Am Dienstag hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan damit gedroht, vermehrt IS-Anhänger nach Europa zu schicken. Foto: dpa

Der türkische Präsident Erdogan hat die Rückführung deutscher mutmaßlicher IS-Mitglieder angekündigt. Nun soll erstmal eine Familie kommen, die dem salafistischen Milieu zugerechnet wird. Voraussichtlich bleibt sie aber erstmal auf freiem Fuß.

Istanbul - Die Türkei schiebt eine siebenköpfige Familie aus dem salafistischen Milieu nach Deutschland ab. Sie sollte am Donnerstag in Berlin ankommen. Haftbefehle wegen islamistischer Umtriebe liegen gegen die Familienmitglieder nicht vor. Allerdings droht dem Vater womöglich wegen anderer krimineller Machenschaften Strafverfolgung.

Familie B. kommt aus dem niedersächsischen Hildesheim, unklar ist jedoch, ob sie dorthin zurückkehrt. Ursprünglich stammt sie aus dem Irak. Bis auf den Vater haben alle Familienmitglieder die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Familie war Ende Januar von Deutschland in die Türkei gereist und nach zwei Monaten in der Stadt Samsun festgenommen worden. In türkischer Abschiebehaft wurde eines der Kinder geboren. Den Grund für die Inhaftierung haben die türkischen Behörden nicht mitgeteilt.

Die Türkei hatte die Abschiebung mehrerer deutscher mutmaßlicher Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in dieser Woche angekündigt. Über einen möglichen Aufenthalt der Familie B. im ehemals vom IS kontrolliertem Gebiet im Irak oder Syrien ist jedoch nichts bekannt. Am Donnerstag will die US-Regierung in Washington mit ihren Verbündeten der Anti-IS-Koalition auch über den weiteren Kampf gegen die Terrormiliz beraten.

737 ausländische Staatsbürger in Haft

Die Türkei war am 9. Oktober in Nordsyrien einmarschiert und geht dort gegen die Kurdenmiliz YPG vor, die sie als Terrororganisation betrachtet. Dabei wurden nach offiziellen Angaben 287 IS-Anhänger festgenommen, darunter Frauen und Kinder. Nach Angaben Erdogans sitzen mehr als 1000 Anhänger des IS in türkischen Gefängnissen, darunter 737 ausländische Staatsbürger.

Der IS hat seine einstigen Herrschaftsgebiete im Irak und in Syrien verloren und gilt militärisch als besiegt. Nach einem Bericht der US-geführten Anti-IS-Koalition vom Juni halten sich in dem Gebiet aber noch zwischen 14 000 und 18 000 IS-Anhänger auf, darunter 3000 Ausländer.

Der Einmarsch der Türkei in Nordsyrien soll auch auf dem Treffen der Anti-IS-Koalition besprochen werden. Aus dem US-Außenministerium hieß es, die Rückführung ausländischer IS-Kämpfer, die von den von der YPG geführten Syrischen Demokratischen Kräften SDF in Syrien gefangen gehalten werden, gehe nur langsam voran. Besonders gelte das für Hunderte gefangener IS-Kämpfer aus west- und zentraleuropäischen Staaten. In Europa hätten bislang nur Bosnien, das Kosovo und Italien Kämpfer zurückgenommen.

Erdogan droht mit Abschiebungen

Der türkische Innenminister Süleyman Soylu hatte die Heimatländer mutmaßlicher IS-Anhänger am Mittwoch dazu aufgefordert, ihre Staatsbürger zurückzunehmen. „Wenn wir alle zusammen den Terror bekämpfen wollen, dann - nichts für ungut - muss sich jeder seiner Terroristen annehmen“, sagte Soylu. Die Türkei will auch elf mutmaßliche IS-Anhänger aus Frankreich abschieben, hatte dazu aber keinen Zeitplan genannt. Am Dienstag hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan damit gedroht, vermehrt IS-Anhänger nach Europa zu schicken.

Zwei Ehefrauen von IS-Kämpfern werden am Freitag in Deutschland erwartet. Sie waren aus dem IS-Gefangenenlager im nordsyrischen Ain Issa geflohen. Mittelfristig plant die Türkei auch die Abschiebung zwei deutscher Konvertitinnen, die ebenfalls aus diesem Lager in Nordsyrien hatten fliehen können. Zuvor soll sichergestellt werden, dass die Kinder, die bei ihnen sind, tatsächlich ihre eigenen Kinder - und damit deutsche Staatsbürger - sind.

Die SDF bewachen in Nordsyrien immer noch Tausende IS-Gefangene. Nach Angaben pro-kurdischer Medienaktivisten sagte auf Anfrage, die SDF hätten trotz des türkischen Einmarsches noch die Kontrolle über alle IS-Gefangenenlager, mit Ausnahme von Ain Issa.