Prozent, in der Landwirtschaft 25,1 Prozent und in den freien Berufen 26,6 Prozent. Auch die Schulausbildung spielt eine Rolle. „Je höher der Schulabschluss, desto seltener wird ein Ausbildungsvertrag vorzeitig aufgelöst“, sagt Thoma. Während in Westdeutschland die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge leicht rückläufig ist, ist sie in Baden-Württemberg relativ konstant. „Das liegt unter anderem daran, dass im Südwesten durch die vielen hier ansässigen großen Konzerne auch viele Fachkräfte ausgebildet werden.“

Aktuelle Zahlen von der IHK Region Stuttgart und der Handwerkskammer Region Stuttgart zeigen, dass die Situation für Auszubildende hier besser ist als im Rest des Landes. 2015 führte die IHK 28 001 Auszubildende, davon wurden im selben Jahr 2053 Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst. Die Handwerkskammer führte 10 347 Ausbildungsverträge und meldet für 2015 1370 Abbrüche. In den Handwerksbetrieben der Region ist der Fachkräftemangel bereits spürbar, sagt Bernd Stockburger, Geschäftsführer Berufliche Bildung. Unternehmer seien eher bereit, auch in schwierigen Situationen Zeit und Engagement zu investieren, um Jugendliche im Betrieb zu halten. „Der Wunsch nach einem Ausbildungswechsel oder -abbruch ist oft die Folge von zu wenig oder zu oberflächlicher Berufsorientierung“, so Stockburger. „Aber auch, wenn der Azubi eine schwierige private Situation durchmacht oder im Alltagsgeschäft die Kommunikation zwischen Ausbilder und Lehrling zu kurz kommt, können Konflikte entstehen.“ Der Geschäftsführer weist auf ein neues Projekt der Kammer, in dem ein Mitarbeiter sich „eigens der Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen widmet“.

In der Region Stuttgart setzen nicht zuletzt die Unternehmen aus Industrie, Dienstleistung und Handel engagiert auf die berufliche Ausbildung. IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter: „Angesichts zurückgehender Bewerberzahlen bemühen sich unsere Mitgliedsunternehmen inzwischen noch stärker, ein attraktiver Ausbildungsbetrieb zu sein. Beispiel hierfür ist etwa die Initiative Ausbilderversprechen im Einzelhandel und im Hotel- und Gaststättenbereich, mit der die Betriebe eine Selbstverpflichtung zur Qualität ihrer Ausbildung unterschreiben.“ Wichtig sei vor allem aber auch, dass bei der beruflichen Orientierung den Schülerinnen und Schülern eine bessere Unterstützung angeboten wird. Das gelte besonders für die Gymnasien.