Der Richter hält den Angeklagten für den Täter: Nicht nur sein Stiefvater, auch die Mutter hat auf dem Foto der Überwachungskamera des Supermarkts ihren Sohn erkannt. Foto: dpa

Die Kassiererin, die im Jahr 2009 überfallen worden ist, identifiziert den Angeklagten als Täter – und der Richter hält die Indizien für gravierend.

Böblingen - Die Kassiererin erkannte ihn sofort wieder: Am 2. Februar 2009 soll der Angeklagte einen Supermarkt in Böblingen überfallen haben. Mit einem Messer bedrohte er die Frau damals und stahl mehrere hundert Euro aus der Kasse. „Die Augen vergisst man nicht“, sagte sie nun als Zeugin am Böblinger Amtsgericht, „auch nicht nach acht Jahren.“ Der 30-Jährige war wegen des Überfalls erst im vergangenen Februar von seinem Stiefvater angezeigt worden. Ein von der Polizei veröffentlichtes Täterfoto hatte bei dem 62-Jährigen schon gleich nach der Tat den Verdacht geweckt. Doch erst ein Streit mit seinem Stiefsohn trieb ihn zur Polizei. Am Mittwoch verurteilte der Richter den Angeklagten zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. „Es sind gravierende Indizien“, sagte er.

Der letzte Kunde zückt ein Messer

Um 22 Uhr war der unmaskierte Räuber mit einer Dose Sprühsahne in der Hand an die Kasse geschlendert. „Er war der letzte Kunde“, berichtete die Kassiererin. Er habe ihr das Messer gegen die Brust gehalten. Fast ein halbes Jahr lang war die damals 21-Jährige danach in Psychotherapie. Die Tat hat sie traumatisiert. Auch bei ihrer Aussage habe sie „am ganzen Leib wie Espenlaub gezittert“, beschrieb der Richter seine Beobachtung. Die eng beieinander liegenden Augen des Angeklagten waren für sie das Wiedererkennungsmerkmal. Kürzere Haare habe der Täter mittlerweile und an Gewicht zugenommen, ergänzte die Zeugin.

„Es tut mir leid, was der Frau angetan wurde, aber ich war es einfach nicht“, sagte der Angeklagte. Damit hätte er womöglich Erfolg gehabt, räumte der Richter ein – wenn die Kassiererin nicht so authentisch und glaubhaft gewesen wäre. Denn am ersten Verhandlungstag wollte sich der Stiefvater nicht mehr an die detaillierten Anschuldigungen erinnern, die er bei der Polizei zu Protokoll gegeben hatte. Der junge Mann soll unter anderem gleich nach der Tat seine Haare geschnitten und den Bart rasiert haben. Er betonte vielmehr, dass er die Anzeige aus Wut gemacht habe.

Der Anwalt plädiert auf Freispruch

Die Beweissituation sei wegen der Streitigkeiten in der Familie schwierig gewesen, befand der Staatsanwalt. Er beantragte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. „Man geht nur zur Polizei, wenn man sich sicher ist“, sagte er. Und die Kassiererin habe auch keine Sekunde gezögert und ihn als Täter identifiziert. Der Anwalt plädierte auf Freispruch. Er hatte befürchtet, dass die Frau mangels Alternativen seinen Mandanten der Tat bezichtigt. Dabei habe sie vor acht Jahren die Augen des Räubers als hellgrau beschrieben, die Augen des 30-Jährigen seien aber blau. Ein Motiv konnte er mangels Schulden bei seinem Mandanten nicht erkennen.

„Es war ein spannender, außergewöhnlicher Fall“, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung. In der Gesamtschau bestehen für ihn keine Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten. Schließlich hätte neben dem Stiefvater und einem Bekannten sogar die Mutter den 30-Jährigen vor acht Jahren auf dem Beweisfoto erkannt. Eine Anthropologin hielt eine Übereinstimmung der Identität für möglich bis wahrscheinlich. Weil er nicht vorbestraft ist und der Überfall lange zurück liegt, verhängte er eine Bewährungsstrafe. „Er macht eigentlich einen vernünftigen Eindruck“, sagte der Richter.