„Das Feld ist bei uns absolut bestellt – auch in puncto Wahlkampf“, sagt Philipp Franke, Noch-Kreisvorsitzender der Grünen. Foto: Frank Eppler

Noch vor kurzem galt der Parteichef Philipp Franke als angehender Stadtrat. Jetzt kündigte er unerwartet an, dass er zum 12. Januar nach fünf Jahren als Kreisvorsitzender aufhört.

Stuttgart - Viereinhalb Monate vor den Wahlen zum Gemeinderat, zum Regionalparlament und zum Europaparlament müssen die Stuttgarter Grünen ein überraschendes Personalproblem diskutieren. Philipp Franke kündigte unerwartet an, dass er zum 12. Januar nach fünf Jahren als Kreisvorsitzender aufhört. Heute Abend wird der Kreisvorstand beraten, ob der Posten noch vor der turnusmäßig geplanten Neuwahl im Juni neu besetzt werden soll oder nicht.

Frankes Vorgehen löste bei manchen in der Partei wie Peter Pätzold, Fraktionschef im Gemeinderat, Kritik aus. Denn so kurz vor der Wahl schmeißt man als Parteifunktionär den Bettel nicht hin. Pätzold formulierte das aber feiner: Er hätte sich einen anderen Zeitpunkt gewünscht, sagte er.

Gegen die Erklärung des Juristen Franke, dass er aus persönlichen und familiären Gründen kürzertreten wolle, kann man zunächst schwerlich was sagen. Denn Franke und seine Frau, die Stadträtin Tabea Schilling, haben vier kleine Kinder. Im Staatsministerium arbeitet Franke in Vollzeit in der Abteilung, die sich um das teilweise landeseigene Unternehmen Energieversorgung Baden-Württemberg kümmert. Dazu kam der Aufwand für das Parteiamt, „um die 30 Wochenstunden“.

Reizvolle Stelle in Brüssel freigeworden

Und dennoch ist man im Kreisverband irritiert, denn bis vor kurzem sei noch eine Kandidatur Frankes für den Gemeinderat möglich gewesen. Erst vor Weihnachten, als der Feinschliff am Entwurf der Kandidatenliste stattfand, erklärte Franke das Thema für erledigt. Inzwischen weiß man auch, dass Tabea Schilling nicht wieder kandidiert. In der Partei vermuten manche, dass Franke eine neue Karriereplanung verfolgt. In der Landesvertretung in Brüssel wurde Anfang Dezember eine reizvolle Stelle frei. Nicole Schelling, die dort das Europareferat unter sich hatte und stellvertretende Leiterin der Vertretung war, wurde zur neuen Direktorin des Verbands Region Stuttgart gewählt.

Interesse an dem Brüsseler Job hat Franke bisher zwar nicht erkennen lassen, die Gründe, die er für seinen Rückzug nannte, schließen einen Umzug nach Belgien aber auch nicht aus, sofern dort die Familie zu ihrem Recht kommen kann. Monatelang habe er manchmal Frau und Kinder kaum gesehen, sagte Franke über die vergangenen Jahre. Die Stunden, die er tagsüber für die Partei tätig war, mussten im Staatsministerium nachgeholt werden. In den nächsten Jahren wollten seine Frau und er sich mehr der Familie und dem Beruf widmen.

Sauer sei wegen seines Rückzugs bei den Grünen niemand, meint Franke, auch die Co-Vorsitzende Petra Rühle nicht. Sie hat zwar auch erst am Dienstag, einige Stunden vor einer Parteisitzung und vor dem Versenden von Frankes Pressemitteilung, vom Rücktrittsentschluss erfahren. Aber er habe Rühle schon früher in seine Überlegungen eingeweiht, sagt Franke. Und überhaupt: „Im Kreisverband ist das Feld absolut bestellt – auch in puncto Wahlkampf“, sagt Franke. Seinen Rückzug fast fünf Monate vor dem Wahltag könne die Partei daher gut verkraften.