Rund um das Schloss Solitude sollen nach dem Willen des Regionalparlamentes keine Windräder gebaut werden. Foto: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg/dpa

Eine Mehrheit im Stuttgarter Gemeinderat will die Streichung des Standortes nicht akzeptieren. Die Idee, den Regionalverband zu verklagen, ist aber vom Tisch.

Es ist nun doch eher ein leiser Protest als eine scharfe Attacke geworden: Die Stadt Stuttgart hat am Dienstag im Technikausschuss entschieden, den 41 Hektar großen Windkraftstandort „Sandkopf“ nahe des Schlosses Solitude nicht aufzugeben und nochmals an den Verband Region Stuttgart zu appellieren, die Fläche zu ermöglichen. Von einer Klageandrohung will man aber absehen. Hintergrund ist, dass der Regionalverband im April den Standort für bis zu vier Windrädern aus der Planung genommen hat, obwohl die Stadtwerke Stuttgart und ein privater Investor dort schon konkrete Vorarbeiten begonnen hatten.

 

Wie fast immer bei diesem Thema war es die öko-soziale Mehrheit im Stuttgarter Gemeinderat mit Grünen, SPD, Linke und weiteren Stadträten, die Windräder auf der Gemarkung bauen möchten. Die CDU und alle weiteren Fraktionen lehnen den Standort am Sandkopf ab und hielten gar keine Stellungnahme für notwendig.

Nähe zum Schloss Solitude sehen viele kritisch

Für einigen Unmut hatte im April nicht nur in Stuttgart gesorgt, dass der Planungsausschuss des Verbandes Region Stuttgart (VRS) in nicht öffentlicher Sitzung viele Standorte in der Region Stuttgart gestrichen hat, ohne dies für jede Fläche näher zu begründen. Auch im Technikausschuss wurde jetzt der Vorwurf von rein politischen Entscheidungen laut.

Dem Gerücht, die SPD-Regionalfraktion sei damals der SPD-Gemeinderatsfraktion in den Rücken gefallen und habe den Standort an der Solitude abgelehnt, tritt Thomas Leipnitz, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Regionalparlament, aber entschieden entgegen. Zwar sei man nicht glücklich mit Windrädern am denkmalgeschützten Schloss Solitude und habe tatsächlich deshalb gegen einen benachbarten Standort auf Gerlinger Gemarkung gestimmt. Die Fläche an der Solitude sei aber allein mit den Stimmen von CDU, Freien Wählern, FDP und AfD gestrichen worden.

Ein wichtiger Grund für die Ablehnung der Regionalräte dürfte die Nähe zum Schloss Solitude sein. Das Landesamt für Denkmalpflege hatte eine Liste mit 99 „in höchstem Maße raumwirksame Denkmale“ in Baden-Württemberg vorgelegt, die im Umfeld von Windrädern verschont werden sollten. Das Schloss Solitude steht nicht darauf, aber es wird kolportiert, dass es nur vergessen worden sei. Das für die Pressearbeit des Landesdenkmalamtes zuständige Regierungspräsidium Stuttgart reagierte auf eine Anfrage unserer Redaktion nicht.

Viele Beobachter sehen jedenfalls keine Chance mehr für den Standort am sogenannten Sandkopf. Es gebe keine neuen Erkenntnisse und Aspekte, und deshalb sei nicht zu erwarten, dass der Beschluss bei der entscheidenden Abstimmung im Regionalparlament im September anders ausfalle als im April – da ändere auch die Stellungnahme der Stadt nichts. Thomas Leipnitz sagt dazu: „Die Stadt Stuttgart reitet ein totes Pferd.“

Das sieht die Stadt zumindest offiziell anders. In der Stellungnahme, unterschrieben von Umweltbürgermeister Peter Pätzold (Grüne), heißt es: Nur mit dem Sandkopf könne die Stadt ihr Ziel, bis 2035 klimaneutral zu werden, erreichen. Er setzt sich sogar weiter für eine benachbarte Fläche im Tauschwald ein, die schon vor zehn Jahren im Regionalverband durchgefallen war und jetzt gar nicht mehr auf der Liste stand. Die dann bis zu fünf Anlagen an der Solitude könnten Strom für 44 000 Menschen produzieren. Für die Entscheidung des Regionalverbandes lägen keine unüberwindbaren Hürden und „nach meiner Auffassung auch keine abwägungsrelevanten Gründe vor“, schreibt Pätzold. Die Stadt sehe den Standort nach wie vor als geeignet an.

In einem Entwurf der Stellungnahme hat die Stadt für den Fall, dass der Regionalverband es bei der Streichung beließe, angedroht, die Rechtsaufsichtsbehörde einzuschalten. Zunächst hieß es: „Ich möchte ausdrücklich auf das rechtliche Risiko einer erfolgreichen Normenkontrolle hinweisen, wenn dieser Standort ohne zwingende Ausschlusskriterien entfallen würde.“

Am Dienstag ruderte die Stadt nach einer juristischen Prüfung zurück. Selbst im Erfolgsfall könne mit einer Klage nicht erreicht werden, dass der Sandkopf wieder als Vorranggebiet aufgenommen wird, heißt es jetzt. Vielmehr bestehe umgekehrt die Gefahr, dass ein Gericht den gesamten Regionalplan zur Windkraft aufhebe und dann grundsätzlich überall Windräder gebaut werden könnten, was nicht im Interesse der Stadt sei. Dieser Ansicht folgten schließlich, mehr oder weniger zähneknirschend, alle Ausschussmitglieder mit Ausnahme von Christoph Ozasek (Klimaliste) und den beiden Stadträte der Linke-SÖS-Plus-Fraktion.

Wenn es bei der Streichung bleibt, so können trotzdem auf der Stuttgarter Gemarkung neue Windräder gebaut werden, nämlich auf der Bernhardshöhe. Diese Fläche liegt an der A 8 in der Nähe des Autobahnkreuzes Stuttgart. Ein Teilgebiet ist zwar entfallen, weil sonst auf dem angrenzenden Eiermanncampus, der früheren IBM-Zentrale, keine Wohnungen gebaut werden könnten; das wollte auch die Stadt Stuttgart so. Das zweite Teilgebiet ist aber wieder in der Planung drin. Zunächst war befürchtet worden, die untere Wasserbehörde bei der Stadt Stuttgart könne wegen eines Wasserschutzgebietes Bedenken anmelden. Dies ist nun aber nicht der Fall.