Die Glocke galt immer als gute gastronomische Adresse. Foto: Oliver von Schaewen

Wirtspaar Andreas und Marion Glock muss das Traditionslokal in Marbach aufgeben.

Marbach - Prominente wie Karlheinz Böhm oder Schauspielerkollege Christian Quadflieg speisten schon in der Glocke mitten im Marbacher Zentrum. In der Stadt galten der Rehrücken und andere Wildspezialitäten als kulinarische Höhepunkte. Damit ist nun aber Schluss. Die Wirtsleute Andreas und Marion Glock steigen aus dem Pachtverhältnis aus.

Eine gehörige Portion Wehmut schwingt mit, als Andreas Glock an die Anfänge erinnert. „Mein Vater hat die Gaststätte vor 46 Jahren gegründet – meine Frau und ich betreiben sie seit zwölf Jahren.“ Gerne hätte er das Lokal weiterbetrieben. Doch der Erwerb des Hauses durch eine Erbengemeinschaft im Rahmen einer Zwangsversteigerung machte den Wirtsleuten einen Strich durch die Rechnung. Man sei nicht übereingekommen. Jetzt müsse man den Gästen mitteilen, warum man aufhöre. Und da viele denken könnten, es hänge mit der Corona-Pandemie zusammen, wolle man informieren, das dem nicht so sei. Das Ehepaar zieht nun in die Nähe von Rothenburg ob der Tauber. Mit Marbach werde man aber verbunden bleiben. Zwei Gästehäuser in der Altstadt wollen die Glocks weiterbetreiben.

Dem Lokal ist die persönliche Handschrift der Familientradition anzusehen. Überall hängen Uhren. So wie Schillers Glocke auch als Zeitmesser fungierte, entwickelte Andreas Glocks Vater Ernst einen Faible dafür, sogenannte Wandregulatoren in seinem Lokal auszustellen. Insgesamt 114 der urigen Uhren schmücken die Räume des Lokals mit seinen 80 Plätzen. Und auch die Tierwelt ist zahlreich vertreten. Ein Reh schaut den Gast an, wenn er aus der oberen Etage in Richtung Jagdzimmer mit seinen 37 Sitzplätzen hinabsteigt. „Wir sind selbst Jäger“, erklärt Andreas Glock. Zahlreiche präparierte Tiere ziehen die Blicke auf sich. Sogar ein Wolf pirscht hinter einer Vitrine im Jagdzimmer durch eine kleine Naturlandschaft. „Er stammt aber nicht von hier, sondern aus Bulgarien“, erklärt Andreas Glock schmunzelnd, denn sein Vater Ernst habe sich immer einen Spaß daraus gemacht, Gästen zunächst zu erzählen, dass er das Tier in heimischen Landen erlegt habe.

Was aus all den Gegenständen im Lokal wird, wissen Andreas Glock und seine Frau Marion nicht. „Das ist jetzt das Eigentum der neuen Hausbesitzer“, erzählt Andreas Glock. Ob von dieser Seite ein Interesse bestehe, wieder einen Wirt zu finden, der auch das Ambiente übernimmt, könne er nicht sagen. Die Eigentümer lehnten eine Stellungnahme auf Anfrage dieser Zeitung ab.

Für Andreas und Marion Glock bleibt die Erinnerung an eine schöne Zeit. „Die Gäste sind immer wieder gerne zu uns gekommen“, sagt die Wirtin. Erst am vergangenen Sonntag sei extra ein Mann mit dem Rad aus Plochingen ins Restaurant gekommen. „Er hatte gehört, dass wir nicht mehr lange geöffnet haben und hat noch einmal Rehbraten mit Kartoffelsalat bestellt.“ Zu den Wiederholungstätern in Sachen Wildverzehr zählten auch Wandergruppen des Schwäbischen Albvereins, die meistens am Donnerstag kamen. „Es gibt wohl kaum eine Ortsgruppe zwischen hier und dem Bodensee, die noch nicht bei uns war“, sagt Andreas Glock. Dass heimisches Wild auf dem Teller sogar amtliche Unterstützung nach sich zieht, erlebten die Glocks, als das Landratsamt Ludwigsburg sie für die Erzeugnisse aus heimischer Jagd ausgezeichnet habe.

Skurrile Momente bleiben im Betrieb einer Gastwirtschaft nicht aus. Und so erinnert sich Tochter Jessica an eine Reisegruppe aus Japan, die offenbar Probleme mit einer Soße hatte und sie unter der Tischdecke verschwinden ließ. Es war ein Moment, der sie kurzzeitig daran zweifeln ließ, dass der Gast immer recht hat, wie es in der Gastroszene heißt.

Sollte sich ein engagierter Wirt finden, der das Lokal mit dem Schwerpunkt auf Wildspezialitäten weiterführen könnte, wäre Andreas und Marion Glock nicht bange, dass er beim Marbacher Publikum Anklang findet. „Unter den Stammgästen waren nicht nur Ältere – wir haben zwischenzeitlich bemerkt, dass auch viele Jüngere nachgerückt sind“, sagt Marion Glock. Erfolg habe man auch durch das Familiäre im Umgang gehabt.