Frieder Maier: Er ist in der Region mit der Sammlerecke in Esslingen der einzige Fachhändler für Comics. Foto: dpa

30 Titel gibt es umsonst – In Stuttgart gibt es keinen Fachhändler für Bildergeschichten mehr.

Stuttgart - Da frohlockt der Schwabe: Am Samstag verschenken die Verlage Comics. Die Branche will damit auf sich aufmerksam machen. Das tut not. In Stuttgart gibt es keinen Fachhändler für Comics mehr, in der Region mit der Sammlerecke in Esslingen nur noch einen.

Es ist ja nicht so, dass es in dieser Stadt eine Bildstörung gebe. Im Gegenteil. Stuttgart mag das Gezeichnete, gerade wieder zu erleben beim Trickfilm-Festival, das sich mittlerweile zum Branchentreff schlechthin entwickelt hat. Und nicht nur Zeichner und Animationskünstler aus der ganzen Welt kommen hierher, auch das hiesige Publikum schätzt die Filme, strömt in die Säle oder schaut auf der Leinwand auf dem Schlossplatz. Und mit Panini sowie Zwerchfell in Stuttgart und Cross Cult in Ludwigsburg haben drei der rührigsten Comicverlage ihren Sitz in der Region. Und wie zahlreiche andere Verlage auch verschenken sie am Samstag beim dritten Gratis-Comic-Tag ausgewählte Hefte. Allein, in ihrer Heimat müssen Neugierige schon lange suchen, um an die Hefte heranzukommen. Die Region Stuttgart ist mittlerweile ein weißer Fleck auf der Comiclandkarte.

„Der Verkauf von Comics lohnt sich nicht“

An Kiosken gibt es Micky Maus, Superman, Batman & Co., Läden für Computerspiele verkaufen noch Superhelden- und Fantasyhefte, Buchläden ergänzen ihr Sortiment mit einigen Bildergeschichten, aber einen Fachhandel gibt es in Stuttgart nicht mehr. Heinzelmännchen in der Gloria-Passage hat schon vor Jahren aufgegeben, Karstadt hat seinen Ableger im Erdgeschoss „World of Comics“ kürzlich geschlossen. „Der Verkauf von Comics lohnt sich nicht“, lautet die Begründung.

Komischerweise lohnt er sich in anderen Großstädten noch. „Anderswo gibt es zwei, drei oder vier Comicläden, die sehr gut laufen“, sagt Max Müller, Verlagsleiter bei Panini, „nur in Stuttgart funktioniert das nicht, das ist schon komisch.“ Eine Erklärung dafür fällt ihm schwer. Auch Kollege Andreas Mergenthaler von Cross Cult rätselt, „warum ausgerechnet in Stuttgart der Fachhandel nicht funktioniert“. Die Filmakademie hat er vor der Haustür, das Trickfilm-Festival hat sich etabliert, die Löhne sind ordentlich, Comics sind nicht mehr in der Schmuddelecke. Und doch ist Frieder Maier mit seiner Sammlerecke in Esslingen die einzige Anlaufstelle in der Region für Comicfans, die das Genre in seiner ganzen Vielfalt erleben möchten.

„Der Fachhandel stirbt“, sagt Maier. „Nur wer auch auf den Versandhandel setzt, ist erfolgreich.“ Wie bei Dieters Comic Shop in Liebersbronn. Auch Maier macht einen Großteil seines Umsatzes mit Versandhandel. „Mit einem stationären Laden können sie die Vielfalt des Angebots nicht abbilden, reine Verkaufsstellen sterben weg.“

Buchhaus Wittwer ist der einzige Laden in Stuttgart, der mitmacht

Gleichwohl kann man bei ihm noch stöbern, zumal er in Esslingen jetzt einen Platz für gebrauchte Comics frei räumt. Und selbstverständlich macht er beim Gratis-Comic-Tag mit. Von 10 bis 16 Uhr sind bei ihm die 30 Comics zu bekommen, bis zu sechs Titel darf man mitnehmen. Und die reichen von Micky Maus bis zu den Superhelden wie der Gerechtigkeitsliga und Spiderman. Vom Manga bis zum Comic über den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan. Vom Mafia-Comic „Cosa Nostra“ bis zu „The Walking Dead“ von Cross Cult. Die Zombie-Serie wurde übrigens verfilmt, und die Untoten marschieren ausgerechnet am Wochenende ins deutsche Fernsehen. RTL 2 zeigt die Serie. Wer mag, kann sich am Samstag umsonst die Vorlage besorgen.

Auch beim Buchhaus Wittwer in der Königstraße. Das ist der einzige Laden in Stuttgart, der mitmacht. Dort gibt’s auch wie natürlich in Esslingen einen lupenreinen Stuttgarter Comic: „Zuckerfisch on the rocks“. Gezeichnet von Naomi Fearn, einer Stuttgarterin, mittlerweile aber im Berliner Exil lebend. Der Comic erscheint regelmäßig in der „Stuttgarter Zeitung“, bald kommt bei Zwerchfell der siebte Band heraus. Gratis gibt’s schon mal ein Versucherle. Sozusagen das beste aus elf Jahren „Zuckerfisch“.

„Davon konnte ich gut leben“

Sie ist eine der bekanntesten Zeichnerinnen des Landes. Leben allerdings kann sie auch nicht von ihren Comics. „Das sind eine Handvoll Leute in Deutschland, die nebenher nichts anderes machen müssen.“ Sie selbst hat in den vergangenen Jahren die Jugendbuchreihe „Das Tigerteam“ illustriert. „Davon konnte ich gut leben“, sagt sie. Doch jetzt muss sie sich einen neuen Brotjob suchen. Dabei hilft auch der Gratis-Comic-Tag. „Das ist eine prima Aktion“, sagt sie, „es hilft Comics bekannter zu machen, die Bandbreite ist groß, und es zeigt, was sich alles mit Comics ausdrücken lässt.“ Bei ihren Signierstunden falle ihr auf, dass sich gerade Mädchen immer stärker für Bildergeschichten interessieren und selbst gerne zeichnen. „Die bringen ihre Mappen mit und wollen mein Urteil hören.“

Tanya Roberts ist schon weiter. Die Schottin zeichnet die „Star Wars“-Comics. Die mit einer Auflage von 150 000 bald an die Micky Maus heranreichen. Sie ist am Samstag in der Sammlerecke. Und beim Wittwer zeigt Sarah Meyer, wie man Mangas zeichnet. Zudem schleicht der Tod aus der Cartoonreihe „Nichtlustig“ durch das Haus. Fast schon sinnbildlich für die Lage des Fachhandels in der Region.

www.gratiscomictag.de