Die Besucher strömten am Samstag in die Messehallen. Foto: Andreas Rosar

Die große Classicbid-Versteigerung auf der Automesse Retro Classics ist ein echter Publikumsmagnet. Am Samstag kamen wieder um die 50 Fahrzeuge sowie Zubehör und Devotionalien unter den Hammer.

Stuttgart - Eberhard Haag reckt die Siegerfaust, und das, obwohl sich sein Kontostand soeben um 400 Euro verringert hat. Der Hammer hat sich gesenkt, er hat den Zuschlag erhalten, und das, obwohl eine Frau aus der zweiten Reihe mit ihrer Bieterkarte gefuchtelt hatte und ihn fast versehentlich ausgebootet hätte. Der Mann aus Stuttgart-Ost hat eine schicke Wanduhr ersteigert, genauer gesagt eine Tag Heuer Calibre in Schwarz. Ein Liebhaberstück. „Für mein Zimmer“, sagt Eberhard Haag über den Spontankauf. Er grinst breit. „Eine Uhr ist billiger.“

50 Autos kommen unter den Hammer

Ja, es hätte weitaus kostspieliger kommen können, denn bei der Classicbid-Versteigerung am Samstag auf der Automesse Retro Classics war noch ganz anderes im Angebot. Ausgerichtet wurde die im vierten Jahr von der Auktion & Markt AG. Um die 70 Old- und Youngtimer hatte das Unternehmen in der Halle 4 ausgestellt, 50 davon kamen unter den Hammer, zudem Zubehör und Devotionalien. „Manche sind über den Preis besonders, andere über die Optik, die Historie oder die Seltenheit“, erklärte Gregor Deninger. Die ältesten Mobile stammten aus den 50ern, aber auch Neues, etwa ein Mercedes CL 500 aus dem Jahr 2000, war im Angebot. Preislich war die Spanne ebenso weit. Mit einem Ausrufpreis von 5000 Euro war ein 28 Jahre alter Golf Country auf Basis des 2er-Golfs geradezu ein Schnäppchen gegen den Porsche 356 Pre A 1500 Speedster – die Nummer 166 von nur 200 Vorserienfahrzeugen –, der mindestens 370.000 Euro einbringen sollte.

Aber: Auktionen sind unberechenbar, und das macht sie unterhaltsam. Während der Golf Country, „der Urahn des modernen SUV“, wie der Auktionator Peter Kusch es formulierte, am Schluss für 6700 Euro wegging, kam für den roten Super-Porsche von 1955 gar kein Gebot. Wohl auch wegen solcher Überraschungen ist die Veranstaltung ein Publikumsmagnet. Massig Schaulustige traten sich gegenseitig auf die Füße, belohnt wurde sie mit echten Krimis.

„Da kriegsch die Krise“

So lieferten sich um einen Mercedes-Benz 280 SLC, einen 70er-Jahre-Traum in Beige-Metallic und mit grünen Velourssitzen, gleich mehrere online zugeschaltete Interessenten eine regelrechte Bieterschlacht und trieben so den Startpreis von 7000 Euro in null Komma nichts auf 9500 Euro – sehr zur Erheiterung des Publikums. „Da kriegsch die Krise“, entfuhr es einem lachenden Senior. „Das ist gut für den Adrenalinspiegel“, hatte der Auktionator Oliver Wimmers zuvor prophezeit. Und er hatte angekündigt: „Erfahrungsgemäß passieren ganz verrückte Dinge.“ So jubelten etwa mehrere Bieter im Saal eine Carrera-Bahn in Originalverpackung von 250 auf 550 Euro hoch.

Der teuerste Wagen des Tages könnte ein Mercedes-Benz 190 E Evolution I werden. Der Ausrufpreis hatte bei 85.000 Euro gelegen, unter Vorbehalt war er für 68.000 Euro weggegangen. Nur wird aber noch geklärt werden müssen, ob der Besitzer den Preis akzeptiert. Tatsächlich gilt bei Versteigerungen: je teurer, desto anonymer. Jürgen Zanetti etwa war für einen prominenten Unternehmer aus dem Allgäu angereist, um in dessen Auftrag zu bieten. Der interessiere sich für „verschiedene Fahrzeuge. Porsche, Mercedes“, sagt er vielsagend. Immerhin: Den Mercedes-Benz SL 280 aus der Baureihe R129 schnappt ihm ein anderer weg– bei 13.300 Euro, mehr als 2000 Euro über dem Ausrufpreis, war Schluss.

Oder man machte es gleich wie ein Senior aus dem Rems-Murr-Kreis, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen wollte: aufmerksam zuhören und dann, wenn der anvisierte Startpreis nicht erreicht wird, im Nachgang tätig werden. Der Mann grinste wissend. „Der Schwabe gibt nicht öffentlich zu, was er zahlt.“