Topmeldung in Japan: 23 Jahre nach dem Anschlag ist Shoko Asahara hingerichtet worden Foto: AP

Er war Drahtzieher des ersten Giftgasanschlags weltweit. Nun ist der Gründer der Aum-Sekte, Shoko Asahara, hingerichtet worden.

Tokio - Erste Anzeichen hatte es bereits vor einigen Monaten gegeben, als mehrere zum Tode Verurteilte in die gleiche Haftanstalt verlegt wurden. Trotzdem war die Nachricht von der Hinrichtung von sieben Mitgliedern der Sekte Aum Shinrikyō am Freitagmorgen in Japan eine Sensation.

Vor 23 Jahren hatten diese einen Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn verübt. Die Endzeit-Terroristen hatten während der Rushhour zugeschlagen. Am 20. März 1995 kurz nach acht Uhr morgens durchstachen sie in fünf Waggons mit Schirmspitzen Plastikbeutel gefüllt mit Sarin und flohen. Die Bilanz: 13 Tote, 50 Schwerverletzte und über 6000 Leichtverletzte.

Zur Überraschung vieler war unter den Exekutierten auch der Kopf der Sekte, Shoko Asahara – ein Mann, der mit seinem Charisma und seiner Philosophie vom Weltuntergang Tausende von Menschen in seinen Bann gezogen hatte und dessen Motive bis heute nicht geklärt sind. Asahara hatte Aum Shinrikyō 1984 als Yoga-Schule gegründet und verbreitete eine pseudoreligiöse Lehre. Viele seiner Anhänger hatten Abschlüsse von renommierten japanischen Universitäten. Sie sollen ihm hörig gewesen sein – auch nach seiner Verhaftung und Verurteilung zum Tode.

Sechs weitere Aum-Mitglieder hingerichtet

Neben dem 63-jährigen Guru, der mit bürgerlichem Namen Chizuo Matsumoto hieß, wurden sechs weitere Aum-Mitglieder hingerichtet: Tomomasa Nakagawa (55), Kiyohide Hayakawa (68), Yoshihiro Inoue (48), Masami Tsuchiya (53), Seiichi Endo (58) und Tomomitsu Niimi (54). Damit verbleiben noch sechs Mitglieder der Sekte im Todestrakt. Ihnen werden Verbrechen zur Last gelegt, die zum Tod von 29 Menschen geführten, darunter auch ein weiteres Saringas-Attentat im Jahr 1994 in der Stadt Matsumoto. Insgesamt wurden mehr als 190 Sektenmitglieder verurteilt – wegen Mord, versuchtem Mord, Entführung, der Produktion tödlicher Chemikalien und Waffenbesitz. Doch weder die Motive noch die Schuldfrage sind bis heute eindeutig geklärt. Die japanische Justizministerin Yoko Kamikawa bestätigte am Freitag zwar die Hinrichtung der sieben Männer, gab jedoch kaum Details bekannt. Stattdessen wies sie Nachfragen zurück, etwa über die Wahl des Zeitpunkts oder warum man sich gerade für diese sieben Häftlinge entschieden habe. Sie könne individuelle Fälle nicht kommentieren, erklärte sie, weil dies den „Seelenfrieden“ der im Todestrakt Verbliebenen stören könne. Als Begründung nannte sie lediglich den „Schmerz und das Leiden der Opfer und ihrer Familien“.

Anschlagsopfer leiden unter den Nachwirkungen

Noch heute leidet weit über die Hälfte der Opfer an Nachwirkungen wie Sehstörungen, Erschöpfung, Schwindel, Kopfschmerzen und dem posttraumatischen Belastungssyndrom. Einer der führenden japanischen Notfallmediziner, Shinichi Ishimatsu vom St.-Luke-Krankenhaus in Tokio, das unmittelbar nach dem Anschlag die meisten Opfer behandelte, sagt, dass niemand den Überblick habe, wie viele Patienten welche Probleme hätten, weil es keine übergreifende Datenbank gebe. Er fordert eine bessere Aufklärung der Öffentlichkeit sowie eine Untersuchung der Langzeitfolgen durch den japanischen Staat.

Die japanische Öffentlichkeit hat gespalten auf die Hinrichtung reagiert: „Sie verdienen die Hinrichtung. Ich denke, sie hätten schon viel früher gehängt werden sollen“, sagte ein 84-Jähriger der Zeitung „Japan Times“. Eine andere Passantin erklärte: „Ich mache mir Sorgen, dass Asaharas verbliebene Anhänger etwas Schreckliches tun könnten.“ Denn die Sekte hatte sich später in zwei Gruppen – Aleph und Hikari no Wa – aufgespalten, die noch heute aktiv sind und deren Aktivitäten von den Behörden genau beobachtet werden.

Kritiker der Todesstrafe bemängeln, dass Asahara geistig umnachtet war, so dass seine Todesstrafe gar nicht hätte vollstreckt werden dürfen. Der Guru hatte sich seit 2008 geweigert, seine Zelle zu verlassen und wollte weder seine Anwälte noch seine Familie – er hat mehrere Kinder – sprechen. Von Gesetzes wegen dürfte in Japan jemand, der nicht zurechnungsfähig ist, nicht verurteilt werden. Asahara soll behauptet haben, dass der Weltuntergang unumgänglich sei, und rechtfertigte laut Gerichtsunterlagen die Morde an bestimmten Personen damit, dass diese nun ihre Seelen zum Himmel schicken würden.