Weil das Land die Idee einer Neckarbrücke bei Fellbach begraben hat, planen die Behörden nun an einer anderen vierspurigen Ost-West-Verbindung in der Region Stuttgart. Der Autobahnzubringer Backnang–Mundelsheim soll für fast 57 Millionen Euro zur B 29 werden.
Stuttgart - Bis zum Herbst kann das Land im Berliner Verkehrsministerium anmelden, welche Autobahnen oder Bundesstraßen in Baden-Württemberg in den Jahren von 2015 bis 2030 neu gebaut oder ausgebaut werden sollen. Das Landesverkehrsministerium hat kürzlich seinen ersten Entwurf vorgelegt, den nun Amtsträger und Bürger bewerten dürfen. In Stuttgart auch öffentlich, bei einer Regionalkonferenz am 25. April um 18 Uhr. Der Ort steht laut Ministeriumssprecherin Julia Pieper nicht fest.
Pieper betont gegenüber unserer Zeitung, dass der Entwurf „noch keine Bewertung der Projekte enthält“. Diese will das Land erst nach der Anhörung bis zum Abgabetermin im September treffen. Doch auch jetzt fallen schon einige Positionen mit Bezug zur Region Stuttgart auf. Ähnlich wie 2003 soll wieder ein Großprojekt für die Region aus dem sogenannten Bundesverkehrswegeplan fliegen. In diesem Plan sollten Projekte stehen, wenn Länder auf Geld aus Berlin hoffen. Vor zehn Jahren strich der Bund den Neubau der B 312 von der B 10 zur A 8 am Stuttgarter Lederberg hinauf von der Liste. Seitdem ist von der Idee einer Filderauffahrt nicht mehr viel zu hören. Im aktuellen Entwurf fehlt nun der Nordostring Stuttgart, der Anfang des Jahrtausends noch als vierspurige Straße zwischen Waiblingen und Fellbach, bei Remseck über den Neckar bis zur B 27 bei Kornwestheim geplant war.
Seit dem Antritt der grün-roten Landesregierung vor zwei Jahren darf das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart als Planungsbehörde aber nicht mal mehr an der umstrittenen Neckarbrücke tüfteln. Verkehrsminister Winfried Hermann deutete 2012 an, dass er auch den Nordostring aus dem Bundesverkehrswegeplan verschwinden lassen wolle. Nachdem eine andere Neckarquerung als Landesstraße im Herbst durchs Raster aller Baupläne im Land fiel, kommt es nun auch beim Thema Bundesstraße zum Richtungswechsel.
Backnang kämpft schon lange um Ausbau
Weil klar ist, dass es in Remseck klemmt, wo täglich rund 32.000 Fahrzeuge über die bestehende Neckarbrücke rollen, und weil im Norden des Ballungsraums generell eine leistungsfähige Ost-West-Verbindung fehlt, haben sich die Planer im Regierungspräsidium nun auf eine andere Lösung verlegt. „Es ist die logische Konsequenz aus dem Wegfall des Nordostrings, die L 1115 zur B 29 zu ertüchtigen“, sagt RP-Sprecherin Nadine Hilber.
Der Raum Backnang kämpft schon lange um einen Ausbau des täglich von rund 26.000 Fahrzeugen befahrenen zweispurigen Autobahnzubringers. Tatsächlich planen die Behörden seit fünf Jahren am Ausbau auf drei beziehungsweise vier Spuren, der Bau des sechs Kilometer langen und rund 20 Millionen Euro teuren ersten Teils von Großbottwar (Kreis Ludwigsburg) bis Karlshof bei Aspach (Rems-Murr-Kreis) soll eigentlich dieses Jahr beginnen.
Damit die 15 Kilometer lange Gesamtstrecke ein Teil der B 29 werden kann, soll diese von Waiblingen bis Backnang zusammen mit der B 14 geführt werden. Diese ist aber auch erst bis Nellmersbach vierspurig, bis Backnang fehlen 7,5 Kilometer, die in der Liste mit 162,4 Millionen Euro aufgeführt sind. Zumindest der Abschnitt bis Waldrems ist fertig geplant und könnte gebaut werden – wenn Geld aus Berlin kommt.
Was für RP-Sprecherin Hilber unterm Strich eine „Ost-West-Achse zur A 81“ werden könnte, ist für die Regionalversammlung alles andere als ausreichend. Die große Mehrheit von CDU, Freien Wählern und FDP steht zum Nordostring, der im nach wie vor aktuellen Regionalverkehrsplan von 2001 „höchste Dringlichkeit“ genießt und dort mit 150 Millionen Euro veranschlagt ist. „Für uns ist klar, dass die drei bürgerlichen Fraktionen auch bei der Fortschreibung weiter auf einer leistungsfähigen Neckarquerung bei Remseck bestehen werden“, sagte zuletzt etwa der Fraktionschef der Freien Wähler und Waiblinger OB, Andreas Hesky.
Ausbau „höchst dringlich“
Thomas Kiwitt, Planungsdirektor beim Verband Region Stuttgart, sieht das ebenso: „Wir gehen von der Notwendigkeit des Nordostrings aus und haben dies auch mit Zahlen belegt.“ Aktuell hat der Verband laut Kiwitt ein „sehr innovatives, neues Verkehrsmodell“ angeschafft, mit dem sich auch die Wirkung einer neuen Straße auf das gesamte Netz betrachten lasse. Im Mai soll die Regionalversammlung darüber diskutieren, wie der neue Regionalverkehrsplan angelegt werden soll, sagt Kiwitt und stellt klar: „Das Thema Nordostring wird dabei hohe Priorität haben.“ Ob die Position der Region aber bis September feststeht, kann Kiwitt nicht voraussagen. Der Ausbau des Autobahnzubringers bei Backnang ist für die Region ebenfalls „höchst dringlich“.
Gestrichen hat das Land außer dem Nordostring die Idee einer B 465 von Schorndorf nach Göppingen über den Schurwald, die Ortsumfahrungen Donzdorf und Böhmenkirch (beide B 466 im Kreis Göppingen) sowie den Ausbau der B 10 zwischen Illingen und Vaihingen-Enzweihingen. Die Verkehrsbelastung ist laut Julia Pieper vom Verkehrsministerium jeweils nicht groß genug, um einen Ausbau zu rechtfertigen.
Überraschend erscheint, dass das grün-geführte Ministerium erstmals den Ausbau der A 81 zwischen Pleidelsheim und Stuttgart-Zuffenhausen von sechs auf acht Spuren ins Auge fasst. Pieper begründet das mit der „sehr hohen Verkehrsbelastung“ von rund 122 000 Fahrzeugen täglich in diesem Bereich: „Die Hauptachsen des Straßennetzes sollen gestärkt werden.“ Das Bundesministerium muss die Vorschläge des Landes aber nicht berücksichtigen. Theoretisch könnte Berlin auch weiterhin auf den Nordostring setzen – wahrscheinlich ist das aber nicht, wenn das Land nicht dahintersteht.